Einleitung
Reichsstädte schließlich der Lehre von Luther und Melanchthon zu, indem er Martin Frecht 1536 die
Wittenberger Konkordie auch im Namen Biberachs unterzeichnen ließ.38
4. Von der Bikonfessionalität zur Parität 1548-1618
3. Ratsmandat für die Prediger zur Gewissensfreiheit nach Annahme des Interims [1548] (Text S. 449)
Mit dem Augsburger Interim von 1548 begann für Biberach der Weg in die Bikonfessionalität. Anders als in
anderen Reichsstädten, die bis zum Interim evangelisch geworden waren, konnte sich in Biberach aufgrund
von Führungsschwäche der evangelischen Prediger und Entscheidungsschwäche innerhalb des Rats eine
altgläubige Minderheit behaupten, die ihren Kultus privat oder außerhalb der Reichsstadt pflegte. Dieser
Gruppe gehörte ein Teil der städtischen Eliten an, der im habsburgisch dominierten oberschwäbischen
Umland Unterstützung fand.39 Vor dem Hintergrund dieser „unvollendeten Reformation“40 trugen auch die
besonderen patronatsrechtlichen Verhältnisse zur Entstehung der Biberacher Bikonfessionalität bei: Wäh-
rend es den Magistraten der meisten anderen evangelischen Reichsstädte bis 1548 gelungen war, in den
Besitz des Patronatsrechts der städtischen Pfarrkirche(n) zu gelangen, blieben die Rechtsverhältnisse in
Biberach unangetastet - nicht zuletzt deshalb, weil die Abtei Eberbach in ihrem Schirm- und Landesherrn,
dem Mainzer Kurfürsten, einen starken Rückhalt hatte.41 Dem Biberacher Rat gelang es lediglich, den
Eberbacher Pfarrer zum Amtsverzicht an St. Martin zu bewegen. Dieser ging 1536 ins katholische Filial-
dorf Rißegg, das seit 1529 als Teil der Herrschaft Warthausen dem altgläubigen Hans Schad von Mittel-
biberach unterstand.42 Die Biberacher Pfarrkirche wurde damit de facto zur Sinekure und vom Rat mit
evangelischen Geistlichen besetzt. Sie blieb dem Kloster Eberbach jedoch inkorporiert und infolge des
Interims 1548 trat die Abtei wieder vollständig in ihre pfarrherrlichen Rechte ein. Sie holte den Vikar
Martin Bauer nach Biberach zurück, und seit dem 13. August wurden wieder Messen in der Stadtpfarr-
kirche gefeiert.43
In einem Mandat, das vermutlich aus dem Jahr 1548 stammt,44 bekräftigte der Rat, dass dem kaiser-
lichen Interim Folge zu leisten sei, betonte aber, dass des menschen selligkait im grund allain [in] dem glauben
an unnsern ainigen hailanndt liege und den Evangelischen - laut Text des Interims45 - die Predigt sowie der
Empfang des Abendmahls in beiderlei Gestalt nicht verboten sei. Für die vom Kloster Eberbach eingesetz-
ten Interimsgeistlichen hatte die evangelische Bevölkerung offensichtlich nur Hohn und Spott übrig, wie
aus weiteren Mandaten hervorgeht, in denen die Bürger zu gegenseitiger Toleranz aufgefordert wur-
den.46
Der Biberacher Rat duldete die Aufrechterhaltung des vom Interim beschnittenen und kaschierten
evangelischen Bekenntnisses und setzte sich dafür ein, dass der Pfarrer das Abendmahl unter beiderlei
38 Diemer, Zwei Konfessionen, S. 15.
39 Rüth, Simultaneum, S. 16-18; ders., Reformation in
Biberach, S. 278f.
40 So Rüth, Simultaneum, S. 16.
41 Ebd., S. 18.
42 Rieber, Dr. Hans Schad; Schad von Mittelbibe-
rach, Schad 2, S. 158-316; Diemer, Heilig-Geist-Spi-
tal, S. 9; Ulrich, Heilig-Geist-Spital, S. 90; Milden-
berger, Reformation, S. 23f.; Merk, Attenweiler,
S. 75-79, 92-96; Rüth, Biberach und Eberbach, S. 159;
Press, Biberach, S. 29f.; ders., Warthausen, S. 32-44.
43 Rüth, Biberach und Eberbach, S. 156-162; Zur Inkor-
porationsgeschichte der Pfarrkirche siehe ebd.,
S. 156-169. ders., Simultaneum, S. 19-21; ders., Refor-
mation in Biberach, S. 281; Kramer, Simultanverhält-
nisse, S. 147f.
