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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0531
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Einleitung

einzelne Persönlichkeiten bei der Einführung der Reformation vor allem in kleinen Reichsstädten und
Territorien waren.22

3. Erneute Hinwendung zur Reformation 1543-1548
Die Rückbesinnung des Wimpfener Rates auf die kaisertreue, altgläubige Position währte bis 1543. Was in
Wimpfen in religionspolitischen Fragen bis zu diesem Jahr geschah, bleibt aufgrund der lückenhaften Über-
lieferung ungewiss. Offensichtlich hatte jedoch die Anzahl der Neugläubigen mit ihrem Wunsch nach evan-
gelischer Predigt in diesen Jahren so stark zugenommen, dass der Rat sich 1543 gezwungen sah, Jakob
Pfaffinger als evangelischen Prediger anzustellen.23 Auch unter den Ratsherren scheint die Zahl der Evan-
gelischen zugenommen zu haben, die treibende Kraft war Bürgermeister Sebastian Link.24 Ein Eintrag in
den Wormser Domkapitelsprotokollen vom 10. Dezember 1545 berichtet, dass Pfaffinger nun in das drit Jar
in Wimpfen tätig war.25 Eine chronikalische Aufzeichnung von 1630 erwähnt, dass zu dieser Zeit beyder theil
religion mit predigen, singen, raichung der h. sacramenten in der jetzo strittigen pfarrkirch zu Wimpffen ruhig-
lich exerciert und miteinander friedlich innegehabt wurde.26 Mitte der 1540er Jahre gab es also eine alt- und
eine neugläubige Gemeinde in der Reichsstadt, und die Pfarrkirche in Wimpfen am Berg, um die die
Vertreter beider Konfessionen nach dem Interim heftig ringen sollten, wurde bereits in den 1540er Jahren
von den Anhängern beider Glaubensrichtungen für ihre Gottesdienste genutzt.
Mitte der 1540er Jahre lässt sich erkennen, dass der Rat sich zur Reformationseinführung entschlossen
hatte. Er erkannte den vom Wormser Domkapitel eingesetzten altgläubigen Pfarrer nicht mehr an und
bemühte sich um einen evangelischen Amtsinhaber.27 Der Rat konnte den katholischen Pfarrer Ende Okto-
ber 1545 zwar zum Amtsverzicht bewegen, die Pfarrstelle blieb jedoch bis Ende des Jahres vakant.28 Erst
nachdem sich der Rat ein Empfehlungsschreiben des Pfälzer Kurfürsten verschafft hatte, das die Anstel-
lung eines evangelischen Nachfolgers nahelegte,29 ließ das Domkapitel im folgenden Jahr schließlich Jakob
Gräter, den Neffen von Johann Isenmann und Johannes Brenz, als evangelischen Pfarrer zu, welcher bis auf
das heraufgekommene interim das evangelium gepredigt.30 Neben der Durchsetzung der evangelischen Predigt
schaffte der Wimpfener Rat die Benediktionen bestimmter Gegenstände und Nahrungsmittel sowie sämt-
liche Seelmessen, Vigilien, Vesper- und Salvemessen ab31 und ging damit strikt gegen die altgläubigen
Zeremonien vor.

22 Auch in Giengen an der Brenz stagnierte die Reforma-
tionseinführung nach dem Weggang des Predigers Mar-
tin Rauber 1539, siehe oben, S. 420.
23 Neumaier, Wimpfen, S. 158; Diehl, Reformations-
buch, S. 404f.
24 Bossert, Isenmann, S. 151.
25 StaatsA Darmstadt C 1, B 132, fol. 31 1r. Vgl. das Schrei-
ben des Rats an die Versammlung der Kreisstädte in
Ulm von Mai 1616: Also haben auch wir und unsere bür-
ger derselben [ev. Lehre] mit predigten und anderem gottes-
dienst in der ordentlichen pfarrkirchen, jedoch benebenst
der alten religion verwandten, ums jahr 1543 biß zu auß-
gang des schmalkaldischen kriegs, da allerhand änderungen
vorgefallen, ... uns ruhig gebrauchet, StadtA Bad Wimpfen
L IV, A 12.

26 StadtA Bad Wimpfen L XVI, E 37; vgl. Brecht/Eh-
mer, Reformationsgeschichte, S. 181.
27 StaatsA Darmstadt C 1, B 132, fol. 305v, 310r, 312. Vgl.
Neumaier, Wimpfen, S. 158f.
28 StaatsA Darmstadt C 1, B 132, fol. 261v, 283r, 293v.;
vgl. Endriss, Phasen, S. 307.
29 StaatsA Darmstadt C 1, B 132, fol. 311r.
30 StadtA Bad Wimpfen L IV, A 6; vgl. Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 181; Endriss, Phasen,
S. 303, 310.
31 Die Anweisungen des Rats sind überliefert in den Pro-
tokollen des Wormser Domkapitels vom 30. April 1545,
StaatsA Darmstadt C 1, B 132, fol. 209v-210v.

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