Klaus-Michael Debatin
121
Jahren Forschung in der Immunologie. Bis heute ist für mich die Tatsache faszinie-
rend, dass Impfungen als eine besonders effektive Manipulation und Ausnutzung des
Immunsystems lange schon erfolgreich zur Verhinderung von Infektionskrankheiten
eingesetzt wurden, obwohl niemand die dem Schutz zu Grunde liegenden Mecha-
nismen kannte. In meiner Doktorarbeit habe ich mich bis 1979 mit Fresszellen
beschäftigt, dann aber anderen Themen zugewandt: wie Abwehrzellen miteinander
kommunizieren und sich gegenseitig aktivieren, wenn Sie so wollen Chemie und
Kommunikation. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat meine damalige Neu-
gier durch ein Stipendium unterstützt, und ich habe mit meinen Arbeiten die ersten
Kontakte zum Deutschen Krebsforschungszentrum geknüpft, die meinen weiteren
Weg entscheidend mitgeprägt haben. Vor die Frage gestellt, ganz in die Grundlagen-
forschung an das Max-Planck Institut nach Freiburg zu gehen oder doch eher den
Kontakt zur Klinischen Medizin zu suchen, habe ich mich 1982 für letzteres ent-
schieden.
Und warum Kinderheilkunde? Wenn ich heute Bewerbungen erhalte, in denen
steht: „Seit Beginn meines Studiums wollte ich Kinderarzt werden“, bin ich skep-
tisch. Ich mag Kinder und wir kamen schon immer gut miteinander zurecht, aber
dies qualifiziert höchstens für die Fähigkeit, auch als Arzt an sie heran zu kommen.
Ich habe eher mit der Inneren Medizin geliebäugelt. Aber die Pädiatrie war in Hei-
delberg sehr wissenschaftlich orientiert, hier wurden Stoffwechseldefekte molekular
aufgeklärt. Außerdem hat Immunologie sehr viel mit Infektionskrankheiten zu tun
und die damals gerade sich entwickelnde Möglichkeit, Leukämien erstmals behan-
deln zu können, hat mich fasziniert. Die Pädiatrische Onkologie hat hier Pionierar-
beit für das gesamte Gebiet der Krebsmedizin geleistet. Aber vieles ist letztendlich
Zufall (und vielleicht Notwendigkeit). Ich habe für die Kinderklinik Untersuchun-
gen zur Abwehrschwäche bei Kindern durchgeführt und entsprechende Tests ent-
wickelt und dadurch Kontakt zum Leiter des Bereichs Immunologie und Tumor-
krankheiten geknüpft. Dieser hat meinen wissenschaftlichen Fokus wie auch meine
Entwicklung als Arzt wesentlich beeinflusst. Nach vier Wochen Stationsarzttätigkeit
auf der Tumor- und Leukämiestation wollte ich wieder ins Labor zurück und meine
klinische Karriere aufgeben, weil ich das Gefühl hatte, den ständig vorhandenen Tod
und die anfänglich noch geringen Behandlungserfolge nicht ertragen zu können.
Aber Werner Brandeis hat mir die Wege gezeigt, als Arzt menschlich zu bleiben und
Energie aus der Erforschung der Erkrankungen zu ziehen.