44 StadtA Biberach, Spitalarchiv, A 1261, fol. 36r-37v.
45 DRTA.JR XVIII/2, S. 1947; Mehlhausen, Interim,
S. 142.
46 StadtA Biberach, Spitalarchiv, A 1261; vgl. Günter,
Blarer II, S. 213f.; Rüth, Biberach und Eberbach,
S. 164.
435
Reichsstädte schließlich der Lehre von Luther und Melanchthon zu, indem er Martin Frecht 1536 die
Wittenberger Konkordie auch im Namen Biberachs unterzeichnen ließ.38
4. Von der Bikonfessionalität zur Parität 1548-1618
3. Ratsmandat für die Prediger zur Gewissensfreiheit nach Annahme des Interims [1548] (Text S. 449)
Mit dem Augsburger Interim von 1548 begann für Biberach der Weg in die Bikonfessionalität. Anders als in
anderen Reichsstädten, die bis zum Interim evangelisch geworden waren, konnte sich in Biberach aufgrund
von Führungsschwäche der evangelischen Prediger und Entscheidungsschwäche innerhalb des Rats eine
altgläubige Minderheit behaupten, die ihren Kultus privat oder außerhalb der Reichsstadt pflegte. Dieser
Gruppe gehörte ein Teil der städtischen Eliten an, der im habsburgisch dominierten oberschwäbischen
Umland Unterstützung fand.39 Vor dem Hintergrund dieser „unvollendeten Reformation“40 trugen auch die
besonderen patronatsrechtlichen Verhältnisse zur Entstehung der Biberacher Bikonfessionalität bei: Wäh-
rend es den Magistraten der meisten anderen evangelischen Reichsstädte bis 1548 gelungen war, in den
Besitz des Patronatsrechts der städtischen Pfarrkirche(n) zu gelangen, blieben die Rechtsverhältnisse in
Biberach unangetastet - nicht zuletzt deshalb, weil die Abtei Eberbach in ihrem Schirm- und Landesherrn,
dem Mainzer Kurfürsten, einen starken Rückhalt hatte.41 Dem Biberacher Rat gelang es lediglich, den
Eberbacher Pfarrer zum Amtsverzicht an St. Martin zu bewegen. Dieser ging 1536 ins katholische Filial-
dorf Rißegg, das seit 1529 als Teil der Herrschaft Warthausen dem altgläubigen Hans Schad von Mittel-
biberach unterstand.42 Die Biberacher Pfarrkirche wurde damit de facto zur Sinekure und vom Rat mit
evangelischen Geistlichen besetzt. Sie blieb dem Kloster Eberbach jedoch inkorporiert und infolge des
Interims 1548 trat die Abtei wieder vollständig in ihre pfarrherrlichen Rechte ein. Sie holte den Vikar
Martin Bauer nach Biberach zurück, und seit dem 13. August wurden wieder Messen in der Stadtpfarr-
kirche gefeiert.43
In einem Mandat, das vermutlich aus dem Jahr 1548 stammt,44 bekräftigte der Rat, dass dem kaiser-
lichen Interim Folge zu leisten sei, betonte aber, dass des menschen selligkait im grund allain [in] dem glauben
an unnsern ainigen hailanndt liege und den Evangelischen - laut Text des Interims45 - die Predigt sowie der
Empfang des Abendmahls in beiderlei Gestalt nicht verboten sei. Für die vom Kloster Eberbach eingesetz-
ten Interimsgeistlichen hatte die evangelische Bevölkerung offensichtlich nur Hohn und Spott übrig, wie
aus weiteren Mandaten hervorgeht, in denen die Bürger zu gegenseitiger Toleranz aufgefordert wur-
den.46
Der Biberacher Rat duldete die Aufrechterhaltung des vom Interim beschnittenen und kaschierten
evangelischen Bekenntnisses und setzte sich dafür ein, dass der Pfarrer das Abendmahl unter beiderlei
38 Diemer, Zwei Konfessionen, S. 15.
39 Rüth, Simultaneum, S. 16-18; ders., Reformation in
Biberach, S. 278f.
40 So Rüth, Simultaneum, S. 16.
41 Ebd., S. 18.
42 Rieber, Dr. Hans Schad; Schad von Mittelbibe-
rach, Schad 2, S. 158-316; Diemer, Heilig-Geist-Spi-
tal, S. 9; Ulrich, Heilig-Geist-Spital, S. 90; Milden-
berger, Reformation, S. 23f.; Merk, Attenweiler,
S. 75-79, 92-96; Rüth, Biberach und Eberbach, S. 159;
Press, Biberach, S. 29f.; ders., Warthausen, S. 32-44.
43 Rüth, Biberach und Eberbach, S. 156-162; Zur Inkor-
porationsgeschichte der Pfarrkirche siehe ebd.,
S. 156-169. ders., Simultaneum, S. 19-21; ders., Refor-
mation in Biberach, S. 281; Kramer, Simultanverhält-
nisse, S. 147f.
44 StadtA Biberach, Spitalarchiv, A 1261, fol. 36r-37v.
45 DRTA.JR XVIII/2, S. 1947; Mehlhausen, Interim,
S. 142.
46 StadtA Biberach, Spitalarchiv, A 1261; vgl. Günter,
Blarer II, S. 213f.; Rüth, Biberach und Eberbach,
S. 164.
435