Giengen an der Brenz
bestellt.40 Mit der württembergischen Kirchenordnung wurde die Reformationseinführung in Giengen 1537
auf eine fundierte Gesetzesgrundlage gestellt und ein Gremium für die Umsetzung der einzelnen Maßnah-
men benannt.41
Neben dem Ringen um eine Kirchenordnung war die Giengener Kirchenpolitik 1537 bestimmt von der
Frage nach den Bildwerken in den Kirchen.42 Rauber sprach sich dezidiert gegen den Bildschmuck aus. Die
Bilderfrage war ihm so wichtig, dass er Bedingungen für sein weiteres Bleiben in der Reichsstadt daran
knüpfte.43 Der Rat verhinderte den von Rauber geforderten Bildersturm jedoch, indem er am 12. Juli 1437
die Entfernung der Heiligenfiguren unter Strafe stellte.44 Diese und andere Meinungsverschiedenheiten mit
dem Rat zwangen Martin Rauber schließlich, die Reichsstadt im Januar 1539 zu verlassen und erneut in die
Dienste Ulms zu treten.45 Sein Nachfolger auf der Giengener Prädikatur wurde Jörg Biermann.46
Im gleichen Jahr, in dem man die württembergische Kirchenordnung in Giengen angenommen und die
Bilderfrage entschieden hatte, erließ der Rat eine Almosenordnung, die er am 30. September 1537 verkün-
dete.47 Auch diese Ordnung ist nicht erhalten. Aus einigen Hinweisen in den Ratsprotokollen geht lediglich
hervor, dass die Vermögen der aufgehobenen Messpfründen dem Armen und Reichen Almosen zuflossen.
Am 23. Januar 1568 wurde über eine neue Armenordnung beraten und beschlossen, dass sämtliche Almo-
senempfänger zur sozialen Kontrolle ein Zeichen an ihrer Kleidung tragen sollten.48
Ebenso zögerlich, wie der Giengener Rat die einzelnen reformatorischen Maßnahmen in seinem Gemein-
wesen umsetzte, verhielt er sich in außenpolitischen Religionsfragen: Bereits am 2. November 1535 hatte
Nürnberg der Reichsstadt geraten, dem Schmalkaldischen Bund beizutreten.49 Die Beratungen darüber
zogen sich jedoch bis zum Schmalkaldischen Krieg 1546 hin, bis es schließlich zu spät war, in das Bündnis
aufgenommen zu werden.50
3. Das evangelische Kirchenwesen nach dem Interim 1554-1618
Nach dem Schmalkaldischen Krieg musste auch Giengen trotz heftigen Widerstands unter den evangeli-
schen Geistlichen und der Bevölkerung das Augsburger Interim annehmen und die damit verbundene Resti-
tution des alten Glaubens durchführen.51 Obwohl die Interimsverhältnisse durch den Passauer Vertrag 1552
reichsrechtlich aufgehoben worden waren, zögerte der Giengener Rat, die katholischen Zeremonien wieder
abzuschaffen. Man kam nur langsam zum evangelischen Kirchenwesen zurück: Am 4. August 1553 wurde
die deutsche Sprache im Gottesdienst und die Verwendung des Chorrocks beschlossen.52 Am 4. Dezember
stellten die Prediger beim Rat einen Antrag auf Wiederzulassung des evangelischen Abendmahls.53 1554
40 Litz, Bilderfrage, S. 227.
41 Bartelmess, Giengen, S. 63.
42 Zum Umgang der Reichsstadt mit den Bildern siehe
detailliert Litz, Bilderfrage, S. 228-232.
43 Ende 1537/Anfang 1538 verfasste er eine Eingabe an den
Rat, in der er sich nachhaltig gegen die Bilder in den
Kirchen aussprach. Dieser Brief ist abgedruckt bei Litz,
Bilderfrage, S. 288-298.
44 StadtA Giengen, Ratsprotokolle II, fol. 19b. Vgl. Litz,
Bilderfrage, S. 232. Die Bildwerke, die durch das beson-
nene Verhalten des Gienener Rates gerettet werden
konnten, wurden jedoch beim Stadtbrand von 1634 ver-
nichtet.
45 Zu seinem weiteren Lebensweg siehe Andler, Refor-
mation, S. 170 Anm. 1.
46 Cramer, Pfarrerbuch III, Nr. 37; Stadtkirche Giengen,
S. 76.
47 StadtA Giengen, Ratsprotokolle II, fol. 33b.
48 Chronik der Stadt Giengen, S. 43. Vgl. Bartelmess,
Giengen, S. 63; Andler, Reformation, S. 172.
49 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 132a.
50 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 146a, fol. 157b,
fol. 244a, Ratsprotokolle III, fol. 27b. Vgl. Möllen-
berg, Verhandlungen, S. 31-62.
51 StadtA Giengen, Ratsprotokolle III, fol. 118a/b,
fol. 119b, fol. 122a und fol. 135b.
52 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 1a.
53 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 27a.
