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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0512
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Ravensburg

auch ain orth, verordnen98, darinnen sy christenliche
zucht unnd künst lernen mögen. Unnd was bißan-
heer unützes, ungöttlichs und unfruchtpars in schu-
len gelert were, dardurch die jugend mer verhindert
und versaumpt dann zu guten sitten unnd gött-
licher, christenlicher zucht und guten künsten er-
bawen worden ist, das wöllen wir alls unütz unnd
schädlich hiemit ganntz abgeschafft und außgelas-
sen haben, derhalb unsern christenlichen predican-
ten, auch unsern gelerten, ettliche unnsere |56|
rathsfreund zugeordnet unnd inen ernstlich bevol-
hen, das dieselbigen obvermelt unnsere schulen vi-
sitiern, unnd so offt im jar sy bedunckt, das sollichs
die notturfft erfordern wölle, in die schulen geen sol-
len, die schulmaister und leermaister erkunndigen,
ob die an kunst, leben, glauben sampt aller geschick-
lichait zuleeren taugenlich unnd gnugsam seyen.
Es soll auch in unnser statt dhainer zugelassen
werden, der die jungen kinder offentlichen (es seye
theutsch oder latein, knaben oder mädlin) leren, er
seye dann vorhin durch obgemelt unsere scholarchas
unnd schulherrn für geschickt, taugenlich und gnug-
sam examiniert und erkonndigt worden; dieweil die
jugendt der höchst schatz ist, den wir haben99, sölle
derselbig dhainem, von dem nit verhofft würdet, das
er die- |57| selbigen zu warem glauben, könnsten
und sitten zum fürnembsten zuweisen unnd auffzu-
ziehen wisse, vertrawt werden.
Darmit dann auch sollichs fleissig unnd trewlich
beschehe unnd die, so Gott mit sonnderer geschick-
lichait, der gemain in höhern ämptern zudienen, be-
gabt, zu rechter zeit erkennt und darzu sy Gott ver-
ordnet, auffgezogen unnd gefürdert werden, wöllen
wir, das die gemelten schulhern auffs wenigest alle
monat ain mal die teutschen unnd lateinische schu-
len besuchen unnd erfaren, wie die jugendt an sit-
ten, leer unnd tugenden versorgt werde. Sy sollen
auch mit sonderm fleis erkonndigen unnd erfarn, wa
Gott ettwas geschickts wölt lassen fürkomen, es

98 Neben der Lateinschule wurde im 16. Jahrhundert eine
deutsche Schule eingerichtet, Dreher, Geschichte II,
S. 769f.
99 Johannes Brenz schrieb im Entwurf der Kirchenordnung
für Schwäbisch Hall von 1527 ebenfalls: „Die Jungen
sein ye der hochst schatz einer Burgerschaft“, Sehling,

were in teutscher oder lateinischer schulen, bey dem
verhoffenlich were, der kirchen wolfarth, fürderung
unnd progreß zugewarten, wa solliche |58| in teut-
scher schul erfunden, zu rechter zeit auß der teut-
schen in die lateinischen schul unnd daselbs nach
aines jeden geschicklichait in die obern classes unnd
lection der sprachen, rethorick unnd annderen frey-
en künsten unnd der hailigen schrifft verordnet,
unnd wa inen hilff von nöten, dasselbig unns bey
zeiten angezaigt werden, auff das, dieweil sovil
frommer, geschickter unnd gelerter leuth unns von
nöten sein werden, wir das jhenig, so Gott von uns
darzu gethon haben will, an uns dhainen manngel
erschinen lassen.
Wa wir auch insonnderhait geschickt, jung schu-
ler, bey denen befürderung der eher Gottes für an-
der zuverhoffen were, befunden, das dieselben auff
ander particular oder universal schulen zuschicken
von nöten sein unnd aber dieselbigen oder ire eltern
von manngel zeitlichs guts das nit vermöchten, de-
nen wöllen wir |59| mit zimlicher hilff auß gemainem
seckel fürderung thun unnd nach gestalt der sachen
verholffen sein.
Unnd nachdem die forcht Gottes ain anfanng ist
aller weißhait100, ja die ainig weißhait ist, Gott recht
erkennen, wöllen wir, das die teutschen und latei-
nischen schulmaister allweg zuvorderst die jugendt
zu gottsäligkait weisen und derhalb immer ettwas
auch auß der hailigen schrifft vorläsen; unnd darmit
sollichs beschäh unnd von niemand underlassen
werd, wöllen wir den scholarchen und schulherrn
mit ernnst bevelhen, auff dasselbig sonnder acht zu-
haben.
Wir wöllen auch mit diser unnser schulordnung
die kirchenordnung, so vormals durch unnsere pre-
dicannten gesetzt101, in dem arttickel von schulen
gar nit auffgehabt, sonnder dieselbigen |60| in allen
puncten hiemit bekräfftigt unnd gehalten haben.
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EKO XVII/1, S. 62. Vgl. auch Mt 19,14; Mk 10,14-15;
18,1-5; Lk 18,16-17.
100 Vgl. Ps 111,10; Spr 1,7; 9,10; Sir 1,16.
101 Die Ravensburger Kirchenordnung von 1546 ist nicht
erhalten, siehe oben, Einleitung, S. 461.

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