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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0110
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Wittgenstein

[8.] Von underscheide der geistlichen zucht und der
eusserlichen stroff, so die obrigkeit den
uberdretteren am leibe oder am gelde an- und
ufferlegt | 52 |
Es dregt sich etwa zu, das ein laster oder grosse sun-
de, die beide, geistliche und eusserliche straffe uff
sich dregt, ehe und zuvor die visitation gehalten,
volnbracht und begangen wirdet. Solte nhun die
weltliche oberigkeit mit der vordienten weltlichen
straffe uff die geistliche zucht, und hinwidder die
geistliche discipline uff der oberigkeit unnd weltli-
che straffe stillhalten und warten, solchs were mher
zu hegung und pflantzung dan zu abschaffung
schendliches lebens, sunde unnd laster forderlich
und dienlich, dan der, so solche grobe sunde und
laster begangen hette, mochte durch solch stilhal-
tens, schub und verzug umb vermeidong willen der
weltlichen straff nit allein vorfluchtig66, sonder auch
entlich ableibig werden unnd sterben. Alsdhan blibe
nit alleine der uberdretter ungestraffet, sonder auch
die christliche gemeinde, in der solch laster began-
gen were, geergert und unreconciliirt. Solchs zuver-
huten wollen und ordnen wir, das in solchen fellen
und so offt sich sunden und laster begeben, die bei-
de, geistlicher disciplin und weltlicher straffen wir-
dig seindt, die | 53 | weltliche oberigkeit uff die geist-
liche zucht mit der straffe zu verziehen nit schuldig
sein soll, sonder, so offt uns oder unsern erben (als
dis orts weltlicher oberigkeit) ein solcher fall vor-
kumbt, sollen und wollen wir und unsere erben so-
pald gegen den vorbrechern mit der weltlichen straf-
fe procediren und fortfaren. Also und wen gleich der
uberdretter eine leibstraffe erduldet, als das er in
hafft und gefengknus eine zeit langk gesessen were
oder das er sonsten unß oder unseren erben eine gelt-
straffe als der weltlichen oberigkeit gegeben und er-
legt hette, doch und dieweil der uberdretter seine
mitglider und kirchgenossen, so er durch sein
schentlich thun und wesen bedrubt, beleidigt und
geergert hette, mit erlegung der geltstraffe oder mit
erduldung der gefencklichen hafft gebuerlicher weise
66 Flüchtig, Grimm, DWb 4, Sp. 728.
67 Entglittenes, auf die falsche Bahn geratenes, Grimm,
DWb 25, Sp. 1020ff.

und gnugsam noch nit vorsoenet und reconciliirt
hat, auch und dieweil der pfarher dardurch noch nit
weiß, ob dem vorbrecher seine begangene missethat
getreulich und hertzlich leidt, gewillet und gemeint
sei, sein ergerlich unnd verruckt67,| 54 | sundiges leben
hinfurter zubesseren, sol derselbige ubertretter unnd
grobe sunder in die christliche gemeine eher nit, er
habe dan vor seinem pfarhern und selsorger gnug-
same und ware zeichen von sich gegeben, das ihme
sein ergerlich leben zu bessern gentzlich angelegen
seihe, er auch seine kirchgenossen widder reconciliirt
habe, uffgenommen werden, und soll ihnen68 noch
keinen dergleichen sunder schutzen oder frei-
hen69, das er vorwenden und sagen wolte, er hette
uns oder unseren erben einige geltstroffe gegeben
oder were sunsten von wegen seines verbruchs mit
dem leibe in hafft gesessen etc., lassen derhalben der
kirchen ire geistliche disciplinen in alle wege, wir
oder unsere erben haben die verbrecher weltlich ge-
zuchtiget, gestraffet oder nicht, gentzlicher vorse-
hung, solchs werde vile leuth, die umb einer geltpeen
willen von sunden nicht leichtlich abzuhalten weren,
vom boesen abwendig machen.
[9.] Von weltlicher ruege und wie es damit sol
gehalten werden
Wiewol in etlichen evangelischen landen uf | 55 | den
visitationibus nit allein die geistliche, sonder auch
andere fragen, die doch zu disem thun und vorneh-
men proprie nit gehorig seint, geruget, anbracht,
uffgeschriben und volgent verbusset werden, doch
unnd dieweil solchs von vilen leuthen und sonderlich
von mißgonnern der evangelischen lehr vor ein pe-
cuniarium aucupium, das ist vor ein gelt vi-
nantz70, verstanden unnd gehalten wirt, auch und
dweil viel christen durch disen weg, den sie mher uff
einbringung der armen geldes unnd guedes, dan
umb besserong willen des lebens, erfunden sein vor-
nemen, hefftig, jha mher geergert dan zur besserong
gebracht werden, so wollen wir vor unß mit warheit
ungerne nachsagen lassen, das wir underm schein
68 Ihn.
69 Befreien, dispensieren.
70 Betrug.

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