II. Wissenschaftliche Vorträge
während der Nutzung der Grabbezirke im 4. Jh. v. Chr. statt. Ein Viertel aller atti-
schen Grabreliefs des späten 5. und 4.Jh. v. Chr. wurden in diesem Sinne im Laufe
von zwei bis drei Generationen verändert. Es handelt sich um eine kontinuierliche
Weiternutzung der Grabmäler.
Gegen 310 v. Chr. aber, nach etwa 120 Jahren, verboten die Athener die
Aufstellung solcher luxuriösen Grabmäler. Nur noch schlichte, gleichförmige
Markierungen wie kleine Steinstelen, Säulchen oder tischartige Steinblöcke mit
Namensinschrift, aber ohne Figuralreliefs, blieben erlaubt. In den Nekropolen des
demokratischen Athen sollte, so eine gängige Erklärung des Gesetzes, demokra-
tische Gleichheit herrschen. Die Produktion von Grabreliefs in Athen kam zum
Ende.
Im Kerameikos bestattete man jedoch weiterhin; auch die alten Grabmäler
blieben dort stehen. Sogar ihre Weiternutzung endete 310 v. Chr. noch nicht. Man
fügte weiterhin Namensinschriften zu, teilweise nun aber viele Jahrzehnte nach
der Erstaufstellung und nicht im alten Familienverbund. Auch Umarbeitungen der
Relieffiguren fanden statt. Ein Grabrelief aus Athen, das gegen 350/40 v. Chr. viel-
leicht für den verstorbenen Komödiendichter Epigenes geschaffen wurde (Abb. 1),
ist ein Beispiel dafür. Bearbeitungsspuren lassen erkennen, dass dem Kopf ein Bart
zugefügt und das Gesicht neu ausgearbeitet wurde. Es ist schwer diese Umarbei-
tung zu datieren. Der Stil der Gesichts- und Bartgestaltung könnten auf die Zeit
um 280 v. Chr. weisen; andere datieren die Spuren erst ins 3. Jh. n. Chr., also mehr
als 500 Jahre später. Aber wäre dies tatsächlich möglich?
Nach einer neuen Durchsicht der Befunde aus Athen können wir jetzt sagen,
dass sichere Belege für so späte Wiederverwendungen vorliegen. Wir kennen at-
tische Grabreliefs mit Figurentypen im Stil des 4. Jh. v. Chr., aber auch römisch-
kaiserzeitlichen Inschriften und umgearbeiteten Attributen oder Köpfen (Abb. 2).
Vielfach lassen die Modefrisuren eine Datierung in das 1. oder 2. Jh. n. Chr. zu.
Solche Umarbeitungen nach Jahrhunderten sind kaum als Weiternutzung durch
dieselbe Familie erklärbar. Vielmehr wurden die alten Reliefs für Mitglieder an-
derer Familien neu- oder wiederverwendet. Dies ist in bisher 20 Fällen unter den
insgesamt ca. 2000 Grabreliefs der Zeit bis 310 v. Chr. nachzuweisen - einige mehr
aus anderen Regionen Griechenlands. Sogar als es in Athen spätestens in der frü-
hen römischen Kaiserzeit wieder erlaubt war, neue - vielfach anders aussehende
- Grabreliefs her- und aufzustellen, endete die Wiedernutzung von älteren nicht.
Unter den erhaltenen kaiserzeitlich aufgestellten Grabreliefs aus Athen - mehr als
500 Stück - zählt man etwa 2 % umgearbeitete ältere. Die späte Wiederverwen-
dung war also kein Massenphänomen, aber auch keine Ausnahme.
Die Praxis hatte zur Folge, dass in der römischen Kaiserzeit in den Nekro-
polen Athens uralte Reliefs unverändert standen, daneben solche, die seit 310 v.
Chr. umgestaltet, aber auch solche, die erst gerade neu geschaffen worden waren.
