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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0217
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5. Kirchenordnung [1581]

unnd der seelen am stammen deß creutzes, da er
schreie mit lauter stim: Mein Gott, mein Gott, war-
umb hastu mich verlassen?131, auf daß wir zu Gott
vernommen132 und nimmermehr von ime verlassen
wurden, entlich mit seinem todt unnd bluetvergies-
sen daß newe und ewige testament, den bundt der
gnaden und versohnungh, beschlossen, wie er ge-
sagt: Es ist volbracht133.
Damit wir aber festiglich glauben, daß wir in
diesen gnadenbundt gehören, nam der herr Jesus in
seinem letzten abendtmahl daß brodt, dancket,
brachs und gabs seinen jungern und sprach: Nem-
met hin und esset, daß ist mein leib, der fur euch
gegeben würt, daß thuet zu meiner gedechtnus. Des-
selbigen gleichen nach dem abendtmahl nam er auch
den kelch, sagt danckh unnd sprach: Nemmet hin
und drincket alle darauß, dieser kelch ist daß newe
testament in meinem blueth, daß fur euch unnd fur
viel vergossen würdt zur vergebungh der sünden.
Solches thuet, so offt ihrs drincket, zu meiner ge-
dechtnuß134, daß ist, so offt ihr von diesem broth
esset und von diesem kelck drincket, solt ihr dar-
durch alls ein gewisse gedechtnus und pfandt erin-
nert und versichert werden dieser meiner herzlichen
liebe und trew gegen euch, daß ich fur euch, die ihr
sonst deß ewigen todts hetten müssen sterben, mein
leib am stam deß creutzes in todt geben |22v| und
mein bluth vergiessen und ewere hungerige, durstige
seele [mit] demselben meinen gecreutzigten leib und
vergossenen blute zum ewigen leben speiß und
drencke, so gewiß, alls einem jeden dieses broth vor
seinen augen gebrochen und dieser kelch im gege-
benn würdt und ihr dieselbige zu meiner gedechtnus
mit eweren mundt esset und drincket135.
Auß dieser einsatzungh deß heiligen abendt-
mahls unsers herrn Jesu Christi sehen wir, daß er
unsern glauben und vertrawen auff sein volkhom-
men opffer, einmahl am creutz geschehen, alls auff
den einigen grundt und fundament unser sehligkheit

131 Mt 27,46; Mk 15,34.
132 Von Gott auf-, angenommen, Grimm, DWb 25,
Sp. 910f.
133 Joh 19,30.
134 Siehe oben, Anm. 108.

weiset, da er unsern hungerigen und durstigen seh-
len zu wahrer speiß unnd dranckh des ewigenn le-
bens worden ist, dan durch seinen todt hatt er die
ursachen unsers ewigen hungers unnd khommers,
nemblich die sundt, hinwegh genommen unnd uns
den lebendighmachenden geist durch seine vorbitt
erlangt, auf daß wir durch denselbigen geist, der in
Christo alls dem haubt unnd in uns alls seinen glie-
dern136 wohnet, wahre gemeinschafft mit ime hetten
und aller seiner gütter, ewigen lebens, gerechtig-
kheit unnd herrligkheit theilhafftigh wurden137, dar-
nach, daß wir auch durch denselben geist underein-
ander alls glieder eines leibs in wahrer brüderlicher
lieb verbunden wurden, wie der heiligh apostel Pau-
lus spricht, 1. Cor. 10 [17]: Ein broth ist es, so seindt
wir viel ein leib, dieweil wir alle eines brodts theil-
hafftigh seindt. Dan wie auß vielen körnlein ein
meel gemahlen unnd ein brodt gebacken würdt unnd
auß vielen traubenkörnlein, zusamen gekeltert, ein
wein unnd dranck fleust und sich ineinander men-
get138, also sollen wir alle, so durch wahren glauben
Christo eingeleibt seindt, durch brüderliche lieb
umb Christi, unnsers lieben hey-|23r | landts willen,
der unns zuvor so hoch geliebet hatt, alsamen ein
leib sein, und solches nit allein mit wortten, sonder
auch mit der that gegeneinander beweisen, das helf-
fe uns der almechtige, barmhertzige Gott und vatter
unsers herrn Jesu Christi durch seinen heiligen geist,
Amenc.
Auf daß wir nun zu der ehren unsers lieben hern
Jesu Christi und in im, deß vatters und des heiligen
geistes, unsers einigen wahren Gottes, und zu un-
serm nutz daß heiligh abendtmahl halten, so last
uns mit demütigen hertzen und wahrem glauben
also sprechen:
Wir dancken dir, herr Gott, himlischer vatter,
sambt deinem ewigen, eingebornen sohn unnd hei-

135 Vgl. Heidelberger Katechismus, Frage 75 und 79, Neu-
ser, Katechismus, S. 193f., 195.
136 Vgl. oben, Anm. 26.
137 Vgl. Heidelberger Katechismus, Frage 76, Neuser, Ka-
techismus, S. 194.
138 Didache 9,4; vgl. Wengst, Didache, S. 81.

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