II. Wissenschaftliche Vorträge
An der Schnittstelle von Quantenmechanik und Gravitation
Niemand hat die moderne Physik so stark beeinflusst wie Einstein. Neben der
speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie ist auch das Phänomen der Bo-
se-Einstein-Kondensation eng mit seinem Namen verbunden.
Die Wellennatur der Schwerpunktsbewegung von Atomen in einem Gas er-
möglicht einen neuen Zustand der Materie. So überlagern sich unterhalb einer
kritischen Temperatur Materiewellen kohärent, und eine makroskopische Wellen-
funktion entsteht. Die Atome marschieren sozusagen im Gleichschritt.
Diese Vorhersage von Satyendranath Bose aus dem Jahr 1924 wurde von
Einstein eiweitert, aber erst in der Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts
experimentell verifiziert. Inzwischen gibt es Bose-Einstein-Kondensate von zahl-
reichen Atomsorten weltweit in vielen Laboren. Dieser Zustand von Atomen ist
vergleichbar mit dem von Lichtquanten beim Laser. Ähnlich, wie dieser zahlreiche
Bereiche der Physik revolutioniert hat, finden Bose-Einstein-Kondensate als kohä-
rente Materiewellen einen breiten Einsatz.
Eine äußerst interessante Entwicklung ist deren Nutzung zu Tests der allge-
meinen Relativitätstheorie. Ein Grundpfeiler dieser Theorie ist das Äquivalenz-
prinzip. Einstein selbst schreibt dazu 1922:
Ich saß auf meinem Stuhl im Patentamt in Bern. Plötzlich hatte ich einen Einfall:
Wenn sich eine Person im freien Fall befindet, wird sie ihr eigenes Gewicht nicht
spüren. Ich war verblüfft. Dieses einfache Gedankenexperiment machte auf mich
einen tiefen Eindruck. Es führte mich zu einer Theorie der Gravitation.
Einsteins Annahme der Äquivalenz von schwerer und träger Masse macht die
Gravitation zu einer rein geometrischen Theorie der Raumzeit. Diese wird von
den Massen aufgespannt, und bestimmt deren Bewegung. Wheeler fasste diesen
zentralen Gedanken der Gravitation in dem prägnanten Satz
Matter teils spacetime how to curve. Spacetime teils matter how to move.
zusammen.
Eine Verletzung dieser Massen-Äquivalenz würde unweigerlich eine drama-
tische Änderung der allgemeinen Relativitätstheorie erzwingen. Deshalb wurden
auch zahlreiche Experimente zum Test des Äquivalenzprinzips sowohl mit makro-
skopischen Körpern als auch seit Kurzem mit Bose-Einstein-Kondensaten durch-
geführt, die diese mit einer hohen Genauigkeit bestätigt haben.
Quantenmaterie unter Schwerelosigkeit
Da Atome im Gegensatz zu den Lichtquanten eine Masse haben, müssen sie, um
Experimente zu ihnen durchführen zu können, in Fallen gespeichert werden. Die-
se verändern jedoch die atomaren Eigenschaften. Deshalb strebt man Experimente
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An der Schnittstelle von Quantenmechanik und Gravitation
Niemand hat die moderne Physik so stark beeinflusst wie Einstein. Neben der
speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie ist auch das Phänomen der Bo-
se-Einstein-Kondensation eng mit seinem Namen verbunden.
Die Wellennatur der Schwerpunktsbewegung von Atomen in einem Gas er-
möglicht einen neuen Zustand der Materie. So überlagern sich unterhalb einer
kritischen Temperatur Materiewellen kohärent, und eine makroskopische Wellen-
funktion entsteht. Die Atome marschieren sozusagen im Gleichschritt.
Diese Vorhersage von Satyendranath Bose aus dem Jahr 1924 wurde von
Einstein eiweitert, aber erst in der Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts
experimentell verifiziert. Inzwischen gibt es Bose-Einstein-Kondensate von zahl-
reichen Atomsorten weltweit in vielen Laboren. Dieser Zustand von Atomen ist
vergleichbar mit dem von Lichtquanten beim Laser. Ähnlich, wie dieser zahlreiche
Bereiche der Physik revolutioniert hat, finden Bose-Einstein-Kondensate als kohä-
rente Materiewellen einen breiten Einsatz.
Eine äußerst interessante Entwicklung ist deren Nutzung zu Tests der allge-
meinen Relativitätstheorie. Ein Grundpfeiler dieser Theorie ist das Äquivalenz-
prinzip. Einstein selbst schreibt dazu 1922:
Ich saß auf meinem Stuhl im Patentamt in Bern. Plötzlich hatte ich einen Einfall:
Wenn sich eine Person im freien Fall befindet, wird sie ihr eigenes Gewicht nicht
spüren. Ich war verblüfft. Dieses einfache Gedankenexperiment machte auf mich
einen tiefen Eindruck. Es führte mich zu einer Theorie der Gravitation.
Einsteins Annahme der Äquivalenz von schwerer und träger Masse macht die
Gravitation zu einer rein geometrischen Theorie der Raumzeit. Diese wird von
den Massen aufgespannt, und bestimmt deren Bewegung. Wheeler fasste diesen
zentralen Gedanken der Gravitation in dem prägnanten Satz
Matter teils spacetime how to curve. Spacetime teils matter how to move.
zusammen.
Eine Verletzung dieser Massen-Äquivalenz würde unweigerlich eine drama-
tische Änderung der allgemeinen Relativitätstheorie erzwingen. Deshalb wurden
auch zahlreiche Experimente zum Test des Äquivalenzprinzips sowohl mit makro-
skopischen Körpern als auch seit Kurzem mit Bose-Einstein-Kondensaten durch-
geführt, die diese mit einer hohen Genauigkeit bestätigt haben.
Quantenmaterie unter Schwerelosigkeit
Da Atome im Gegensatz zu den Lichtquanten eine Masse haben, müssen sie, um
Experimente zu ihnen durchführen zu können, in Fallen gespeichert werden. Die-
se verändern jedoch die atomaren Eigenschaften. Deshalb strebt man Experimente
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