Für mich war es faszinierend und befremdlich zugleich, dass wir Krankheiten,
deren Natur wir nicht verstanden bzw. verstehen, mit Medikamenten behandeln,
deren Wirkung wir nicht wirklich verstehen, und dabei erfolgreich sind. Dass wir
also Leukämie und Krebs bei Kindern zum Teil heilen konnten und nicht verstan-
den, warum. Nun gilt in der Medizin wie auch sonst häufig im praktischen Leben
das unwissenschaftliche Prinzip „wer heilt hat Recht“, unabhängig vom Konzept
(Normative des Faktischen). Aber die Heilerfolge waren doch noch recht gering und
nicht vorhersehbar So habe ich begonnen, Leukämiezellen zu studieren und meine
DKFZ-Kontakte für diese Forschungen zu nutzen. Wir versuchten zu verstehen, wie
und warum diese Zellen wachsen. Dabei waren wir auf der Suche nach Molekülen,
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Jahren Forschung in der Immunologie. Bis heute ist für mich die Tatsache faszinie-
rend, dass Impfungen als eine besonders effektive Manipulation und Ausnutzung des
Immunsystems lange schon erfolgreich zur Verhinderung von Infektionskrankheiten
eingesetzt wurden, obwohl niemand die dem Schutz zu Grunde liegenden Mecha-
nismen kannte. In meiner Doktorarbeit habe ich mich bis 1979 mit Fresszellen
beschäftigt, dann aber anderen Themen zugewandt: wie Abwehrzellen miteinander
kommunizieren und sich gegenseitig aktivieren, wenn Sie so wollen Chemie und
Kommunikation. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat meine damalige Neu-
gier durch ein Stipendium unterstützt, und ich habe mit meinen Arbeiten die ersten
Kontakte zum Deutschen Krebsforschungszentrum geknüpft, die meinen weiteren
Weg entscheidend mitgeprägt haben. Vor die Frage gestellt, ganz in die Grundlagen-
forschung an das Max-Planck Institut nach Freiburg zu gehen oder doch eher den
Kontakt zur Klinischen Medizin zu suchen, habe ich mich 1982 für letzteres ent-
schieden.
Und warum Kinderheilkunde? Wenn ich heute Bewerbungen erhalte, in denen
steht: „Seit Beginn meines Studiums wollte ich Kinderarzt werden“, bin ich skep-
tisch. Ich mag Kinder und wir kamen schon immer gut miteinander zurecht, aber
dies qualifiziert höchstens für die Fähigkeit, auch als Arzt an sie heran zu kommen.
Ich habe eher mit der Inneren Medizin geliebäugelt. Aber die Pädiatrie war in Hei-
delberg sehr wissenschaftlich orientiert, hier wurden Stoffwechseldefekte molekular
aufgeklärt. Außerdem hat Immunologie sehr viel mit Infektionskrankheiten zu tun
und die damals gerade sich entwickelnde Möglichkeit, Leukämien erstmals behan-
deln zu können, hat mich fasziniert. Die Pädiatrische Onkologie hat hier Pionierar-
beit für das gesamte Gebiet der Krebsmedizin geleistet. Aber vieles ist letztendlich
Zufall (und vielleicht Notwendigkeit). Ich habe für die Kinderklinik Untersuchun-
gen zur Abwehrschwäche bei Kindern durchgeführt und entsprechende Tests ent-
wickelt und dadurch Kontakt zum Leiter des Bereichs Immunologie und Tumor-
krankheiten geknüpft. Dieser hat meinen wissenschaftlichen Fokus wie auch meine
Entwicklung als Arzt wesentlich beeinflusst. Nach vier Wochen Stationsarzttätigkeit
auf der Tumor- und Leukämiestation wollte ich wieder ins Labor zurück und meine
klinische Karriere aufgeben, weil ich das Gefühl hatte, den ständig vorhandenen Tod
und die anfänglich noch geringen Behandlungserfolge nicht ertragen zu können.
Aber Werner Brandeis hat mir die Wege gezeigt, als Arzt menschlich zu bleiben und
Energie aus der Erforschung der Erkrankungen zu ziehen.
Für mich war es faszinierend und befremdlich zugleich, dass wir Krankheiten,
deren Natur wir nicht verstanden bzw. verstehen, mit Medikamenten behandeln,
deren Wirkung wir nicht wirklich verstehen, und dabei erfolgreich sind. Dass wir
also Leukämie und Krebs bei Kindern zum Teil heilen konnten und nicht verstan-
den, warum. Nun gilt in der Medizin wie auch sonst häufig im praktischen Leben
das unwissenschaftliche Prinzip „wer heilt hat Recht“, unabhängig vom Konzept
(Normative des Faktischen). Aber die Heilerfolge waren doch noch recht gering und
nicht vorhersehbar So habe ich begonnen, Leukämiezellen zu studieren und meine
DKFZ-Kontakte für diese Forschungen zu nutzen. Wir versuchten zu verstehen, wie
und warum diese Zellen wachsen. Dabei waren wir auf der Suche nach Molekülen,