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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0263
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Das WIN-Kolleg | 275
schwinden zwar nicht, ihre Bedeutung für das Gemeinwesen ergibt sich jedoch erst
durch ihre jeweilige Interpretation aus der Gegenwart.
Im Ganzen zeigt sich also eine Dynamisierung der Europa-Problematik: statt
nach materiellen Grundlagen zu suchen, wird die Logik von kulturellen Diskursen
über und in Europa in den Blick genommen. Eben dieser Zugang ist auch für unse-
ren Abschlussband zentral, der in unserer zweiten Förderphase umgesetzt werden
wird.
Wie bereits seit längerem in Politik- und Geschichtswissenschaft, lässt sich
in jüngster Zeit auch in den Kulturwissenschaften geradezu eine Renaissance
„Europas“ feststellen. Nachdem dieses Thema lange nur den Gegenstand eher absei-
tiger Spezialstudien darstellte, geht es nun um Kulturelle Werte Europas, um Ansichten
guter Europäer oder um eine Europäische Kulturgeschichte.
Dass diese Renaissance Europas in den meisten Beiträgen auf einem gemein-
samen Fundament beruht, haben wir bereits zu Beginn anklingen lassen: gemeinsam
ist ihnen die Verknüpfung von kulturellen Grundlagen, Europäischer Identität und Sinn-
stiftung angesichts eines diagnostizierten emotionalen Defizits.
Freilich führt dieses gemeinsame Fundament zu einer Reihe von Rissen beim
Bau des kulturellen Hauses Europa, die das Projekt beinträchtigen und teils zum Ein-
sturz zu bringen drohen. Schnell findet man sich nämlich — um mit Hans Joas zu
sprechen - in „Sackgassen der Argumentation“ wieder, die ebenso durch „Selbstbe-
weihräucherung“ und „wolkige Allgemeinheit“ entstehen wie durch die Gefahr der
„Erzeugung neuer Feindbilder“ und jener „Machbarkeitsillusionen“, die Europas
„enorme Vielfalt in Raum und Zeit“ leugnen. In der Tat:
• Wie lässt sich die von den einzelnen Literatur- und Kulturwissenschaften heraus-
gearbeitete sachliche und methodische Spezifizität mit der Suche nach Grundla-
gen vereinbaren, ohne in die Fallen von Konzepten wie „Erbschaft“, „Tradition“
etc. zu tappen?
• Welche Äquivalenzen impliziert die — in kultureller Grundlagenforschung gern
beschworene — prä-national strukturierte Vormoderne und vor allem: ist es
methodisch gerechtfertigt, in Äquivalenzen zu denken?
• Wie verhält sich die Suche nach Grundlagen zu eben den caveats, die gerade die
kulturwissenschaftliche Forschung geprägt haben: ist die Suche nach Grundlagen
nicht mit Exklusionslogiken verbunden; lässt sie sich ohne die Konstruktion eines
exkludierten Anderen überhaupt durchführen?
• Und wie schließlich verbindet man diese Suche nach kulturellen Grundlagen
konkret mit dem Projekt der Europäischen Union? Studien, die kultur- und poli-
tikwissenschaftliche Zugänge oder kulturelle und aktuelle EU-bezogene Perspek-
tiven verbinden sind rar. Und dies mag auch damit Zusammenhängen, dass das
Argument, „politische Identität ist im Kern nicht das Produkt des sanften Zwan-
ges überlieferter Deutung, sondern der harten Mitgliedschaft in Institutionen“
(Thomas Meyer) nicht so leicht von der Hand zu weisen ist.

Der Abschlussband unseres Projektes möchte gerade keine erzwungene Synthese
unserer (doch heterogenen) Einzelstudien leisten, sondern versucht, auf diese
 
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