Die Stadt Neuenrade
im Zuge ihres Landesausbaus nicht gelang, Zentralinstitutionen zu etablierten. Die Landesteile behielten
also eigenständige Verwaltungen, unterstanden außen- und religionspolitisch jedoch den Herzögen.
Der Herrschaftskomplex der Vereinigten Herzogtümer hatte nur knapp ein Jahrhundert Bestand. 1521
geschaffen, zerfiel er 1609 mit dem Aussterben des Klever Hauses. 1614 wurde er provisorisch und 1666
definitiv zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg geteilt, wobei Kleve-Mark und Ravensberg unter die
Herrschaft der brandenburgischen Hohenzollern und Jülich-Berg unter die der Wittelsbacher in Pfalz-
Neuburg fiel.5
2. Die Einführung der Reformation
Die reformatorische Bewegung formierte sich in den einzelnen Landesteilen der Vereinigten Herzogtiimer zu
verschiedenen Zeiten. Die westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg gehörten zu den Regionen, in
denen Luthers Lehre früh Fuß fasste. In der Grafschaft Mark wurden in Iserlohn bereits 1525 evangelische
Predigten gehalten. Während sich die Reformation hier jedoch zunächst nicht durchsetzen konnte, wurde
nach 1530 die Stadt Soest zum evangelischen Zentrum. Weitere Städte öffneten sich der neuen Lehre,
darunter Hamm um 1532 und Altena um 1538. In den 1540er Jahren traten Herdecke, Lünen und Bochum
hinzu, im Jahrhzehnt nach dem Interim auch Hagen, Schwerte und Unna.6
Der Klever Herzog Johann III. (reg. 1521-1539) sowie sein Sohn und Nachfolger Wilhelm V. (reg.
1539-1592) waren Anhänger des von Erasmus geprägten niederrheinischen Reformkatholizismus. In dem
Bemühen, die evangelische Bewegung, die Mitte der 1520er Jahre in den Landesteilen Mark und Ravens-
berg aufflackerte und die nicht nachhaltig unterbunden werden konnte, in die überkommenen kirchlichen
Verhältnisse zu integrieren, verfolgten die Herzöge eine Kirchenpolitik, die einen Minimalkonsenses für Alt-
und Neugläubige vertrat. Eine offene Abkehr von Rom hätte die Macht der Landesherren in ihrem großen,
aus mehreren Herzogtümern und Grafschaften zusammengesetzten, inhomogenen Territorium gefährdet.
Die reformorientierte und integrative Linie war somit auch politischen Interessen geschuldet.7
Herzog Johann III. hatte 1532 eine Kirchenordnung und im Jahr darauf eine dazu gehörende Declaratio
erlassen,8 die erasmischen Charakters waren. Der Herzog versuchte zwar, diese Ordnungen auch in den
Grafschaften Mark und Ravensberg einzuführen, blieb damit aber erfolglos. 1539 übernahm Johanns Sohn
Wilhelm V. die Regierung in den Vereinigten Herzogtümern. Er setzte die Religionspolitik seines Vaters
offiziell fort, wenngleich sein persönliches Bekenntnis evangelische Züge trug, denn seit 1543 nahm er das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt und ließ seine Töchter lutherisch erziehen.9
Zu den märkischen Städten, die sich der Reformation anschlossen, gehörte auch Neuenrade. Ebenso wie
Kamen, Werdohl und inzwischen auch Iserlohn zählte es jedoch zu den Kommunen, in denen die neue Lehre
erst in den 1560er Jahren eingeführt wurde.10 Die Quellenlage für die Neuenrader Stadtgeschichte in dieser
5 Zur territorialen Entwicklung siehe Janssen, Kleve-
Mark-Jülich-Berg-Ravensberg, S. 17-40; Droege, Ter-
ritorien, S. 690-720; vgl. die Karten in: Land im Mittel-
punkt der Mächte, nach S. 528, siehe auch die Einleitung
in Sehling, EKO XXI, S. 31f.
6 Becher, Herrschaft, S. 26, zu einzelnen Städten ebd.,
S. 110-152; Rothert, Kirchengeschichte der Grafschaft
Mark, S. 269-300; Heutger, Nicolaus C., Eine Kir-
chenordnung der lutherischen Gemeinde Altena aus dem
Jahre 1626, in: Der Märker 16 (1967), S. 140, Auszug
abgedruckt bei Jacobson, Urkunden-Sammlung, S. 129f.
7 Zur Religionspolitik der Herzöge von Kleve in der Graf-
schaft Mark siehe Becher, Herrschaft, S. 36-51; Bek-
ker, Duldung; Flüchter, Zölibat; Schulte, Neutra-
lität.
8 Abdruck in Sehling, EKO XXI, S. 52-56, 60-72.
9 Ehrenpreis, Stefan, Die Katholische Reform in
Jülich-Kleve-Berg, in: Groten, Manfred u.a. (Hg.), Der
Jülich-Klevische Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen
und Folgen, Düsseldorf 2011, S. 289-303, bes. S. 293
Anm. 11.
