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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0387
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11. Artikel zu Gottesdienstbesuch und Abendmahlsempfang 1532

getrewes werckzeug sein10 und je eins dem andern
die hand soll biethen.
Unnd besonderlichen des gar jungen volcks halben
ist vor augen, das einem erbern rat als der oberkheit
ein besonderer schwerer last uff denn hals will wach-
sen, wie man theglichen sicht, das die auffwachsend
jugent so gar frech, leichtfertig, mutwillig und hals-
starck ist, das auch ire leipliche eltern gar nach-
ent11 an inen vertzagen mechten. Was aber fur un-
rath unnd unfall einer gantzen gemein diser statt
begegnen und was grosser straff und schwer urtel
gotes darab zu erwarten, mag ein jeder verstendiger
(und vorab, der auß Gottes wort und den historien
|4v | von jewelten her bericht ist) woll ermessen.
Darumben dann irer ersam weißheit wol gepurn
will, hierinnen sondern vleis unnd ernst anzukhern,
als die von Gott vatter unnd oberer der gantzen ge-
meind diser zeit gesetzt und verordent seind. Der-
halben unnd dweil es wol billichen were, das ein je-
der vatter zu seinem selbs hauß sehe und seiner
khinder unnd gesinds von Gott geordenter zucht-
meister sein solte, unnd aber ein ersamer rath au-
genscheinlichen befunden, das es eben diser zeit lei-
der nit sein will und der meher theil seinem aigen
hauß ain boser haußvatter ist, so hat ir ersam weiß-
heit furgenomen, mit den selbigen zugeordenten cri-
stenlichen predicanten ein zucht der jugent anzu-
richten, darob vatter unnd mutern getreulichen hal-
ten sollen. Unnd ir ersam weißheit als ein cristen-
liche oberkheit und gemeine vetter der alten und
jungen (so fer inen got, der almechtig, gnad gipt)
| 5r | sollen unnd wollen ob diser ordnung auch irn
predicanten guten rucken12 halten, damit ein gemei-
ne zucht des jungen volcks angericht und erhalten
werde, alles nach dem bevelch Gottes und zu ge-
meiner besserung.
Unnd so vil die gar jungen khinder (so noch un-
der irn unmundigen jarn seind) thut belangen, ver-
hofft ir ersam weißheit, es solle nit noth haben, die
selbigen wellen sie den haußvettern und schulmei-
10 Vgl. Apg 9,15.
11 Beinahe.
12 Gemeint ist: die Ordnung beachten und die Prediger un-
terstützten.

stern bevelhen, die sollen mit allem vleis acht ha-
ben, wie es jeder Zeit die noturfft erfordert und mit
guter zucht und straff hart anhalten und, wo von
nothen, die ruten nit sparn, dweil sie noch zu biegen
seind, wie man das auß der natur und gantzer hei-
ligen schrifft darzu ermanet wirdet13, und ir alle
sampt vor got, dem almechtigen, schwere rechen-
schafft miessen geben.
Der andern halben, die jetzunder etwas erwach-
sen, zu vernunfft, guten verstand und uber zehen,
zwelff oder meher jarn khomen und manbar14 wor-
den seind, ist eins erbern rats | 5v | entliche meynung,
das zu gewonlichen zeiten unnd nach gelegenheit
unnd gestalt der sachen von den heiligen sacramen-
ten unnd sonderlichen, so vil das heilig nachtmal
thut belangen, dem jungen volck, so uber zehen
unnd meher jarn seind, im jar etliche sondere pre-
digen uff zeit unnd tag, darzu angesehen, durch die
predicanten alhie sollen furgenomen werden, zu wel-
chen predigen ein jeder vatter unnd muter das jung
gesind, es seien knaben oder tochtern, mit allem
vleis und ernst soll schicken, uff welche predigen ir
ersam weißheit durch deren verordenten zuchthern
ein sonder vleissigs auffsehen unnd auff die, so also
an den selbigen predigen erscheinen, desgleichen
auch die abwesenden und verechtliche der selbigen,
gut acht zu haben, die selbigen ungehorsamen der
oberkheit wissen anzupringen, ferner nach gelegen-
heit mit den selbigen, es seie durch beschickung fur
die zuchthern, predicanten oder in ander fuglich
weg, wissen zu handeln. |6r |
Es soll auch hiemit ein jedes jung und unver-
stendig mensch, es seien knaben oder dechtern, wie
auch ir ersam weißheit euch alle und ein jedes in
sonderheit uffs vleissigst unnd ernstlichst thut er-
manen, etwa im jar einmal einen predicanten in di-
sem heiligen handel ansuchen, der cristenlichen
glaubens und der heilgen sacramenten halb rats zu-
fragen und von inen ain bericht empfahen der cri-
stenlichen leher, des rechten glaubens unnd gotseli-
gen lebens, uff das sie lernen, worauff sie ir hoffnung
13 Vgl. Spr 13,24; 22,15; 23,13-14; Sir 30,1.
14 Ehefähig.

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