15. Wissensnetze in der mittelalterlichen Romania (ALMA)
vom Lateinischen als vorherrschender Schriftsprache zu den Volkssprachen als
neuem Kommunikationsmedium. Dieser Sprachwechsel ist nicht nur in soziohis-
torischer und gattungsgeschichtlicher Hinsicht komplex. Mit dem Wechsel sind
auch sprachliche Innovationen verknüpft, durch die die Volkssprachen den Status
von Wissen(schaft)ssprachen erlangen. Mit dem neuen Medium bilden sich neue
Expertengruppen heraus, neue Wege der Wissensgenerierung und der Wissenstra-
dierung entstehen. Der Wechsel zu den Volkssprachen ist deshalb Stimulans und
gleichzeitig Indiz, dass neue Gruppen Zugang zum Wissen haben und Wissensver-
mittlung einen anderen gesellschaftlichen Platz erhält.
Das Projekt untersucht die Herausbildung der Wissen(schaft)ssprachen und
Wissensnetze der mittelalterlichen (Gallo- und Italo-)Romania exemplarisch an
den Domänen ,Medizin' und ,Recht'. Dabei konzentriert sich die Heidelberger
Forschungsstelle mit Texten von ca. 1100 bis ca. 1500 auf die mittelalterlichen Va-
rietäten des Französischen, die Münchner Forschungsstelle (BAdW) auf die des
Okzitanischen und Gaskognischen und die Saarbrücker Forschungsstelle (ADW
Mainz) auf die des Italienischen. Durch die Kombination der qualitativ-herme-
neutischen Verfahren der Textphilologie und der historischen Linguistik mit den
Technologien der Digital Humanities und des Ontology Engineerings sollen neue
Erkenntnisse zu den sprachlich-begrifflichen Prozessen ermöglicht werden, die
den Ausbau zu einer Wissenssprache kennzeichnen.
Zwei historisierte Domänenontologien, die die Konzepte der mittelalter-
lichen Heilkunde und die des mittelalterlichen Rechts und der Rechtsprechung
sprachunabhängig modellieren, entstehen parallel zu den Wortschatzstudien und
werden als alleinstehende Semantic-Web-Ressourcen für die Nutzung durch die
wissenschaftliche Gemeinschaft bereitgestellt.
Die Erstellung des Textkorpus mit alt- und mittelfranzösischen Texten ging
2023 sehr gut voran. Die Textedition eines frauenheilkundlichen Traktats, eine
anglonormannische Übersetzung (datiert 1. Drittel des 13. Jh.) des lateinischen
Originals Liber de sinthomatibus mulierum von einer der wenigen Autorinnen des
Mittelalters, Trotula von Salerno, ist bereits fertiggestellt: Entstanden ist eine digi-
tale Edition in XML/TEI mit einer Basishandschrift (7 Folios) und zwei Varianten-
handschriften sowie einer ausführlichen Einleitung.
Diese Edition (erstellt durch Viola Mariotti) dient als Modelledition für die
zukünftigen Texteditionen aller drei Forschungsstellen.
Eine zweite Edition eines medizinischen Textes ist in Arbeit: der Livre des sim-
ples medecines (16 Folios), eine ebenfalls anglonormannische Übersetzung (datiert
13. Jh.) des lateinischen Textes Circa Instans/De simplicibus medicinis, die Matthaeus
Platearius zugeschrieben wird, gleichfalls ein Arzt der Medizinschule von Saler-
no.
339
vom Lateinischen als vorherrschender Schriftsprache zu den Volkssprachen als
neuem Kommunikationsmedium. Dieser Sprachwechsel ist nicht nur in soziohis-
torischer und gattungsgeschichtlicher Hinsicht komplex. Mit dem Wechsel sind
auch sprachliche Innovationen verknüpft, durch die die Volkssprachen den Status
von Wissen(schaft)ssprachen erlangen. Mit dem neuen Medium bilden sich neue
Expertengruppen heraus, neue Wege der Wissensgenerierung und der Wissenstra-
dierung entstehen. Der Wechsel zu den Volkssprachen ist deshalb Stimulans und
gleichzeitig Indiz, dass neue Gruppen Zugang zum Wissen haben und Wissensver-
mittlung einen anderen gesellschaftlichen Platz erhält.
Das Projekt untersucht die Herausbildung der Wissen(schaft)ssprachen und
Wissensnetze der mittelalterlichen (Gallo- und Italo-)Romania exemplarisch an
den Domänen ,Medizin' und ,Recht'. Dabei konzentriert sich die Heidelberger
Forschungsstelle mit Texten von ca. 1100 bis ca. 1500 auf die mittelalterlichen Va-
rietäten des Französischen, die Münchner Forschungsstelle (BAdW) auf die des
Okzitanischen und Gaskognischen und die Saarbrücker Forschungsstelle (ADW
Mainz) auf die des Italienischen. Durch die Kombination der qualitativ-herme-
neutischen Verfahren der Textphilologie und der historischen Linguistik mit den
Technologien der Digital Humanities und des Ontology Engineerings sollen neue
Erkenntnisse zu den sprachlich-begrifflichen Prozessen ermöglicht werden, die
den Ausbau zu einer Wissenssprache kennzeichnen.
Zwei historisierte Domänenontologien, die die Konzepte der mittelalter-
lichen Heilkunde und die des mittelalterlichen Rechts und der Rechtsprechung
sprachunabhängig modellieren, entstehen parallel zu den Wortschatzstudien und
werden als alleinstehende Semantic-Web-Ressourcen für die Nutzung durch die
wissenschaftliche Gemeinschaft bereitgestellt.
Die Erstellung des Textkorpus mit alt- und mittelfranzösischen Texten ging
2023 sehr gut voran. Die Textedition eines frauenheilkundlichen Traktats, eine
anglonormannische Übersetzung (datiert 1. Drittel des 13. Jh.) des lateinischen
Originals Liber de sinthomatibus mulierum von einer der wenigen Autorinnen des
Mittelalters, Trotula von Salerno, ist bereits fertiggestellt: Entstanden ist eine digi-
tale Edition in XML/TEI mit einer Basishandschrift (7 Folios) und zwei Varianten-
handschriften sowie einer ausführlichen Einleitung.
Diese Edition (erstellt durch Viola Mariotti) dient als Modelledition für die
zukünftigen Texteditionen aller drei Forschungsstellen.
Eine zweite Edition eines medizinischen Textes ist in Arbeit: der Livre des sim-
ples medecines (16 Folios), eine ebenfalls anglonormannische Übersetzung (datiert
13. Jh.) des lateinischen Textes Circa Instans/De simplicibus medicinis, die Matthaeus
Platearius zugeschrieben wird, gleichfalls ein Arzt der Medizinschule von Saler-
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