Esslingen
37. Ordnung gegen Hurerei und Ehebrucha
30. März 1602
Dieweil der jüngste tag nahend herzu rucket, an
welchem Gott mit der feurigen sündfluß der welt ein
end machen würdt1, ist kain zweifel, es würdt sich
zuvor die unzucht (wie auch vor der wässerigen
sündfluß2) heuffen, derwegen der christlichen ob-
rigkhait gewissens unnd ambts halben obligt, sovil
desto mehr geburlich die unzucht, wo selbige offen-
bar und beweislich, zustraffen, damit nicht Gott,
der herr, bewegt werde, durch einreissen der schand
unnd laster ein gantze statt oder land zustraffen.
Damit aber den sachen mit bestraffung der unzucht
nicht zuvil oder zuwenig beschehe, ist grosse unn-
derschid zuhalten, nach dem die verwürckung etwas
geringer oder aber groß unnd hochstrefflich befun-
den wurdt, dann die übertrettungen seer ungleich
unnd also auch mit ungleichen straffen anzusehen.
Von straff der hurerey
1. Da nun ein ledige mannsperson (es were ein jun-
ger gesell oder ein wittwer) mit ainer wittiben oder
sonsten einer verfelten3 weibsperson, welche sich mit
warhait fur kain jungfraw außgebenn kondte, un-
zucht tribe, möcht der mannb tag im thurn mit was-
ser unnd brot, das weib aberc tag mit einer frawen
gefencknuß gestrafft werden. Da aber der mann
etwo mit einem ehrlichen ambt were bedacht gewe-
sen, möchte selbigs (ergernuß zuverhüten) von im
genomen und ainem andern befolhen werden. Es
möchte auch ein weibs person so leichtfertig sein
unnd so offt sich ubersehen4, das sie nicht in der
α Im fünfften buch Mosis am zway und zwainzigsten ca-
pitel [13-29].
a Textvorlage (Handschrift): StadtA Esslingen, Reichs-
stadt, F. 10, fol. 1r-4v.
b Lücke im Text.
c Lücke im Text.
1 Offb 8,6-13.
2 Gen 6-8.
statt zugedulden, sonnder auß der statt abzuschaf-
fen were, dann es sonnsten schier5 sovil were, als ob
man ein offen frawenhauß6 (mit undertheniger re-
verentz zumelden) gestatten wolte. | 1v|
2. Wann ein ledige manns person ein jungfraw zum
fahl bringt7, soll durch die zuchtherrn mit der mann-
sperson ernstlich dahin gehandlet werden, das er sie
widerumb durch ein heirath zu ehren pring. Da er
aber dahin nicht konndte vermöcht werden, soll er ir
doch die schappel8 bezalen und des kinds halben (da
sie geschwengert) mit ir vor der obrigkhait gebur-
lich außkommen. Unnd sollen sie baide wegen be-
gangner unzucht mit gefencknuß (wie droben beym
ersten puncten vermeldet) gestrafft werden.
3. Da aber ein lediger mann ein weibsperson not-
zwingte9, sonderlich ein jungfrawen, wurden (meins
behaltens) die weltliche recht einem solchen theter
das leben absprechen. Doch ist in solchem fahl nicht
allwegen der klagenden weibsperson zuglauben,
unnd gibt das gesetz Mosis anlaitung, was man dises
orts für ein notzwang halten soll oder nichtα. Unnd
da es für ein notzwang erkhennt unnd man gleich
die straff des tods nicht gebrauchen wolte, solte
doch ein solcher theter sonnsten hertigklich an sei-
nem leib gestrafft werden, dann man sonnsten vor
solchen gottlosen leuten weiber unnd tochtern nicht
bewahren konndte.
4. Wo sich auch begebe, das ein ledige mannsperson
ein töchterlin, welches noch nicht manbar10, be-
schlieffe unnd selbigs ubel zurichtet (wie zu gesche-
hen pflegt), würde derselbige (meins erachtens) der
3 Deflorierten, Grimm, DWb 25, Sp. 300.
4 Nicht daran kehren, dies nicht beachten.
5 Alsbald.
6 Bordell
7 Entehrt.
8 Kranzförmiger Kopfschmuck, der die Jungfräulichkeit
symbolisierte, vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2169.
