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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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II. Wissenschaftliche Vorträge

Scholl, A., Nicht Aristophanes, sondern Epigenes. Das Lyme-Park-Relief und die Darstel-
lung von Dichtern und Schauspielern auf attischen Grabdenkmälern, Jahrbuch des Deut-
schen Archäologischen Instituts 110, 1995, 213-238.
von den Hoff, R., Attische Grabreliefs des späten 5. und 4. Jhs. v. Chr. als Bildnismedium,
in: Böschung, D./Queyrel, F. (Hrsg.), Das Porträt als Massenphänonien, Leiden 2019, 23-74.
von Moock, D., Die figürlichen Grabstelen Attikas in der Kaiserzeit. Studien zur Verbreitung, Chro-
nologie, Typologie und Ikonographie, Mainz 1998.
Jonas Grethlein
„Die (Altertums-)Wissenschaften und die Herausforderung der
Identitätspolitik"
Gesamtsitzung am 21. Januar 2023
Wissenschaft ist zuletzt emphatisch gesellschaftspolitische Relevanz zugesprochen
worden. Während der Corona-Pandemie stützte sich die Bundesregierung immer
wieder auf das Urteil von Wissenschaftlern; bereits davor hatte der erstarkende
Populismus wissenschaftlicher Expertise eine Konjunktur als Mittel gegen post-
faktische Politik verschafft. Zugleich wird Wissenschaft herausgefordert durch die
Identitätspolitik, die sie weniger als Produzent von Erkenntnis denn als ein Mittel
politischer Gerechtigkeit sieht. Die identitätspolitische Debatte ist hierbei keines-
wegs auf die Geisteswissenschaften beschränkt. Auch in den Naturwissenschaften
hat die kritische Rassentheorie zu Forderungen geführt, die Geschichte der Diszi-
plinen aufzuarbeiten und in der Gegenwart für eine stärkere Repräsentation von
Minderheiten zu sorgen. Die wissenschaftliche Methodologie selbst ist betroffen,
wenn der Clinical Trial Diversity Act, vom US Congress 2022 verabschiedet, Anfor-
derungen an die ethnische Diversität der Probanden in klinischen Studien stellt.
Besondere Heftigkeit hat die identitätspolitische Debatte zuletzt in den ang-
lophonen Altertumswissenschaften, den Classics, gewonnen. Der wohl prominen-
teste Kritiker, Dan-el Padilla Peralta (Princeton), forderte vehement epistemische
Gerechtigkeit: Vor allem ,people of color' sollten das Recht zu publizieren haben.
Außerdem nahm er für sich in Anspruch, aufgrund seiner Erfahrungen als Farbi-
ger neue Perspektiven auf die Antike gewinnen zu können. Konnte die Debatte in
Großbritannien Fuß fassen, so stieß sie in Deutschland eher auf Unverständnis.
Der Vergleich mit Deutschland zeigt, warum die identitätspolitische Debatte in
den angelsächsischen Ländern so explosiv ist: Die Classics haben einen anderen
Status als die Altertumswissenschaften, die Antike ist - das illustrieren etwa die
zahlreichen ,re-tellings' antiker Mythen in der Gegenwartsliteratur - in den USA
und Großbritannien deutlich präsenter. Nicht zuletzt der elitäre Status der alten
Sprachen in Großbritannien und rechte ideologische Aneignungen der Antike in
den USA haben die Classics zu einem identitätspolitischen Schlachtfeld gemacht.

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