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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0439
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Einleitung

Bereits 1534 hatte Martin Rauber gefordert, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt einzuführen.25 Da
der Rat hierauf nicht eingegangen war, brachte Rauber diese Bitte gemeinsam mit dem inzwischen evan-
gelisch gewordenen Pfarrer Johann Amman26 im Frühjahr 1536 erneut vor. Am 31. März lehnte der Rat
noch ab,27 kam dem Wunsch wenig später aber doch nach, denn noch im selben Jahr untersagte er die
Messfeiern in der Pfarrkirche.28 Am 25. Juli ordnete er an, die Messkelche einzusammeln und sie den
Kirchenpflegern in Verwahrung zu geben, die auch den Schlüssel zum Sakramentshäuschen besaßen.29
Gegen Ende des Jahres 1536 wurden in Giengen keine Messen mehr gefeiert.30
Im Sommer 1535 beriet man über die Einführung einer Kirchenordnung. Am 5. Juli brachte Bürger-
meister Hans Hieber das Thema im Rat zur Sprache. Man beschloss, sich bei Nördlingen, Harburg in der
Grafschaft Öttingen31 und Augsburg nach den dortigen Kirchengebräuchen zu erkundigen.32 Hieber bat
Pfarrer Johann Amman, eine Kirchenordnung für Giengen zu verfassen, die dieser am 14. September vor-
legte.33 Obwohl auch Martin Rauber empfahl, diese Ordnung anzuwenden,34 zögerte der Rat. Ammans
Regelwerk ging vermutlich im Stadtbrand von 1634 verloren. Lediglich das Exemplar der Augsburger
Kirchenordnung, das auf Anfrage aus der Reichsstadt übersandt worden war, ist in Giengen überlie-
fert.35 Im Frühjahr 1536 drängte der Pfarrer darauf, die vor dem 14. März im Druck erschienene württem-
bergische Kirchenordnung anzunehmen.36 Dieser Vorschlag stand möglicherweise bereits vor dem Hinter-
grund, dass die an Ulm verpfändete Herrschaft Heidenheim am 12. Mai 1536 wieder in württembergische
Hände zurückfiel: Herzog Ulrich wurde hiermit Patronatsherr der Giengener Pfarrkirche und hatte unmit-
telbaren Einfluss auf die Religionspolitik der Reichsstadt.37 Die Frage nach einer Kirchenordnung für
Giengen wurde jedoch erst im folgenden Jahr entscheiden. Am 30. Januar 1537 beschloss der Rat, über die
Ordnung der kirchlichen Zeremonien erneut zu beraten.38 Im Sommer kam der Straßburger Theologe Mar-
tin Bucer nach Giengen, und auf sein Drängen erklärten sich Rat, Pfarrer und Prediger schließlich bereit,
die württembergische Kirchenordnung von 1536 anzunehmen und das Giengener Kirchenwesen nach deren
Vorgaben zu gestalten.39 Als Verordnete für Kirchenangelegenheiten wurden Bürgermeister Hans Jäger gen.
Sailer, die Kirchenpfleger Endris Engelhart und Kuntz Stumpff sowie der Zunftmeister Hans Hilsenbeck

25 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 67b.
26 Zu Johann Amman siehe Cramer, Pfarrerbuch III,
Nr. 7; Stadtkirche Giengen, S. 74; Magenau, Beschrei-
bung, S. 79f.
27 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 169a, fol. 199b.
28 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 181b, fol. 182a.
29 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 199b.
30 Andler, Reformation, S. 163f.
31 Hier war die Reformation bereits 1524 eingeführt wor-
den. Mit dem Kanzler Christoph Gugel in Harburg
stand der Giengener Rat bezüglich zahlreicher Rechts-
fragen in Kontakt, Andler, Reformation, S. 111
Anm. 1.
32 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 100a, fol. 101a;
vgl. Andler, Reformation, S. lllf.
33 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 113a, 116a. Vgl.
Magenau, Beschreibung, S. 79f.
34 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 121a.
35 StadtA Giengen A F14, Nr. 87. Hierbei handelt es sich
wohl um die älteste Augsburger Kirchenordnung von
1534, Abdruck bei Arend, Augsburger Kirchenord-
nung, S. 20-27.
36 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 147r. Abdruck
der württembergischen Ordnung bei Sehling, EKO
XVI, S. 103-128.

37 Andler, Reformation, S. 165.
38 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 146a.
39 StadtA Giengen, Ratsprotokolle II, fol. 19b: Uff heut ist
doctor Martinus Butzer von Straßburg sampt unserm phar-
rer, Hanns Aman, und Martino Rauber vor ein erbern rath
erschinen und nach langem anzaigen gepetten und begert,
das ein erber rath welle mit in anemen unnd halten die
kirchenordnung unnd reformacion des fürstenthumb Wirt-
tenbergs, und dabei sich pharrer und prediger offenlich vor
bemeltem doctor und eim erbern rath bekant, das sy der sach
ains seien und sich in allen articuln und was die bestimpt
reformacion vermag, vereinbart haben, und die an der can-
tzel mit ler und in allen fellen gleichformig halten wellend.
Darauff ein erber rath inen dise antwurtt geben, das man
well die wurttembergische kurchenordnung annemen, kir-
chenprobrost [= Kirchenpröpste] ordnen und derselben
gemeß handlen, das nachtmal anrichten, aber die kirchen
außzuraumen, altar abbrechen, die hailligen auß der kur-
chen zu thun, die kurchen zuzeschliessen etc., was derselben
gemess, will im ein erber [rath], dem selben ordnung zu
geben, vorbehalten haben und mitler zeit, wie es ain erbern
rath fur gut ansicht, darinnen handlen. Vgl. Stadtkirche
Giengen, S. 19f.

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