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bestellt.40 Mit der württembergischen Kirchenordnung wurde die Reformationseinführung in Giengen 1537
auf eine fundierte Gesetzesgrundlage gestellt und ein Gremium für die Umsetzung der einzelnen Maßnah-
men benannt.41
Neben dem Ringen um eine Kirchenordnung war die Giengener Kirchenpolitik 1537 bestimmt von der
Frage nach den Bildwerken in den Kirchen.42 Rauber sprach sich dezidiert gegen den Bildschmuck aus. Die
Bilderfrage war ihm so wichtig, dass er Bedingungen für sein weiteres Bleiben in der Reichsstadt daran
knüpfte.43 Der Rat verhinderte den von Rauber geforderten Bildersturm jedoch, indem er am 12. Juli 1437
die Entfernung der Heiligenfiguren unter Strafe stellte.44 Diese und andere Meinungsverschiedenheiten mit
dem Rat zwangen Martin Rauber schließlich, die Reichsstadt im Januar 1539 zu verlassen und erneut in die
Dienste Ulms zu treten.45 Sein Nachfolger auf der Giengener Prädikatur wurde Jörg Biermann.46
Im gleichen Jahr, in dem man die württembergische Kirchenordnung in Giengen angenommen und die
Bilderfrage entschieden hatte, erließ der Rat eine Almosenordnung, die er am 30. September 1537 verkün-
dete.47 Auch diese Ordnung ist nicht erhalten. Aus einigen Hinweisen in den Ratsprotokollen geht lediglich
hervor, dass die Vermögen der aufgehobenen Messpfründen dem Armen und Reichen Almosen zuflossen.
Am 23. Januar 1568 wurde über eine neue Armenordnung beraten und beschlossen, dass sämtliche Almo-
senempfänger zur sozialen Kontrolle ein Zeichen an ihrer Kleidung tragen sollten.48
Ebenso zögerlich, wie der Giengener Rat die einzelnen reformatorischen Maßnahmen in seinem Gemein-
wesen umsetzte, verhielt er sich in außenpolitischen Religionsfragen: Bereits am 2. November 1535 hatte
Nürnberg der Reichsstadt geraten, dem Schmalkaldischen Bund beizutreten.49 Die Beratungen darüber
zogen sich jedoch bis zum Schmalkaldischen Krieg 1546 hin, bis es schließlich zu spät war, in das Bündnis
aufgenommen zu werden.50
3. Das evangelische Kirchenwesen nach dem Interim 1554-1618
Nach dem Schmalkaldischen Krieg musste auch Giengen trotz heftigen Widerstands unter den evangeli-
schen Geistlichen und der Bevölkerung das Augsburger Interim annehmen und die damit verbundene Resti-
tution des alten Glaubens durchführen.51 Obwohl die Interimsverhältnisse durch den Passauer Vertrag 1552
reichsrechtlich aufgehoben worden waren, zögerte der Giengener Rat, die katholischen Zeremonien wieder
abzuschaffen. Man kam nur langsam zum evangelischen Kirchenwesen zurück: Am 4. August 1553 wurde
die deutsche Sprache im Gottesdienst und die Verwendung des Chorrocks beschlossen.52 Am 4. Dezember
stellten die Prediger beim Rat einen Antrag auf Wiederzulassung des evangelischen Abendmahls.53 1554
40 Litz, Bilderfrage, S. 227.
41 Bartelmess, Giengen, S. 63.
42 Zum Umgang der Reichsstadt mit den Bildern siehe
detailliert Litz, Bilderfrage, S. 228-232.
43 Ende 1537/Anfang 1538 verfasste er eine Eingabe an den
Rat, in der er sich nachhaltig gegen die Bilder in den
Kirchen aussprach. Dieser Brief ist abgedruckt bei Litz,
Bilderfrage, S. 288-298.
44 StadtA Giengen, Ratsprotokolle II, fol. 19b. Vgl. Litz,
Bilderfrage, S. 232. Die Bildwerke, die durch das beson-
nene Verhalten des Gienener Rates gerettet werden
konnten, wurden jedoch beim Stadtbrand von 1634 ver-
nichtet.
45 Zu seinem weiteren Lebensweg siehe Andler, Refor-
mation, S. 170 Anm. 1.
46 Cramer, Pfarrerbuch III, Nr. 37; Stadtkirche Giengen,
S. 76.
47 StadtA Giengen, Ratsprotokolle II, fol. 33b.
48 Chronik der Stadt Giengen, S. 43. Vgl. Bartelmess,
Giengen, S. 63; Andler, Reformation, S. 172.
49 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 132a.
50 StadtA Giengen, Ratsprotokolle I, fol. 146a, fol. 157b,
fol. 244a, Ratsprotokolle III, fol. 27b. Vgl. Möllen-
berg, Verhandlungen, S. 31-62.
51 StadtA Giengen, Ratsprotokolle III, fol. 118a/b,
fol. 119b, fol. 122a und fol. 135b.
52 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 1a.
53 StadtA Giengen, Ratsprotokolle IV, fol. 27a.
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