Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

Soest

12. Kirchenordnunga
[1609]
Kirchen agenda oder ordnung

Wir, bürgemeister und rath dero stad Soest, sodan
auch die zwölffe, welche für den rath gehen daselbst,
entpieten allen dieser stadt gebiethe unterworffenen
pastoribus und predigern des reinen worts Gotts un-
sern gruß und fiigen ihnen hiemit zu wissen.
Obwol die reine, unverfälschte religion, wie die-
selbe in Gotts wort der Augsb[urgischen] Conffessi-
on] und deroselben Apologie1 begriffen und gegriin-
det, nun Gott lob eine geraume zeit hero in unsern
kirchen in offentl[ichem] exercitio und übung gewe-
sen und noch ist, dabey auch noch zur zeit durch
Gotts gnade ein rühmlicher consensus und einigkeit
der lehrer und prediger gespiiret wird, alsdan noch
in euserlichen cerimonien etwas ongleicheit in sel-
bigen kirchen zu zeiten gefunden werden mag, da-
durch den offtermahls zwischen den dienern
gottlfichen] worts, ongeachtet, sie sonsten in den
fundamental- und haubstücken der christlfichen]
lehr ainig seyn, viel streits entstehet und erreget
wird, wie die kirchenhistorien auch proxime prae-
cedens seculum und die tägliche erfahrung außwei-
sen; diesem nun so viel möglich vorzukommen und
bestandige ainigkeit zwischen den unserigen zu er-
halten, haben wir auß Gotts wort, auch den exem-
peln der gottsehligen regenten alten und n[euen]
t[estaments], bevorab der löblichen protestirenden
chur- und fürsten zu und kurtz vor unsern zeiten,
wie dan auch insonderheit derer stände, so das opus
Formfula] Concordiae2 anno 1580 ins werck gestel-
let, uns der schuldigkeit nach erinnert, 1161 v | daß
uns wegen obrigkeitlichen ambts obliegen und ge-
püren wolle, eine richtige, gleichförmige kirchenord-

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Soest Abt. A Hs 26,
fol. 161r-176v. Abdruck: Jacobson, Urkunden-Samm-
lung, S. 150-154, Nr. LXI (Auszug und Regest), datiert
auf 1619.
b In der Handschrift fehlt das Verb.

nung, darnach sich unsere prediger sowol in der stad
als auff dem lande in ihren anbefohlnen kirchen zu
richten und derselben zu conformiern durch etliche
dazu verordnete personen einstellen und verfassen
zu lassen, haben derwegen [angeordnet]b, was hier-
von möchte in unserm archivo vorhanden seyn und
was wir davon befunden, ist geistl[ichen] und welt-
lichen dazu deputirten personen überlieffert worden,
in dise nachgesetzte richtigkeit zu pringen.
Wollen derwegen und gebieten ernstlich von we-
gen tragenden ambts, daß alle pastores, diaconi und
prediger gottlichs worts, auch die rectores schola-
rum, ludimoderatores, cantores und editui, ein jeder
nach erheischung seines ambts, dieser unser ord-
nung sich gemäß verhalten ohn einigh ab- und zu-
thun, damit deßwegen uns im geringsten keine clage
möge ferner fürkommen bey verlust ihrer dienste
und sonsten anderer gebührender straffe.
Befehlen auch dem inspectori (so autoritate se-
natus hiezu verordnet), daß er fleissig auffsicht ha-
be, ob auch dieser ordnung in allen unsern kirchen
binnen und ausserhalb der stadt gleichförmig gelebt
werde, und wo er mangel findet, daß er die verse-
hung thue, damit dieser agenden nach alles in guter
ordnung gebracht werde.
Befehlen auch denen herrn pastoribus, kirchen-
und schuldienern, daß sie ged[achtem] unserem in-
spectori hirin gehör geben, damit nicht deßwegen
uns möge clage fürkommen. Dessen 1162r | wollen wir
uns gantzlich und gunstlichen zu euch allen und ei-
nen jeden insonderheit versehen, sintemahl in dieser
ordnung nichts ist, das Gotts wort und aller refor-

1 Confessio Augustana von 1530 und Apologie und 1531,
BSELK S. 85-709.
2 Konkordienformel von 1577, die 1580 ins Konkordien-
buch aufgenommen wurde, BSELK S. 1184-1607.

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