Einleitung
Im südlichen Landesteil Wittgenstein-Hohenstein blieb Johanns Bruder Wilhelm d.Ä. zunächst alt-
gläubig. Obwohl er von seiner Frau Johanetta von Ysenburg-Grenzau (1500-1563) ebenfalls zur Annahme
der evangelischen Lehre gedrängt wurde17, setzte sich Georg, der dritte Grafenbruder, durch, der seit 1533
Stiftspropst an St. Aposteln und ab 1541 an St. Gereon in Köln war, und der verhinderte, dass neben
Johann auch Wilhelm das evangelische Bekenntnis in dessen Landesteil einführte.18 Als Johann VII. 1551
ohne männlichen Erben starb, fiel sein evangelischer Berleburger Landesteil wieder mit dem Hohensteiner
zusammen. Der altgläubige Graf Wilhelm stand somit einer Grafschaft vor, deren eine Hälfte evangelisch
und deren andere katholisch war.19
1. Kirchenordnung 1555
la. Kirchenordnung 1. August / 4. November 1555 (Text S. 79)
lb. Mandate zur Einberufung der Synode 16. / 25. Oktober 1555 (Text S. 94)
lc. Anweisungen für die Rentmeister [1555] (Text S. 95)
Welcher Impuls schließlich dazu geführt hat, dass auch Wilhelm d.Ä. das evangelische Bekenntnis annahm,
ist nicht bekannt. Möglicherweise bewirkte Johanns Tod seine Konversion, möglicherweise hatte sich Wil-
helm - unter dem Einfluss seiner Frau Johanetta oder des Wittgensteiner Lehnsherrn Philipp von Hessen -
der neuen Lehre auch schon zu Johanns Lebzeiten zugewandt. Fest steht, dass er die konfessionelle Einheit
in seinem Lande wiederherstellen wollte und sich daher zur Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses
entschloss.
Graf Wilhelm d.Ä. bat den hessischen Superintendenten und Marburger Professor Adam Krafft um
Unterstüzung, der seinen Schüler Nikolaus Zell (1525-1567) nach Wittgenstein sandte. Zell stammte aus
Treysa, hatte 1541 in Marburg studiert und dort den Magistergrad erlangt. 1552 kam er als Prediger nach
Laasphe und fungierte bis 1564 als Wittgensteiner Superintendent.20
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Laasphe entwarf Zell eine Kirchenordnung für die Grafschaft.
Diese Ordnung ist nicht erhalten, ihre Existenz und Einführung lassen sich jedoch aus anderen Quellen
erschließen.21 Da Nikolaus Zell aus Hessen kam, dürfte sich diese Ordnung an die zahlreichen hessischen
Kirchenordnungen22 angelehnt haben.
17 Schröer, Anteil, S. 651.
18 Burkardt, Kirchenordnung, S. 57; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 21; Bauer, Reformation
Wittgenstein, S. 22-25; Klueting, Protektoren, S. 284f.;
Schröer, Reformation 1, S. 211f.; Hundt, St. Marien,
S. 28f.; Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 301;
Neweling, Geschichte, S. 206.
19 Burkardt, Kirchenordnung, S. 58; Borgmeyer,
Reformation, S. 179f.; Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-
Berleburg, S. 124-127. Obwohl Wittgenstein ein Lehen
der Landgrafen von Hessen war, waren die Wittgensteiner
Grafen nicht am Schmalkaldischen Krieg beteiligt und
folglich auch nicht vom Interim betroffen, Bauer, Refor-
mation Wittgenstein, S. 22f.
20 Nikolaus Zell verließ die Grafschaft 1564 und wurde Pfar-
rer in seiner Heimatstadt. 1567 war er Hofprediger Wil-
helms von Oranien in Dillenburg, wo er im gleichen Jahr
starb, Bauks, Pfarrer, Nr. 7146; Hütteroth/Mil-
bradt, Pfarrer, S. 422; Bauer, Reformation Wittgen-
stein, S. 26-28; Klammer, Nikolaus Zell, S. 52-66; Ha-
melmann, Reformationsgeschichte, S. 302 Anm. 1.
21 Schröer, Reformation 1, S. 212 nimmt an, dass die Ord-
nung „praktisch bedeutungslos“ blieb, „da der religiös
konservative Graf [=Wilhelm] sich offenbar noch nicht
entschließen konnte, sie dem Volk bindend vorzuschrei-
ben“. Die Kirchenordnung von 1555 (Nr. la) nimmt
jedoch Bezug auf die Vorgängerordnung und lässt erken-
nen, dass diese Gültigkeit erlangt hatte. So heißt es dort:
Es „sollen alle pfarher und ministry der kirchen sich der
ordnong, so wir ihnen ehemals uberschickt (allein das
jenig, in dem laut disser unser ordnong ander form und
maß gegeben wirdt, usgenomen), gleich, sonderlich, so vil
die festa belangt, eß einer wie der ander, und entlich kei-
ner anderst dan der ander in der kirchenordnongen halten
und vornemen“. Vgl. Burkardt, Kirchenordnung, S. 58;
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 25; Stupperich,
Hessens Anteil, S. 157; Prieur, Im Auftrag, S. 39; Reu,
Quellen I/III,1/2 (1935), S. 1176*.
