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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0453
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Einleitung

religionspolitischen Frage.22 Dieser Reichstag gab jedoch schließlich den Anstoß zur Einführung der Refor-
mation in Biberach. Im Herbst 1530 folgte der Rat dem Ulmer Beispiel, indem er Ende des Jahres eine
Abstimmung über die Annahme des Reichsabschieds von 1530 unter der Bevölkerung durchführen ließ. Die
überwiegende Mehrheit der Biberacher sprach sich hierbei für die Einführung der Reformation aus.

3. Einführung der Reformation 1531-1548
Nachdem in Folge des Augsburger Reichstags 1530 die Entscheidung zu Gunsten der neuen Lehre gefallen
war, betrieb Biberach im folgenden Jahr einen außenpolitschen Kurswechsel und die Umgestaltung des
städtischen Kirchenwesens. Am 3. Februar trat die Reichsstadt dem Schmalkaldischen Bund bei.23 Im
gleichen Monat nahm der Prediger Bartholomäus Müller als Vertreter Biberachs am Memminger Städtetag
teil, auf dem man sich in zahlreichen Fragen des evangelischen Kirchenwesens abstimmte.24

1. Ratsbeschluss zum Verbot der Messe 11. April 1531 (Text S. 439)
Ein erster Schritt auf dem Weg zur Reformation in Biberach war das Verbot der Messfeiern.25 Am 11. April
1531 wurden die altgläubigen Geistlichen aufgefordert, die Legitimität der Messen aus der Bibel zu begrün-
den. Da diese hierauf nicht eingingen, wurde ihnen tags darauf der Zutritt zur Martinskirche verwehrt.
Bei der Umsetzung der reformatorischen Maßnahmen richtete sich Biberach nach Ulm, wo der Prädi-
kant Martin Frecht26 als Reformator agierte. Aber auch mit Martin Bucer in Straßburg, Huldrich
Zwingli27 in Zürich und Johannes Oekolampad in Basel standen die Biberacher Prediger in Kontakt. Anfang
Juli 1531 hielten sich Oekolampad und Bucer auf der Rückreise von Ulm mehrere Tage in Biberach
auf.28

2. Zucht- und Eheordnung 1531 (Text S. 440)
Kurz vor seiner Abreise aus Biberach schrieb Martin Bucer am 9. Juli 1531 an Margarethe Blarer in
Konstanz, dass man in der Reichsstadt götzen vnd meß abgethon vnd christliche zucht dapjer an die handt
genomen habe.29 In Biberach beschäftigte man sich demnach im Sommer 1531 Jahres mit der Ausarbeitung
einer Zuchtordnung. Der im Spitalarchiv überlieferte Text der Zucht- und Eheordnung30 ist in drei
Abschnitte unterteilt: Im ersten werden Sonntagsheiligung, Beschwörung, Gotteslästerung und Fluchen

22 Warmbrunn, Konfessionen, S. 56; Diemer, Augsbur-
ger Reichstag, S. 13-15.
23 Diemer, Zwei Konfessionen, S. 14; Rüth, Reformation
in Biberach, S. 269f.
24 Rüth, Müller, S. 17.
25 Schilling, Beiträge, S. 171; vgl. Rüth, Reformation
in Biberach, S. 270f.
26 Zu Frecht siehe oben, S. 72 Anm. 136.
27 Zwingli, Briefwechsel IV, Nr. 969. Vgl. Warmbrunn,
Konfessionen, S. 56; Rüth, Müller, S. 17; ders., Refor-
mation in Biberach, S. 277.
28 Köhler, Ehegericht II, S. 229f. Vgl. Schmidt, Simul-
tanverhältnisse, S. 304f.
29 Bucer, Briefwechsel VI, Nr. 435. Vgl. auch den
Abdruck bei Schiess, Briefwechsel II, S. 790. Am

29. Juni hatte der Rat die Bildwerke aus den Kirchen
beseitigen lassen, in einzelnen Gotteshäusern kam es zu
gewaltsamen Akten durch die Bevölkerung, von der rei-
chen Ausstattung in St. Martin blieb nur wenig erhalten,
Schaal, Bildersturm, S. 1-8; Litz, Bilderfrage,
S. 169-171, 176f; Schier, Ursachen, S. 24f.; Rummel,
Einführung, S. 192f.
30 Köhler und Warmbrunn kennen diese Ordnung nicht,
Köhler, Ehegericht II, S. 230; Warmbrunn, Konfes-
sionen, S. 276f„Am schwersten sind die Verhältnisse,
was die Ehegerichtssachen betrifft, in Biberach durch-
schaubar, wo weder eine Zucht- noch eine Ehegerichts-
ordnung aus der Reformationszeit erhalten geblieben
ist“.

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