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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0272
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Bentheim-Tecklenburg

II. Hauptstück
Eingang zu der Predig, von dem Kirchen Gebett

Auff daß niemandt uber dem langwirigen unnd viel-
faltigen singen, lesen und predigen sich nit beklage,
daß er zu lange auffgehalten werde und folgens an-
fahe (wie gemeinlich geschicht), den dienst zuver-
achten, sol es bey folgender ordnung, die dann der
Kirchen am erbawlichsten ist, bleiben, daß ein
Psalm oder mehr nach gelegenheit der zeit und |7|
eines jeden orts, wann die Gemeine mehrer theils
beyeinander ist, für der Predigt vor der gantzen Ge-
mein in gemeiner sprach mit reverentz unnd an-
dacht gesungen werde unnd daß darnach der Diener
auff die Cantzel steige unnd die Predigt mit fürge-
hender vermahnung zum Gebett anfahe.
Für der Predigt, insonderheit an den Sonn- und
Feirtagen morgens und an Bettagen, sol mit nach-
folgenden oder dergleichen worten die Gemeine zum
Gebett, in welchen die Christlich Gemeine deß
menschlichen Elends41 außdrücklich erinnert und
die heilsame gnade Gottes begert wirt, auff daß die
Hertzen zur Demut bereit werden unnd das Wort
der gnaden desto begerlicher annemmen, dem Volck
fürgesprochen werden: |8|
Gnad, Friedt und Barmhertzigkeit etc.
Ihr geliebten im Herrn Jesu Christo, dieweil wir
alle in Sünden empfangen und geboren und von na-
turen verderbt und derhalben zum bösen geneigt
und zum guten ungeschickt seindt und also Gottes
zorn täglich wider uns reitzen, So lasset uns für dem
Almechtigen und barmhertzigen Gott unsere Sünde
bekennen und denselben demütig und mit hertzli-
chem vertrawen anruffen und ihn bitten, daß er sein
Angesicht von unsern Sünden abwende und dieselbe
uns umb deß verdienstes Jesu Christi willen nicht
zurechne und auch mit seinem H. Geist, mit rech-
tem verstandt seines Worts erleuchte und uns seine
gnad verleihe, dasselbige mit weiß-| 9 | heit und gu-
tem verstandt zuverkündigen und mit wahrer forcht

c-c Folgt KO Kurpfalz 1563, Sehling, EKO XIV, S. 388f.
d Im Druck: welchen.

und demuth anzunemmen, auff daß wir darauß un-
ser Elendt lehr|n|en erkennen und all unser vertrau-
wen von allen Creaturen je lenger, je mehr abziehen
und auff ihn allein setzen und ihme die gantze zeit
unsers lebens in wahrer heiligkeit unnd gerechtig-
keit, die ime umb Christi willen wolgefellig sey, die-
nen, und das zu ehren seines heiligen Namens, bes-
serung unsers Nechsten und unser Seligkeit.
cDerhalben lasset uns also betten:
Himlischer Vatter, ewiger Gott, wir bekennen
für deiner göttlichen Majestät, daß wir arme, elende
Sünder sein, empfangen und geborn in aller bößheit
unnd verderbnuß, geneigt zu allem bösen, unnütz zu
einigem guten, Und daß |10| wir mit unserm sündt-
lichen leben ohne underlaß deine heilige Gebott
ubertretten, dadurch wir deinen zorn wider uns reit-
zen und nach deinem gerechten Urtheil auff uns la-
den die ewige verdambnuß. Aber, o Herr, wir tragen
rew und leidt, daß wir dich erzürnet haben, unnd
verklagen uns und unsere Laster unnd begeren, daß
deine Gnade zu hülff komme unserm jammer und
elende. Wollest dich derhalben uber uns erbarmen,
O aller gütigster Gott unnd Vatter, unnd uns ver-
zeihen alle unsere Sünde durch das heilige leiden dei-
nes lieben Sohns, unsers Herrn Jesu Christi, und
wollest uns hernachmals verleihen die gnad deins H.
Geistes, der uns unsere ungerechtigkeit von gant-
zem Hertzen lehre erkennen, daß wir uns selbst |11|
mißfallen, damit die Sünde also in uns getödtet wer-
de, und in einem newen leben aufferstehen, in wel-
chemd wir rechtschaffene frucht der heiligkeit unnd
gerechtigkeit mögen bringen, die dir umb Christi
willen wolgefellig sey. Wollest uns auch dein heiliges
Wort nach deinem göttlichen willen zuverstehen ge-
ben, auff daß wir darauß lehr[n]en, all unser ver-
trawen auff dich alleine zu setzen unnd von allen
Creaturen abzuziehen, Daß auch unser alter

41 Vgl. den ersten Teil des Heidelberger Katechismus,
Neuser, Katechismus, S. 176-178; Niesel, Bekennt-
nisschriften, S. 150-152.

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