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SITZUNGEN
Für uns, die klassischen Akademien, wäre es ein großer Verlust, wenn die Tech-
nikwissenschaften nun, da sie ihre eigene Akademie haben, uns den Rücken
kehrten. Das muß nicht so kommen, aber es kann so kommen.
Wenn sich nun noch andere Fachgruppen auf diesen Weg machten, und etwa
eine Akademie für Medizin oder eine Akademie für Sozialwissenschaften
gegründet würde, wie das in anderen Ländern geschehen ist, so würde diese
Entwicklung die Idee der Akademie, dieses letzten Ortes eines institutionali-
sierten Gesprächs zwischen den Wissenschaften, in Frage stellen.
Akademien sind Orte der Autonomie der Wissenschaft, nicht nur der grund-
rechtlich geschützten Freiheit des einzelnen Forschers. Auch hier gilt: Sie sind
in gewissem Sinne die letzten Orte der Autonomie der Wissenschaft. Es gibt,
um es konkret zu sagen, beispielsweise keine „Akademie-Räte“ nach Art der
Universitätsräte. Die Akademie für Technikwissenschaften hat sich - aus nach-
vollziehbaren Gründen, wie ich ausdrücklich hinzufügen will — entschlossen,
auch Nichtwissenschaftler zu ordentlichen Mitgliedern zu wählen, Vertreter
der technikanwendenden Wirtschaft. Die Politik mit ihrer Vorliebe für korpo-
ratistische Gremien hat das sehr begrüßt. Sie hat wenig Sinn für das Argument,
daß es in ihrem eigenen Interesse liege, gelegentlich ganz unverfälscht und
unvermischt das zu hören, was die Wissenschaft zu einem bestimmten Thema
zu sagen hat. Für die Technikwissenschaften mag es besondere Gründe geben,
anders zu verfahren als die übrigen Akademien. Aber der Weg, den die zukünf-
tige Akademie der Technikwissenschaften eingeschlagen hat, muß aus der Sicht
der klassischen Akademien eine Ausnahme bleiben. Und leichter täten wir uns
mit der im übrigen freundlich willkommen geheißenen Institution, wenn sie
sich nicht den Namen Akademie der Wissenschaften gegeben hätte. Aber um
den ging es natürlich.
Genug der akademiepolitischen Randbemerkungen. Eigentlich haben wir heute ja
etwas ganz anderes im Sinn. Es ist Zeit, sich dem zuzuwenden, was uns hierher
geführt hat.
Herr Dieter Langewiesche hält einen Vortrag: „Die Monarchie im bürgerlichen
Jahrhundert“.
1900 waren die Jahrhundertrückblicke auf Sicherheit und Fortschrittsdynamik
gestimmt, ermöglicht durch die Erfolge von Wissenschaft und Wirtschaft im Macht-
gehäuse des Nationalstaates. Die Monarchie fügte sich in dieses Fortschrittsbild. Das
bürgerliche Jahrhundert war auch ein Jahrhundert der Monarchie. Alle Nationalstaa-
ten, die im 19. Jahrhundert geschaffen wurden, entstanden als Monarchien.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte es ganz anders ausgesehen. Die französi-
sche Revolution schien dem alten Europa mit der monarchischen Legitimität das
Fundament zu entziehen. Es kam jedoch anders. In den politischen Kämpfen verän-
derte sich die Position der Monarchie grundlegend, aber sie behauptete sich gegen-
SITZUNGEN
Für uns, die klassischen Akademien, wäre es ein großer Verlust, wenn die Tech-
nikwissenschaften nun, da sie ihre eigene Akademie haben, uns den Rücken
kehrten. Das muß nicht so kommen, aber es kann so kommen.
Wenn sich nun noch andere Fachgruppen auf diesen Weg machten, und etwa
eine Akademie für Medizin oder eine Akademie für Sozialwissenschaften
gegründet würde, wie das in anderen Ländern geschehen ist, so würde diese
Entwicklung die Idee der Akademie, dieses letzten Ortes eines institutionali-
sierten Gesprächs zwischen den Wissenschaften, in Frage stellen.
Akademien sind Orte der Autonomie der Wissenschaft, nicht nur der grund-
rechtlich geschützten Freiheit des einzelnen Forschers. Auch hier gilt: Sie sind
in gewissem Sinne die letzten Orte der Autonomie der Wissenschaft. Es gibt,
um es konkret zu sagen, beispielsweise keine „Akademie-Räte“ nach Art der
Universitätsräte. Die Akademie für Technikwissenschaften hat sich - aus nach-
vollziehbaren Gründen, wie ich ausdrücklich hinzufügen will — entschlossen,
auch Nichtwissenschaftler zu ordentlichen Mitgliedern zu wählen, Vertreter
der technikanwendenden Wirtschaft. Die Politik mit ihrer Vorliebe für korpo-
ratistische Gremien hat das sehr begrüßt. Sie hat wenig Sinn für das Argument,
daß es in ihrem eigenen Interesse liege, gelegentlich ganz unverfälscht und
unvermischt das zu hören, was die Wissenschaft zu einem bestimmten Thema
zu sagen hat. Für die Technikwissenschaften mag es besondere Gründe geben,
anders zu verfahren als die übrigen Akademien. Aber der Weg, den die zukünf-
tige Akademie der Technikwissenschaften eingeschlagen hat, muß aus der Sicht
der klassischen Akademien eine Ausnahme bleiben. Und leichter täten wir uns
mit der im übrigen freundlich willkommen geheißenen Institution, wenn sie
sich nicht den Namen Akademie der Wissenschaften gegeben hätte. Aber um
den ging es natürlich.
Genug der akademiepolitischen Randbemerkungen. Eigentlich haben wir heute ja
etwas ganz anderes im Sinn. Es ist Zeit, sich dem zuzuwenden, was uns hierher
geführt hat.
Herr Dieter Langewiesche hält einen Vortrag: „Die Monarchie im bürgerlichen
Jahrhundert“.
1900 waren die Jahrhundertrückblicke auf Sicherheit und Fortschrittsdynamik
gestimmt, ermöglicht durch die Erfolge von Wissenschaft und Wirtschaft im Macht-
gehäuse des Nationalstaates. Die Monarchie fügte sich in dieses Fortschrittsbild. Das
bürgerliche Jahrhundert war auch ein Jahrhundert der Monarchie. Alle Nationalstaa-
ten, die im 19. Jahrhundert geschaffen wurden, entstanden als Monarchien.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte es ganz anders ausgesehen. Die französi-
sche Revolution schien dem alten Europa mit der monarchischen Legitimität das
Fundament zu entziehen. Es kam jedoch anders. In den politischen Kämpfen verän-
derte sich die Position der Monarchie grundlegend, aber sie behauptete sich gegen-