Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0479
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

gesinnte Bartholomäus Hensler20 wurde zum Bürgermeister gewählt. Er blieb bis 1547 im Amt und unter
seiner Führung - unterstützt vom Stadtschreiber Gabriel Kröttlin21 - wandten sich weitere Ratsherren der
Reformation zu.22 Die Verbreitung der neuen Lehre in Ravensburg wurde ferner dadurch begünstigt, dass
mit Hans Wilhelm von Laubenberg 1541 ein Landvogt ins Amt trat, der als Anhänger Kaspar von
Schwenckfelds galt und der reformatorischen Bewegung aufgeschlossen gegenüberstand.23 Wie stark sich die
Reichsstadt zu Beginn der 1540er Jahre bereits der neuen Lehre geöffnet hatte, ersieht man daraus, dass sie
sich auf dem Kreistag von Weil der Stadt 1541 und dem Reichstag in Speyer 1542 vom evangelischen Ulm
vertreten ließ.24
Mit Konrad Konstanzer, dem Helfer an der Liebfrauenkirche, trat in Ravensburg 1544 ein evange-
lischer Prädikant an die Öffentlichkeit. Am 29. Juni predigte er erstmals und vom Rat geduldet die neue
Lehre.25 Neben Konstanzer predigten auch der Kaplan Hans Jäger sowie der Helfer Sebastian Cromer.26
Gegen Ende des Jahres hatten Konstanzer und die übrigen Prediger die Mehrheit der Ravensburger Bevöl-
kerung zu einer evangelischen Gemeinde vereint.27 Das Gros der Ratsherren blieb hingegen beim alten
Glauben - nicht zuletzt aus politischen Gründen.

1. Beschluss von Rat und Bürgerschaft zur Predigt des Evangeliums 12. Oktober 1545 (Text S. 471)
Auf Druck des Abts Gerwig Blarer von Weingarten, der sich kaiserliche Unterstüzung verschafft hatte,
musste der evangelische Prediger Konrad Konstanzer im Sommer 1545 abgesetzt werden.28 Auch Landvogt
Hans Wilhelm von Laubenberg wurde aufgrund seiner Sympathien für die neue Lehre im August seines
Amtes enthoben.29 Hiermit wurden nicht nur die altgläubigen Kreise in der Bevölkerung gestärkt, auch der
Rat kehrte - erschreckt durch das rasche Einschreiten des Kaisers - zu einer strikt antireformatorischen
Politik zurück.30 Vor diesem Hintergrund zitierte er die Vertreter der Büchsenschützengesellschaft am
9. Oktober 1545 aufs Rathaus: Diese hatten beschlossen, auf das jährliche Schießen zu verzichten, da hier-
mit ein dem altgläubigen Kultus verhaftetes Jahrtagsamt verbunden war. Die mehrheitlich neugläubigen
Schützen hatten die übrigen evangelischen Bürger hinter sich gebracht, und so protestierten an diesem für
die Ravensburger Reformationsgeschichte wichtigen Tag weite Teile der reichsstädtischen Bevölkerung
gegen die restriktive Religionspolitik des Rates im allgemeinen und gegen die Absetzung Konrad Konstan-
zers im besonderen.31

20 Zu seiner Person siehe Schütze, Verflechtung, S. 140f.
21 Kröttlin war Sohn eines Ravensburger Zunftmeisters,
hatte in Freiburg und Heidelberg Jura studiert, war
1538 Stadtschreiber und seit 1547 Bürgermeister seiner
Heimatstadt, Burger, Stadtschreiber, S. 125, 179, 307;
Dreher, Patriziat 1962, S. 268f.
22 Dreher, Geschichte I, S. 385; Rudolf, Ravensburg,
S. 5f.
23 Dreher, Patriziat 1962, S. 268.
24 Hofacker, Reformation, S. 88.
25 Warmbrunn, Konfessionen, S. 60 Anm. 207.
26 Jäger und Cromer beschimpften die altgläubigen Geist-
lichen und Bürger in ihren Predigten als Ketzer, woge-
gen der Rat am 17. Oktober 1544 mit einem Mandat
vorging: StadtA Ravensburg Bü 376a, fol. 116 und
HStaatsA Stuttgart B 198 I, Bü 38, p. 1-2. Abdruck bei
Müller, Aktenstücke, S. 15 Nr. 379; vgl. Rudolf,
Ravensburg, S. 6; Köhler, Ehegericht II, S. 334; Hof-
acker, Reformation, S. 92; Litz, Bilderfrage, S. 258.
27 Am 18. September 1544 schrieb Ambrosius Blarer an

Heinrich Bullinger in Zürich: Apud Ravenspurgum Chri-
sti evangelium magno omnium plausu a quodam diacono
[i.e. Konrad Konstanzer] recens vocato predicatur, ut nemo
dubitet Christum ibi regnaturum, Schiess, Briefwechsel
II, S. 298.
28 Hofacker, Reformation, S. 94.
29 Am 18. Juni 1545 schrieb Ambrosius Blarer an Heinrich
Bullinger in Zürich: Kaiser und konig [= Karl V.[ habend
denen von Ravenspurg durch den grauff Hugen von Munt-
fort und Philipp Schaden gar trungelich sagen lassen, das
sy ire zwen helffer hinweg thüen ... Der konig hat ouch dem
landtvogt zu Ravenspurg urlob geben, Schiess, Briefwech-
sel II, S. 370.
30 Warmbrunn, Konfessionen, S. 59; Hofacker, Refor-
mation, S. 95f.; Litz, Bilderfrage, S. 258f.; Rudolf,
Ravensburg, S. 6.
31 Warmbrunn, Konfessionen, S. 59f.; Holzer, Streit,
S. 26f.; Hafner, Evangelische Kirche, S. 6-8; Rudolf,
Ravensburg, S. 7.

459
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften