Wie Götter heiraten: Tempelrituale im südindischen Hinduismus
zung und systematischen Erfassung der mittelalterlichen Glasmalerei, die heute
durch das internationale akademische Vorhaben Corpus Vitrearum Medii Aevi
getragen wird.
Dr. Elena Kosina ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Corpus Vitrearum Deutsch-
land (Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften Mainz). Seit 2018 übernimmt sie regel-
mäßige Lehraufträge am KHI der Universität Bonn. Nach der Publikation des CVMA-
Bandesfür Niedersachsen ist sie mit der Erfassung der Glasmalereien in Rheinland-Pfalz und
im Saarland für das CVMA betraut.
„Wie Götter heiraten: Tempelrituale im südindischen Hinduismus"1
Mitarbeitervortrag von Prof. Dr. Ute Hüsken am 18. Juli 2023
In der südindischen Pilgerstadt Kanchipuram sind die Lebenswelten der Götter
und der Menschen aufs Engste verwoben. Die Götter des hinduistischen Panthe-
ons wohnen in den Himmeln, manifestieren sich aber auch auf der von Menschen
bewohnten Erde, wo sie in verschiedenen Formen in Tempeln und Schreinen re-
sidieren. Köyil, das tamilische Wort für Tempel, bezeichnet sowohl die Residenz
eines Königs als auch die eines Gottes oder einer Göttin.2 Damit ist ein wich-
tiger Aspekt des Verhältnisses der Menschen zu den Göttern umrissen, denn in
den Tempeln werden die Götter (manifest in Statuen aus Stein und Metall) als
Herrscher verstanden und auch so behandelt: Sie werden mit den besten Speisen
versorgt, sie erhalten königliche Kleidung und sie nehmen - vermittelt durch die
Priester - die Gaben der Gläubigen an, die als Bittsteller zu ihnen in die Tempel
kommen. Die Bedürfnisse der Götter sind denen der Menschen sehr ähnlich.
Manche Orte eignen sich besonders als Wohnstatt der Götter. Einer dieser
Orte im Süden Indiens ist Kanchipuram, eine der sog. „sieben heiligen Städte"
Indiens, der eine besondere Rolle hinsichtlich der Erlösung (moksa) aus dem
Daseinskreislauf {samsära) im Hinduismus zugeschrieben wird. In den Tempeln
dieser Stadt besteht eine besondere Verbindung zwischen der Götterwelt und
der Menschenwelt: Der Ort gilt als besonders heilswirksam. Diese dem Ort in-
newohnende Kraft wird aus dem Handeln der Götter an eben diesem Ort ab-
1 Das Material stammt aus dem Forschungsprojekt „Hinduistische Tempellegenden in Südindi-
en" (siehe www.hadw-bw.de/forschung/forschungsstelle/hinduistische-tempellegenden-suedin-
dien; siehe auch Tätigkeitsbericht und Projektvorstellung des Projekts [S. 80 ff und S. 330 ff] in
diesem Jahrbuch) und viele Details dieses kurzen Artikels beruhen auf Vorarbeiten, die an der
Universität Oslo von meiner Doktorandin Kerstin Schier getätigt und von ihr in The Godess's
Embrace (Ethno-Indology 15; Wiesbaden: Harrassowitz 2018) publiziert wurden.
2 Tamil ist die Regionalsprache im südlichsten Bundesstaat Indiens, Tamil Nadu, deren Vor-
läufer in ihrem Alter dem Sanskrit wohl in nichts nachsteht. Viele der im Akademieprojekt
behandelte Texte sind in klassischem Tamil verfasst.
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zung und systematischen Erfassung der mittelalterlichen Glasmalerei, die heute
durch das internationale akademische Vorhaben Corpus Vitrearum Medii Aevi
getragen wird.
Dr. Elena Kosina ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Corpus Vitrearum Deutsch-
land (Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften Mainz). Seit 2018 übernimmt sie regel-
mäßige Lehraufträge am KHI der Universität Bonn. Nach der Publikation des CVMA-
Bandesfür Niedersachsen ist sie mit der Erfassung der Glasmalereien in Rheinland-Pfalz und
im Saarland für das CVMA betraut.
„Wie Götter heiraten: Tempelrituale im südindischen Hinduismus"1
Mitarbeitervortrag von Prof. Dr. Ute Hüsken am 18. Juli 2023
In der südindischen Pilgerstadt Kanchipuram sind die Lebenswelten der Götter
und der Menschen aufs Engste verwoben. Die Götter des hinduistischen Panthe-
ons wohnen in den Himmeln, manifestieren sich aber auch auf der von Menschen
bewohnten Erde, wo sie in verschiedenen Formen in Tempeln und Schreinen re-
sidieren. Köyil, das tamilische Wort für Tempel, bezeichnet sowohl die Residenz
eines Königs als auch die eines Gottes oder einer Göttin.2 Damit ist ein wich-
tiger Aspekt des Verhältnisses der Menschen zu den Göttern umrissen, denn in
den Tempeln werden die Götter (manifest in Statuen aus Stein und Metall) als
Herrscher verstanden und auch so behandelt: Sie werden mit den besten Speisen
versorgt, sie erhalten königliche Kleidung und sie nehmen - vermittelt durch die
Priester - die Gaben der Gläubigen an, die als Bittsteller zu ihnen in die Tempel
kommen. Die Bedürfnisse der Götter sind denen der Menschen sehr ähnlich.
Manche Orte eignen sich besonders als Wohnstatt der Götter. Einer dieser
Orte im Süden Indiens ist Kanchipuram, eine der sog. „sieben heiligen Städte"
Indiens, der eine besondere Rolle hinsichtlich der Erlösung (moksa) aus dem
Daseinskreislauf {samsära) im Hinduismus zugeschrieben wird. In den Tempeln
dieser Stadt besteht eine besondere Verbindung zwischen der Götterwelt und
der Menschenwelt: Der Ort gilt als besonders heilswirksam. Diese dem Ort in-
newohnende Kraft wird aus dem Handeln der Götter an eben diesem Ort ab-
1 Das Material stammt aus dem Forschungsprojekt „Hinduistische Tempellegenden in Südindi-
en" (siehe www.hadw-bw.de/forschung/forschungsstelle/hinduistische-tempellegenden-suedin-
dien; siehe auch Tätigkeitsbericht und Projektvorstellung des Projekts [S. 80 ff und S. 330 ff] in
diesem Jahrbuch) und viele Details dieses kurzen Artikels beruhen auf Vorarbeiten, die an der
Universität Oslo von meiner Doktorandin Kerstin Schier getätigt und von ihr in The Godess's
Embrace (Ethno-Indology 15; Wiesbaden: Harrassowitz 2018) publiziert wurden.
2 Tamil ist die Regionalsprache im südlichsten Bundesstaat Indiens, Tamil Nadu, deren Vor-
läufer in ihrem Alter dem Sanskrit wohl in nichts nachsteht. Viele der im Akademieprojekt
behandelte Texte sind in klassischem Tamil verfasst.
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