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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Jahresfeier am 20. Mai 2006
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Jäger, Willi: Mathematische Modelle und Computersimulation biologischer Prozesse: Realität in Silico?
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0026
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38 | JAHRESFEIER

Dieser Vortrag will aufzuweisen, dass Modellierung und Simulation zu den
grundlegenden Methoden der quantitativ arbeitenden Biowissenschaften gehören.
Eine einzelne Nervenzelle, ein komplexes Netzwerk von Neuronen oder gar ein
vollständiges Gehirn in silico virtuell darzustellen und deren Aktivitäten zu simulie-
ren, ist ein Traum von Wissenschaftlern, der höchstens nur teilweise real werden
kann. Virtuelles bleibt immer höchstens eine Annäherung an die Wirklichkeit, die
allerdings auch sehr überzeugend gelingen kann.
Der englische Wissenschaftler Turing, der sehr wesentliche Beiträge zur mathe-
matischen Beschreibung der Musterbildung bei Lebewesen gegeben hat, stellte zu-
recht fest: “All models are an approximation, and ultimately a falsification of reality”. Aller-
dings ist es dennoch überraschend, dass es trotz der Unzulänglichkeiten menschlicher
Projektionen so gut gelingt, reale Prozesse zu beschreiben. Dieses Faktum weist
darauf hin, dass unsere Denkstrukturen durch das Wechselspiel mit der Realität
geprägt wurden. Heinrich Hertz (1857—94) drückte die Situation wie folgt aus:
„ Wir machen uns unsere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und
zwar machen wir sie von solcher Art, dass die denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder
die Bilder sind von den naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände. Damit diese
Forderung überhaupt erfüllbar ist, müssen Übereinstimmungen vorhanden sein zwischen der
Natur und unserem Geiste. Die Erfahrung zeigt, dass diese Forderung erfüllbar ist und dass
also solche Übereinstimmungen in der Tat bestehen. “
Diese Feststellung lässt sich in folgendem Diagramm ausdrücken, das Mathe-
matiker als kommutativ bezeichnen, was besagt, dass es egal ist, ob man die Pfeile im
oder gegen den Uhrzeigersinn verfolgt.

Figur 1

naturnotwendig

REALES SYSTEM
3 |
REALES SYSTEM
Abbildung
Folgen
Abbildung

SYMBOLE

SYMBOLE

denknotwendig

Albert Einstein sagte zur Aussagekraft mathematischer Sätze:
„ Wie ist es möglich, dass die Mathematik, die doch ein von aller Erfahrung unabhängiges Pro-
dukt des menschlichen Denkens ist, auf die Gegenstände der Wirklichkeit so vortrefflich passt?
Kann die menschliche Vernunft ohne Erfahrung durch bloßes Denken Eigenschaften der wirk-
lichen Dinge ergründen? Hierauf ist nach meiner Meinung kurz zu antworten: Insofern die
Sätze der Mathematik sich auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie
sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit. “
 
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