Bernd Schneidmüller
125
Antrittsrede von Herrn BERND SCHNEIDMÜLLER
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Juni 2006.
Herr Sekretär,
meine Damen und Herren,
wer sich professionell mit Geschichte beschäftigt, der
kennt die Verlockungen, eine Biographie geradlinig zu
erzählen. Mein eigener Weg wurde freilich weniger von
Kontinuitäten als von Zufällen und Sprüngen geprägt.
1954 in der hessischen Wetterau geboren, studierte
ich nach dem Abitur in Büdingen an den Universitäten
Zürich und Frankfurt am Main. Obwohl ich damit
rasch fertig war, konnte ich mich lange nicht wirklich
entscheiden. Ich begann mit Germanistik, kam zur
Geschichte, nahm die Evangelische Theologie hinzu und probierte die Rechts-
geschichte aus. Den Weg in die Geschichte des Mittelalters hätte ich mir anfangs
nicht träumen lassen. Das Staatsexamen 1976 und die Frankfurter Promotion 1977
sollten Durchgangsstationen zum Schuldienst sein. Meine Dissertation schrieb ich
über „KarolingischeTradition und frühes französisches Königtum“. Es ging um poli-
tische Verwandlungen im 10. Jahrhundert, um den Zerfall des karolingischen
Großreichs und die Entstehung neuer Verbände und Identitäten unter krisenhaften
Rahmenbedingungen. Die Nötigung meines Lehrers Joachim Ehlers, keine deutsche
Geschichte zu schreiben, führte mich zur ersten wissenschaftlichen Grenzüber-
schreitung.
Das Angebot aus einem frühen Schwerpunktprogramm der DFG ließ
mich den Schuldienst noch etwas aufschieben. Ich wusste nicht, dass mich die
Mediaevistik nun immer fester umgarnen würde. Für dieses Schwerpunktprogramm
„Nationes. Die Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter“ bauten wir
in Frankfurt ein Frankreichteam auf. Dabei lernte ich den doppelten Nutzen von
intensiver Quellenforschung und von Drittmitteleinwerbung kennen. In den
Geisteswissenschaften waren DFG-Projekte 1978 noch nicht üblich, so dass unsere
Berichtspflicht und die zweijährigen Evaluationen exotisch erschienen.
1981 ging ich als Assistent von Joachim Ehlers an die Technische Universität
Braunschweig. In Braunschweig gründete ich meine Familie, dort habilitierte ich
mich 1985, dort erhielt ich 1990 nach einer Fiebiger-Professur in Oldenburg (1987-
1990) meinen ersten Lehrstuhl. Die 13 Jahre an zwei kleineren niedersächsischen
Universitäten prägten mich sehr. Ich lernte, den Nutzen geisteswissenschaftlicher
Forschung offensiv zu positionieren. An der Technischen Universität Braunschweig
und an der Reformuniversität Oldenburg musste die Beschäftigung mit mittelalter-
licher Geschichte gegen Entgelt immer wieder gut begründet werden, vor allem im
Gespräch mit selbstbewussten Bauingenieuren, Elektrotechnikern oder Sozialwissen-
schaftlern.
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Antrittsrede von Herrn BERND SCHNEIDMÜLLER
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Juni 2006.
Herr Sekretär,
meine Damen und Herren,
wer sich professionell mit Geschichte beschäftigt, der
kennt die Verlockungen, eine Biographie geradlinig zu
erzählen. Mein eigener Weg wurde freilich weniger von
Kontinuitäten als von Zufällen und Sprüngen geprägt.
1954 in der hessischen Wetterau geboren, studierte
ich nach dem Abitur in Büdingen an den Universitäten
Zürich und Frankfurt am Main. Obwohl ich damit
rasch fertig war, konnte ich mich lange nicht wirklich
entscheiden. Ich begann mit Germanistik, kam zur
Geschichte, nahm die Evangelische Theologie hinzu und probierte die Rechts-
geschichte aus. Den Weg in die Geschichte des Mittelalters hätte ich mir anfangs
nicht träumen lassen. Das Staatsexamen 1976 und die Frankfurter Promotion 1977
sollten Durchgangsstationen zum Schuldienst sein. Meine Dissertation schrieb ich
über „KarolingischeTradition und frühes französisches Königtum“. Es ging um poli-
tische Verwandlungen im 10. Jahrhundert, um den Zerfall des karolingischen
Großreichs und die Entstehung neuer Verbände und Identitäten unter krisenhaften
Rahmenbedingungen. Die Nötigung meines Lehrers Joachim Ehlers, keine deutsche
Geschichte zu schreiben, führte mich zur ersten wissenschaftlichen Grenzüber-
schreitung.
Das Angebot aus einem frühen Schwerpunktprogramm der DFG ließ
mich den Schuldienst noch etwas aufschieben. Ich wusste nicht, dass mich die
Mediaevistik nun immer fester umgarnen würde. Für dieses Schwerpunktprogramm
„Nationes. Die Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter“ bauten wir
in Frankfurt ein Frankreichteam auf. Dabei lernte ich den doppelten Nutzen von
intensiver Quellenforschung und von Drittmitteleinwerbung kennen. In den
Geisteswissenschaften waren DFG-Projekte 1978 noch nicht üblich, so dass unsere
Berichtspflicht und die zweijährigen Evaluationen exotisch erschienen.
1981 ging ich als Assistent von Joachim Ehlers an die Technische Universität
Braunschweig. In Braunschweig gründete ich meine Familie, dort habilitierte ich
mich 1985, dort erhielt ich 1990 nach einer Fiebiger-Professur in Oldenburg (1987-
1990) meinen ersten Lehrstuhl. Die 13 Jahre an zwei kleineren niedersächsischen
Universitäten prägten mich sehr. Ich lernte, den Nutzen geisteswissenschaftlicher
Forschung offensiv zu positionieren. An der Technischen Universität Braunschweig
und an der Reformuniversität Oldenburg musste die Beschäftigung mit mittelalter-
licher Geschichte gegen Entgelt immer wieder gut begründet werden, vor allem im
Gespräch mit selbstbewussten Bauingenieuren, Elektrotechnikern oder Sozialwissen-
schaftlern.