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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Antrittsreden
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Debatin, Klaus-Michael: Antrittsrede vom 10. Juni 2006
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0111
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Klaus-Michael Debatin

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zuwenig Zellen, daher nimmt die Masse zu, das Absterbeprogramm ist gestört. Wir
können Phänomene nur beschreiben, wenn wir dafür eine Sprache, Worte, Begriffe,
Definitionen und eine Syntax haben. In der Welt der Zellen ist dies die biochemi-
sche Molekülsprache. In den 80er Jahren wurden Moleküle in Krebszellen entdeckt,
die zu vermehrter Zellteilung fuhren. Mit der so entwickelten „Sprache“ wurde
Krebs daher als Krankheit gesteigerter Zellproliferation beschrieben. Mit der Ent-
deckung verschiedener Moleküle und Signalwege in der Zelle, die Zelltod regulie-
ren, haben wir eine Sprache gefunden, dieses Phänomen zu untersuchen und kön-
nen Krebs daher auch als gestörten Zelltod auffassen. Wir und andere haben in den
letzten Jahren viele Untersuchungen durchgeführt, die den gestörten Zelltod in
Krebszellen belegen.
Unsere Entdeckung vor mehr als 15 Jahren hat nicht direkt zu einem neuen
Medikament geführt. Aber in den letzten zehn Jahren, vor allem nach meinem
Wechsel nach Ulm, habe ich mich besonders mit der Frage befasst, ob die Krebs-
therapie vielleicht dadurch wirksam ist - wenn sie wirkt -, dass die Medikamente in
den Krebszellen Apoptose, also das Selbstmordprogramm auslösen. Und dies ist in
der Tat der Fall, wir können nachweisen, dass z. B. in der Leukämietherapie wirk-
same Medikamente direkt oder indirekt Apoptoseprogramme auslösen und dass die
Empfindlichkeit von Leukämiezellen für Apoptoseprogramme eine Aussage über
das Ansprechen auf die Therapie ermöglicht. Wir untersuchen die Möglichkeit,
durch Sensibilisierung der Krebszellen und Leukämiezellen für Zelltodsignale, diese
empfindlicher zu machen für bereits vorhandene Medikamente, und sind zuver-
sichtlich, auf diesem Weg zukünftig Therapien verbessern zu können.
Nun bin ich sehr in der Wissenschaft hängen geblieben. Ich hatte immer noch
ein anderes Anliegen: Die Frage, wie wir Grundlagenforschung und Klinische Medi-
zin zusammenbringen. Den Graben und die frühere gegenseitige Sprachlosigkeit
habe ich als „Wanderer zwischen den Welten“ problematisch empfunden. So habe
ich mit anderen Klinikum und DKFZ Anfang der 90er Jahre davon überzeugen kön-
nen, etwas heute ganz Modernes zu wagen: Klinische Kooperationseinheiten, in
denen forschende, klinisch tätige Ärzte mit Grundlagenforschern zusammen arbei-
ten und, auf neudeutsch und jetzt ganz modern, „translational research“ betreiben.
Harald zur Hausen, langjähriger Stiftungsvorstand des DKFZ und Akademiemit-
glied, war der entscheidende Initiator und Wegbereiter für diese Entwicklung und
damit auch für meinen weiteren Weg. 1994 habe ich die Leitung der ersten Klini-
schen Kooperationseinheit am DKFZ übernommen und sie noch von Ulm aus bis
2002 geleitet.
Den Rest der Biographie kann ich schnell erzählen. 1996 erfolgte der Ruf auf
den Lehrstuhl für Pädiatrie in Ulm an eine Klinik mit einer langen Tradition in der
Hämatologie/Onkologie mit einer der größten Knochenmark-Transplatationsein-
heiten in Deutschland, in der weltweit mit die ersten Transplantationen bei Kindern
mit Leukämie aber vor allem auch mit angeborenen Defekten des Immunsystems
durchgefuhrt wurden. Die Kreise schließen sich. 1999 erhielt ich einen „Rückruf“
nach Heidelberg, warum ich dann doch Ulm vorgezogen habe, kann ich gerne im
privaten Rahmen darlegen.
 
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