9 Vergewaltigt.
10 Heiratsfähig.
410
37. Ordnung gegen Hurerei und Ehebrucha
30. März 1602
Dieweil der jüngste tag nahend herzu rucket, an
welchem Gott mit der feurigen sündfluß der welt ein
end machen würdt1, ist kain zweifel, es würdt sich
zuvor die unzucht (wie auch vor der wässerigen
sündfluß2) heuffen, derwegen der christlichen ob-
rigkhait gewissens unnd ambts halben obligt, sovil
desto mehr geburlich die unzucht, wo selbige offen-
bar und beweislich, zustraffen, damit nicht Gott,
der herr, bewegt werde, durch einreissen der schand
unnd laster ein gantze statt oder land zustraffen.
Damit aber den sachen mit bestraffung der unzucht
nicht zuvil oder zuwenig beschehe, ist grosse unn-
derschid zuhalten, nach dem die verwürckung etwas
geringer oder aber groß unnd hochstrefflich befun-
den wurdt, dann die übertrettungen seer ungleich
unnd also auch mit ungleichen straffen anzusehen.
Von straff der hurerey
1. Da nun ein ledige mannsperson (es were ein jun-
ger gesell oder ein wittwer) mit ainer wittiben oder
sonsten einer verfelten3 weibsperson, welche sich mit
warhait fur kain jungfraw außgebenn kondte, un-
zucht tribe, möcht der mannb tag im thurn mit was-
ser unnd brot, das weib aberc tag mit einer frawen
gefencknuß gestrafft werden. Da aber der mann
etwo mit einem ehrlichen ambt were bedacht gewe-
sen, möchte selbigs (ergernuß zuverhüten) von im
genomen und ainem andern befolhen werden. Es
möchte auch ein weibs person so leichtfertig sein
unnd so offt sich ubersehen4, das sie nicht in der
α Im fünfften buch Mosis am zway und zwainzigsten ca-
pitel [13-29].
a Textvorlage (Handschrift): StadtA Esslingen, Reichs-
stadt, F. 10, fol. 1r-4v.
b Lücke im Text.
c Lücke im Text.
1 Offb 8,6-13.
2 Gen 6-8.
statt zugedulden, sonnder auß der statt abzuschaf-
fen were, dann es sonnsten schier5 sovil were, als ob
man ein offen frawenhauß6 (mit undertheniger re-
verentz zumelden) gestatten wolte. | 1v|
2. Wann ein ledige manns person ein jungfraw zum
fahl bringt7, soll durch die zuchtherrn mit der mann-
sperson ernstlich dahin gehandlet werden, das er sie
widerumb durch ein heirath zu ehren pring. Da er
aber dahin nicht konndte vermöcht werden, soll er ir
doch die schappel8 bezalen und des kinds halben (da
sie geschwengert) mit ir vor der obrigkhait gebur-
lich außkommen. Unnd sollen sie baide wegen be-
gangner unzucht mit gefencknuß (wie droben beym
ersten puncten vermeldet) gestrafft werden.
3. Da aber ein lediger mann ein weibsperson not-
zwingte9, sonderlich ein jungfrawen, wurden (meins
behaltens) die weltliche recht einem solchen theter
das leben absprechen. Doch ist in solchem fahl nicht
allwegen der klagenden weibsperson zuglauben,
unnd gibt das gesetz Mosis anlaitung, was man dises
orts für ein notzwang halten soll oder nichtα. Unnd
da es für ein notzwang erkhennt unnd man gleich
die straff des tods nicht gebrauchen wolte, solte
doch ein solcher theter sonnsten hertigklich an sei-
nem leib gestrafft werden, dann man sonnsten vor
solchen gottlosen leuten weiber unnd tochtern nicht
bewahren konndte.
4. Wo sich auch begebe, das ein ledige mannsperson
ein töchterlin, welches noch nicht manbar10, be-
schlieffe unnd selbigs ubel zurichtet (wie zu gesche-
hen pflegt), würde derselbige (meins erachtens) der
3 Deflorierten, Grimm, DWb 25, Sp. 300.
4 Nicht daran kehren, dies nicht beachten.
5 Alsbald.
6 Bordell
7 Entehrt.
8 Kranzförmiger Kopfschmuck, der die Jungfräulichkeit
symbolisierte, vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2169.
9 Vergewaltigt.
10 Heiratsfähig.
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