10 Becher, Herrschaft, S. 26.
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im Zuge ihres Landesausbaus nicht gelang, Zentralinstitutionen zu etablierten. Die Landesteile behielten
also eigenständige Verwaltungen, unterstanden außen- und religionspolitisch jedoch den Herzögen.
Der Herrschaftskomplex der Vereinigten Herzogtümer hatte nur knapp ein Jahrhundert Bestand. 1521
geschaffen, zerfiel er 1609 mit dem Aussterben des Klever Hauses. 1614 wurde er provisorisch und 1666
definitiv zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg geteilt, wobei Kleve-Mark und Ravensberg unter die
Herrschaft der brandenburgischen Hohenzollern und Jülich-Berg unter die der Wittelsbacher in Pfalz-
Neuburg fiel.5
2. Die Einführung der Reformation
Die reformatorische Bewegung formierte sich in den einzelnen Landesteilen der Vereinigten Herzogtiimer zu
verschiedenen Zeiten. Die westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg gehörten zu den Regionen, in
denen Luthers Lehre früh Fuß fasste. In der Grafschaft Mark wurden in Iserlohn bereits 1525 evangelische
Predigten gehalten. Während sich die Reformation hier jedoch zunächst nicht durchsetzen konnte, wurde
nach 1530 die Stadt Soest zum evangelischen Zentrum. Weitere Städte öffneten sich der neuen Lehre,
darunter Hamm um 1532 und Altena um 1538. In den 1540er Jahren traten Herdecke, Lünen und Bochum
hinzu, im Jahrhzehnt nach dem Interim auch Hagen, Schwerte und Unna.6
Der Klever Herzog Johann III. (reg. 1521-1539) sowie sein Sohn und Nachfolger Wilhelm V. (reg.
1539-1592) waren Anhänger des von Erasmus geprägten niederrheinischen Reformkatholizismus. In dem
Bemühen, die evangelische Bewegung, die Mitte der 1520er Jahre in den Landesteilen Mark und Ravens-
berg aufflackerte und die nicht nachhaltig unterbunden werden konnte, in die überkommenen kirchlichen
Verhältnisse zu integrieren, verfolgten die Herzöge eine Kirchenpolitik, die einen Minimalkonsenses für Alt-
und Neugläubige vertrat. Eine offene Abkehr von Rom hätte die Macht der Landesherren in ihrem großen,
aus mehreren Herzogtümern und Grafschaften zusammengesetzten, inhomogenen Territorium gefährdet.
Die reformorientierte und integrative Linie war somit auch politischen Interessen geschuldet.7
Herzog Johann III. hatte 1532 eine Kirchenordnung und im Jahr darauf eine dazu gehörende Declaratio
erlassen,8 die erasmischen Charakters waren. Der Herzog versuchte zwar, diese Ordnungen auch in den
Grafschaften Mark und Ravensberg einzuführen, blieb damit aber erfolglos. 1539 übernahm Johanns Sohn
Wilhelm V. die Regierung in den Vereinigten Herzogtümern. Er setzte die Religionspolitik seines Vaters
offiziell fort, wenngleich sein persönliches Bekenntnis evangelische Züge trug, denn seit 1543 nahm er das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt und ließ seine Töchter lutherisch erziehen.9
Zu den märkischen Städten, die sich der Reformation anschlossen, gehörte auch Neuenrade. Ebenso wie
Kamen, Werdohl und inzwischen auch Iserlohn zählte es jedoch zu den Kommunen, in denen die neue Lehre
erst in den 1560er Jahren eingeführt wurde.10 Die Quellenlage für die Neuenrader Stadtgeschichte in dieser
5 Zur territorialen Entwicklung siehe Janssen, Kleve-
Mark-Jülich-Berg-Ravensberg, S. 17-40; Droege, Ter-
ritorien, S. 690-720; vgl. die Karten in: Land im Mittel-
punkt der Mächte, nach S. 528, siehe auch die Einleitung
in Sehling, EKO XXI, S. 31f.
6 Becher, Herrschaft, S. 26, zu einzelnen Städten ebd.,
S. 110-152; Rothert, Kirchengeschichte der Grafschaft
Mark, S. 269-300; Heutger, Nicolaus C., Eine Kir-
chenordnung der lutherischen Gemeinde Altena aus dem
Jahre 1626, in: Der Märker 16 (1967), S. 140, Auszug
abgedruckt bei Jacobson, Urkunden-Sammlung, S. 129f.
7 Zur Religionspolitik der Herzöge von Kleve in der Graf-
schaft Mark siehe Becher, Herrschaft, S. 36-51; Bek-
ker, Duldung; Flüchter, Zölibat; Schulte, Neutra-
lität.
8 Abdruck in Sehling, EKO XXI, S. 52-56, 60-72.
9 Ehrenpreis, Stefan, Die Katholische Reform in
Jülich-Kleve-Berg, in: Groten, Manfred u.a. (Hg.), Der
Jülich-Klevische Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen
und Folgen, Düsseldorf 2011, S. 289-303, bes. S. 293
Anm. 11.
10 Becher, Herrschaft, S. 26.
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