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen. Das Grabrelief eines gewissen Tiyphon ist
46
während der Nutzung der Grabbezirke im 4. Jh. v. Chr. statt. Ein Viertel aller atti-
schen Grabreliefs des späten 5. und 4.Jh. v. Chr. wurden in diesem Sinne im Laufe
von zwei bis drei Generationen verändert. Es handelt sich um eine kontinuierliche
Weiternutzung der Grabmäler.
Gegen 310 v. Chr. aber, nach etwa 120 Jahren, verboten die Athener die
Aufstellung solcher luxuriösen Grabmäler. Nur noch schlichte, gleichförmige
Markierungen wie kleine Steinstelen, Säulchen oder tischartige Steinblöcke mit
Namensinschrift, aber ohne Figuralreliefs, blieben erlaubt. In den Nekropolen des
demokratischen Athen sollte, so eine gängige Erklärung des Gesetzes, demokra-
tische Gleichheit herrschen. Die Produktion von Grabreliefs in Athen kam zum
Ende.
Im Kerameikos bestattete man jedoch weiterhin; auch die alten Grabmäler
blieben dort stehen. Sogar ihre Weiternutzung endete 310 v. Chr. noch nicht. Man
fügte weiterhin Namensinschriften zu, teilweise nun aber viele Jahrzehnte nach
der Erstaufstellung und nicht im alten Familienverbund. Auch Umarbeitungen der
Relieffiguren fanden statt. Ein Grabrelief aus Athen, das gegen 350/40 v. Chr. viel-
leicht für den verstorbenen Komödiendichter Epigenes geschaffen wurde (Abb. 1),
ist ein Beispiel dafür. Bearbeitungsspuren lassen erkennen, dass dem Kopf ein Bart
zugefügt und das Gesicht neu ausgearbeitet wurde. Es ist schwer diese Umarbei-
tung zu datieren. Der Stil der Gesichts- und Bartgestaltung könnten auf die Zeit
um 280 v. Chr. weisen; andere datieren die Spuren erst ins 3. Jh. n. Chr., also mehr
als 500 Jahre später. Aber wäre dies tatsächlich möglich?
Nach einer neuen Durchsicht der Befunde aus Athen können wir jetzt sagen,
dass sichere Belege für so späte Wiederverwendungen vorliegen. Wir kennen at-
tische Grabreliefs mit Figurentypen im Stil des 4. Jh. v. Chr., aber auch römisch-
kaiserzeitlichen Inschriften und umgearbeiteten Attributen oder Köpfen (Abb. 2).
Vielfach lassen die Modefrisuren eine Datierung in das 1. oder 2. Jh. n. Chr. zu.
Solche Umarbeitungen nach Jahrhunderten sind kaum als Weiternutzung durch
dieselbe Familie erklärbar. Vielmehr wurden die alten Reliefs für Mitglieder an-
derer Familien neu- oder wiederverwendet. Dies ist in bisher 20 Fällen unter den
insgesamt ca. 2000 Grabreliefs der Zeit bis 310 v. Chr. nachzuweisen - einige mehr
aus anderen Regionen Griechenlands. Sogar als es in Athen spätestens in der frü-
hen römischen Kaiserzeit wieder erlaubt war, neue - vielfach anders aussehende
- Grabreliefs her- und aufzustellen, endete die Wiedernutzung von älteren nicht.
Unter den erhaltenen kaiserzeitlich aufgestellten Grabreliefs aus Athen - mehr als
500 Stück - zählt man etwa 2 % umgearbeitete ältere. Die späte Wiederverwen-
dung war also kein Massenphänomen, aber auch keine Ausnahme.
Die Praxis hatte zur Folge, dass in der römischen Kaiserzeit in den Nekro-
polen Athens uralte Reliefs unverändert standen, daneben solche, die seit 310 v.
Chr. umgestaltet, aber auch solche, die erst gerade neu geschaffen worden waren.
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen. Das Grabrelief eines gewissen Tiyphon ist
46