Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

DOI chapter:
I. Das Geschäftsjahr 2006
DOI chapter:
Antrittsreden
DOI article:
Maran, Joseph: Antrittsrede vom 15. Juli 2006
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0130
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
142

ANTRITTSREDEN

Die Hintergründe der Sonderstellung Griechenlands zu begreifen, setzt eine
Berücksichtigung seiner Verbindungen zur Kulturentwicklung Vorderasiens und des
Austauschs von Ideen im Ostmittelmeerraum voraus. Eben deshalb war es ein
Glücksfall, in Harald Hauptmann einen akademischen Lehrer und Doktorvater
gefunden zu haben, der mich mit derVielfalt der frühen Kulturen des Vorderen Ori-
ents vertraut machte. Hierfür und für seine stete Förderung bin ich ihm sehr dank-
bar. An der Universität Heidelberg wurde ich im Jahre 1985 im Fach Ur- und Früh-
geschichte mit einer Dissertation über die Keramik der Mittelbronzezeit von der
schon genannten Pevkakia-Magula promoviert. Die Nebenfächer waren Klassische
Archäologie und Ethnologie.
Mein beruflicher Werdegang nach der Promotion führte nicht geradlinig auf
eine akademische Laufbahn zu. Meine erste Anstellung erhielt ich am Hessischen
Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden, zu dem ich die Kontakte während mei-
ner Studienzeit nicht habe abreißen lassen. Ich bekam die Gelegenheit, Siedlungs-
funde der sog. Kultur der Schnurkeramik des 3. Jahrtausends v. Chr. aus Südhessen,
an deren Entdeckung ich als Gymnasiast beteiligt war, wissenschaftlich zu bearbei-
ten. Hierdurch gelangen Einblicke in die Siedlungsweise und die Wirtschaft einer
Kultur, die bis dahin überwiegend aus Grabfunden bekannt war. Anschließend wirk-
te ich von 1989—1991 an der Universität Marburg als wissenschaftlicher Mitarbeiter
in einem Forschungsprojekt des Klassischen Archäologen Hans Lauter zur Erfor-
schung der bronzezeitlichen Akropolis von Kiapha Thiti in Attika. Die Bearbeitung
der Funde des 2. Jahrtausends v. Chr. aus dieser Ausgrabung konfrontierte mich zum
ersten Mal mit den Ursprüngen der mykenischen Hochkultur. Im Jahre 1991 wurde
mir ein Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft zuerkannt.
Das Habilitationsvorhaben galt einem für die Geschichte Griechenlands bedeuten-
den Kulturwandel in der Zeit um 2200 v. Chr. Ich gelangte zu dem Ergebnis, dass
ohne diesen Umbruch wahrscheinlich schon vor 2000 v. Chr. in Griechenland eine
Hochkultur mit Palästen, Administration und wahrscheinlich auch Schrift entstan-
den wäre. Warum es nicht dazu kam, beschäftigte mich ebenso wie die Frage, ob mit
dem Umbruch neue Bevölkerungsgruppen aus dem Balkan nach Süden eingewan-
dert sein könnten.
Im Jahre 1994 wurde ich zum Kustos am Institut für Vor- und Frühgeschichte
der Universität Bonn ernannt, und im gleichen Jahr bestellte mich die Zentraldirek-
tion des Deutschen Archäologischen Instituts zum Leiter der Ausgrabungen am
mykenischen Palastzentrum von Tiryns, die eine der vier Traditionsgrabungen des
Instituts in Griechenland ist. Die Leitung der Ausgrabung an diesem Ort, der 1999
in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde, habe ich bis heute inne. An der Univer-
sität Bonn habilitierte ich mich 1995 zu dem genannten Thema und schon 1996
folgte ich dem Ruf an die Universität Heidelberg als Nachfolger von Harald Haupt-
mann.
Das Fach Ur- und Frühgeschichte ist dadurch charakterisiert, dass es sich mit
denjenigen Abschnitten der Menschheitsgeschichte auseinandersetzt, in denen noch
keine oder allenfalls geringfügige Schriftquellen zur Verfügung stehen. Um zu
Erkenntnissen hinsichtlich der Kultur und Gesellschaft der damaligen Menschen und
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften