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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0490
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Ravensburg

Katechismus119 sowie doctoris Lutheri seligen letste schrifften. Abweichende Lehrmeinungen sollten bekämpft
werden, lediglich die katholische Lehre wollte man mit beschaidenhait straffen und mit biblischen Argumen-
ten widerlegen. Auf dieses Bekenntnis mussten sich sämtliche evangelischen Geistlichen in Ravensburg bei
ihrer Anstellung verpflichten.
Mit der Ravensburger Konkordie vereinbarten die Kirchendiener jedoch nicht nur ihre gemeinsamen
Glaubensgrundlagen, sondern legten auch einheitliche Zeremonien, Predigtabfolgen und Predigttexte fest.
Die Konkordie erweist sich also, über ihren bekenntnishaften Titel hinaus, als umfassende Ordnung der
Ravensburger Kirche. Bereits in der Vorrede wurde beklagt, dass die 1546 errichtete Kirchenordnung in
Lehre und Zeremonien von zahlreichen Geistlichen nicht mehr beachtet würde und dass man deshalb neue
Richtlinien entworfen habe. Man beschloss, künftig keine neuen Zeremonien einzuführen, es sei denn, der
Schwäbische Kreis oder die oberlendischen schwäbischen stät gelangten zu einer gemeinsamen einheitlichen
Kirchenordnung. Die Reihenfolge, in der die Prediger die einzelnen Gottesdienste in der Woche und an
Feiertagen zu halten hatten, wurde in der Ordnung ebenso fixiert wie die Übernahme von Leichenpredigten
und Krankenbesuchen. Daneben wurden sowohl die Gemeinde als auch die Geistlichen über ihre Glaubens-
differenzen hinweg zu friedlichem Zusammenleben ermahnt und schließlich sollten die Prediger jeden
Monat beim Konvent der Kirchenpfleger anwesend sein, um Differenzen ihrer Lehr- und Lebensauffassun-
gen aufzudecken und zu beseitigen.
1617 wurde eine überarbeitete Fassung der Ravensburger Konkordie veröffentlicht.120 Hierin waren
einige Bestimmungen zu den Predigten verändert worden. Auch die Pfarrkonvente sollten nicht mehr
monatlich, sondern alle Vierteljahr oder so offt es die notturfft erfordert, stattfinden.

11. Mandat zur Toleranz zwischen Katholiken und Protestanten 11. Juni 1610 (Text S. 506)
Seit Ende des Interims war Ravensburg offiziell bikonfessionell, es kam jedoch immer wieder zu Auseinan-
dersetzungen zwischen katholischen und evangelischen Einwohnern. Bereits 1555 und 1585 hatte der Rat
den friedlichen Umgang miteinander angemahnt (Nr. 8) und 1609 forderte er die Bevölkerung unter Ver-
weis auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 erneut121 zur Eintracht auf. 1610 musste der Rat fest-
stellen, dass seine Weisungen weiterhin missachtet wurden. Er bekräftigte sie nun nicht nur mit einem
neuen Mandat, sondern schärfte auch den Predigern ein, die Anhänger der jeweils anderen Konfession nicht
zu verspotten und keine hitzigen Predigten zu halten. Wer diese Anweisungen missachtete, sollte für alle
Zeit des Bürgerrechts verlustig gehen und der Stadt verwiesen werden. Der Rat unterstrich diese Forde-
rung, indem er das Mandat jedem Prediger einzeln zustellte.

119 Zum Ravensburger Katechismus siehe oben, S. 463; vgl.
Seeling, Willing, S. 27.

120 Hafner, Evangelische Kirche, S. 56; Dreher,
Geschichte II, S. 761.
121 Siehe oben, Anm. 107.

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