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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0395
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Einleitung

4. Zur „Kirchenordnung“ des Simon Musaeus 1575
1549 versuchte Johannes Gropper, die Bestimmungen des Augsburger Interims in Soest durchzusetzen,
indem er die Kirchenordnung von 1532 aufhob und die evangelischen Pfarrer und Prediger aus der Stadt
vertrieb.
Nach Aufhebung des Interims 1552 kehrte man langsam zum evangelischen Kirchenwesen zurück. 1573
bemühte man sich um die Anstellung eines Superintendenten und bat Martin Chemnitz, der in Braun-
schweig Stadtsuperintendent war, um Rat. Chemnitz empfahl Dr. Simon MusaeusS5, der ein Schiiler
Luthers war und an zahlreichen Orten gewirkt hatte, zuletzt in Coburg und Braunschweig. Musaeus kam
am 23. Januar 1574 nach Soest. Um dem städtischen Kirchenwesen wieder eine Struktur zu geben, ver-
suchte er, die Braunschweig-Wolfenbiitteler Kirchenordnung von 1569 einzufiihren und ließ vier Exemplare
dieser Ordnung nach Soest schicken.86 Bürgermeister und Rat gingen auf Musaeus’ Initiative jedoch nicht
ein, sondern wiesen die fremde Kirchenordnung zurück. Ende 1574 unternahm Musaeus einen weiteren
Versuch, in Soest eine neue Kirchenordnung zu lancieren und verfasste die „Kurtze erinnerunge und vor-
zeichnus etlicher unordnungen, in dieser kirchen eingerissen wider die alte und christliche kirchenordnung,
angfenglich vom ern Gerhardo Omeken anno [15]32 gestellet und vom erbaren radt diser stadt ratificiert
und angenomen“.87 In dieser Schrift setzte er sich Punkt für Punkt mit Oemekens Kirchenordnung ausein-
ander, benannte die „Gebrechen“ des städtischen Kirchenwesens und formulierte Gegenmaßnahmen.
Musaeus’ Gravamina88 stellen ein umfangreiches Schriftstück dar, das in sechs Punkte untergliedert ist:
Von ehesachen
Von unordnung der heiligen tauff
Von den gebrechen der schulen
Von ordentlicher handlung des heiligen predigtampts in offentlichen kirchenversammlungen sampt etlichen
eingefallenen unordnungen
Von den kirchengütern und schatzkasten
Von allmosen kasten und ordnung für die armen
Simon Musaeus’ „Kurtze erinnerunge“ lässt den Zustand des Soester Kirchenwesens rund 40 Jahre nach
Einführung der Reformation erkennen und weist aufgrund der Verbesserungsvorschläge selbst Züge einer
Kirchenordnung auf.89 Der Soester Rat ließ sich Musaeus’ Schrift vorlegen und sagte deren Durchsicht zu.
Er scheint jedoch keine weiteren Schritte unternommen zu haben, dem Soester Kirchenwesens eine neue
Ordnung zu geben.90 Nachdem sich die Auseinandersetzungen zwischen dem Rat und dem Superintenden-

85 Zu Simon Musaeus (Meusel, Muslik, 1521-1576) siehe
Peters, Corpus Doctrinae, S. 92fRothert, Kirchen-
geschichte, S. 122f.; Bauks, Pfarrer, Nr. 4359; BBKL 6
(1993), Sp. 376-380.
86 StadtA Soest Abt. A Nr. 6316, fol. lr-2v vom 16. März
1574; Rademacher, Annales 3, S. 859 Nr. 2403; Pe-
ters, Corpus Doctrinae, S. 93f.; Rothert, Kirchenge-
schichte, S. 123; Jacobson, Geschichte der Quellen,
S. 60.
87 Musaeus’ Schrift ist in zwei Exemplaren überliefert:
StadtA Soest Abt. A, Nr. Hs. 26, fol. 137r-160v Abschrift
Rademacher; StadtA Soest Abt. A Nr. 6156b, pag. 81-
133. Abdruck: Deus, Soester Recht 5, S. 700-728. Vgl.
Jacobson, Geschichte der Quellen, S. 60.
88 So betitelt bei Deus, Soester Recht 5, S. 700.

Zum Inhalt siehe auch Rothert, Kirchengeschichte,
S. 123f.
StadtA Soest Abt. A Hs 26, fol. 137r-160v; StadtA Soest
Abt. A 6156b, p. 81-133. Abdruck bei Deus, Soester
Recht 5, S. 700-728. Dem Abdruck der Gravamina bei
Deus, Soester Recht 5, S. 700-728 fehlt nicht nur der
Titel, sondern auch folgender einleitender Abschnitt:
„Zeugnis des ern Omekens von bewilligung und besteti-
gung der alten kirchenordnung aus seiner eigen gedruck-
ten buch genomen von wordt zu wordt wie folget. Im jar
der geburt Christi [15]32 des nechst folgenden donners-
tags nach ostern ist durch eingebung und wirckung gott-
licher genaden und barmhertzicheit beschloßen van dem
erbaren und wohlweisen rath, altem rath, zwolffen, alten
zwolffen, richtleuten, amptern und gantzer gemeine, ein-

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