22 Siehe Sehling, EKO VIII.
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Im südlichen Landesteil Wittgenstein-Hohenstein blieb Johanns Bruder Wilhelm d.Ä. zunächst alt-
gläubig. Obwohl er von seiner Frau Johanetta von Ysenburg-Grenzau (1500-1563) ebenfalls zur Annahme
der evangelischen Lehre gedrängt wurde17, setzte sich Georg, der dritte Grafenbruder, durch, der seit 1533
Stiftspropst an St. Aposteln und ab 1541 an St. Gereon in Köln war, und der verhinderte, dass neben
Johann auch Wilhelm das evangelische Bekenntnis in dessen Landesteil einführte.18 Als Johann VII. 1551
ohne männlichen Erben starb, fiel sein evangelischer Berleburger Landesteil wieder mit dem Hohensteiner
zusammen. Der altgläubige Graf Wilhelm stand somit einer Grafschaft vor, deren eine Hälfte evangelisch
und deren andere katholisch war.19
1. Kirchenordnung 1555
la. Kirchenordnung 1. August / 4. November 1555 (Text S. 79)
lb. Mandate zur Einberufung der Synode 16. / 25. Oktober 1555 (Text S. 94)
lc. Anweisungen für die Rentmeister [1555] (Text S. 95)
Welcher Impuls schließlich dazu geführt hat, dass auch Wilhelm d.Ä. das evangelische Bekenntnis annahm,
ist nicht bekannt. Möglicherweise bewirkte Johanns Tod seine Konversion, möglicherweise hatte sich Wil-
helm - unter dem Einfluss seiner Frau Johanetta oder des Wittgensteiner Lehnsherrn Philipp von Hessen -
der neuen Lehre auch schon zu Johanns Lebzeiten zugewandt. Fest steht, dass er die konfessionelle Einheit
in seinem Lande wiederherstellen wollte und sich daher zur Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses
entschloss.
Graf Wilhelm d.Ä. bat den hessischen Superintendenten und Marburger Professor Adam Krafft um
Unterstüzung, der seinen Schüler Nikolaus Zell (1525-1567) nach Wittgenstein sandte. Zell stammte aus
Treysa, hatte 1541 in Marburg studiert und dort den Magistergrad erlangt. 1552 kam er als Prediger nach
Laasphe und fungierte bis 1564 als Wittgensteiner Superintendent.20
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Laasphe entwarf Zell eine Kirchenordnung für die Grafschaft.
Diese Ordnung ist nicht erhalten, ihre Existenz und Einführung lassen sich jedoch aus anderen Quellen
erschließen.21 Da Nikolaus Zell aus Hessen kam, dürfte sich diese Ordnung an die zahlreichen hessischen
Kirchenordnungen22 angelehnt haben.
17 Schröer, Anteil, S. 651.
18 Burkardt, Kirchenordnung, S. 57; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 21; Bauer, Reformation
Wittgenstein, S. 22-25; Klueting, Protektoren, S. 284f.;
Schröer, Reformation 1, S. 211f.; Hundt, St. Marien,
S. 28f.; Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 301;
Neweling, Geschichte, S. 206.
19 Burkardt, Kirchenordnung, S. 58; Borgmeyer,
Reformation, S. 179f.; Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-
Berleburg, S. 124-127. Obwohl Wittgenstein ein Lehen
der Landgrafen von Hessen war, waren die Wittgensteiner
Grafen nicht am Schmalkaldischen Krieg beteiligt und
folglich auch nicht vom Interim betroffen, Bauer, Refor-
mation Wittgenstein, S. 22f.
20 Nikolaus Zell verließ die Grafschaft 1564 und wurde Pfar-
rer in seiner Heimatstadt. 1567 war er Hofprediger Wil-
helms von Oranien in Dillenburg, wo er im gleichen Jahr
starb, Bauks, Pfarrer, Nr. 7146; Hütteroth/Mil-
bradt, Pfarrer, S. 422; Bauer, Reformation Wittgen-
stein, S. 26-28; Klammer, Nikolaus Zell, S. 52-66; Ha-
melmann, Reformationsgeschichte, S. 302 Anm. 1.
21 Schröer, Reformation 1, S. 212 nimmt an, dass die Ord-
nung „praktisch bedeutungslos“ blieb, „da der religiös
konservative Graf [=Wilhelm] sich offenbar noch nicht
entschließen konnte, sie dem Volk bindend vorzuschrei-
ben“. Die Kirchenordnung von 1555 (Nr. la) nimmt
jedoch Bezug auf die Vorgängerordnung und lässt erken-
nen, dass diese Gültigkeit erlangt hatte. So heißt es dort:
Es „sollen alle pfarher und ministry der kirchen sich der
ordnong, so wir ihnen ehemals uberschickt (allein das
jenig, in dem laut disser unser ordnong ander form und
maß gegeben wirdt, usgenomen), gleich, sonderlich, so vil
die festa belangt, eß einer wie der ander, und entlich kei-
ner anderst dan der ander in der kirchenordnongen halten
und vornemen“. Vgl. Burkardt, Kirchenordnung, S. 58;
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 25; Stupperich,
Hessens Anteil, S. 157; Prieur, Im Auftrag, S. 39; Reu,
Quellen I/III,1/2 (1935), S. 1176*.
22 Siehe Sehling, EKO VIII.
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