D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
wesen. Auf der Basis der nicht erst von den mittelalterlichen Zeitgenossen reflek-
tierten Einsicht, dass Schrift ganz grundlegend dazu geeignet sei, das Geschriebene
vor dem Vergessen zu bewahren, entwickelte er die Theorie, dass sich insbeson-
dere im mittelalterlichen Religiosentum und seinem normativen Schrifttum ein
langfristiger Wandel vom retrospektiven zum prospektiven Schriftgebrauch voll-
zogen habe. Nachdem sie systematisch die Berührungspunkte und Schnittmen-
gen zwischen der mediävistischen Ordensgeschichte und Realienkunde ausgelotet
hatte, formulierte ELISABETH GRUBER (Krems/Salzburg) in ihrem Beitrag ein
Plädoyer für ein anhaltendes und vertieftes Gespräch zwischen diesen beiden Sub-
disziplinen der (historischen) Mittelalterforschung. So könne und müsse auch bei
der Erforschung der Geschichte von Klöstern und Orden das zwischen Objekten
zutage tretende Beziehungsgeflecht und die semantische Aufladung von Dingen
stärker berücksichtigt werden.
Die zweite Sektion der Tagung widmete sich dem Thema bzw. Ansatz der Pra-
xeologie und somit dem Umgang der mittelalterlichen Religiösen mit schrift- und
bedeutungstragenden Artefakten und mit deren Integration in spezifische Hand-
lungskontexte. Den Aufschlag lieferte CHRISTEIN KLEINJUNG (Potsdam), die
in ihrem Vortrag die Schlüsselrolle von Gaben und Legaten für die Etablierung
und Aufrechterhaltung von sozialen Bindungen und Verwandtschaften zwischen
Religiösen fokussierte. Dabei konnte sie herausstellen, dass die mithilfe von ma-
teriellen Objekten stabilisierten sozialen Verhältnisse nicht nur temporär die sozi-
ale Kohäsion im Kloster stärkten, sondern zudem über Generationen hinweg und
mitunter auch über die Existenz des Klosters hinaus Zusammenhalt zwischen den
Religiösen garantierten. SABINE MIESGANG (Wien/Salzburg) untersuchte dar-
aufhin die Einbettung von Inschriften in die Praxis der Leopoldspilgerfahrt im Re-
gularkanonikerstift Klosterneuburg bei Wien, wobei sie nachweisen konnte, dass
die Kammer mit dem Grab des Babenberger Markgrafen im Sinne des Tagungs-
themas als veritabler Schriftraum einzustufen ist, der intensiv mit (ephemeren)
epigraphischen Zeugnissen auf die religiöse Erfahrung der Gläubigen einwirkte.
Ein ganz essentielles Thema behandelte JÜRGEN BÄRSCH (Eichstätt) in sei-
nem Vortrag zur Einbindung von Schriftmedien in die mittelalterliche Kloster-
liturgie. In dieser seien die heilsmediale Rolle der Heiligen Schrift und das Buch
als materieller Verweiskörper der Anwesenheit Gottes haptisch greifbar. Weniger
der sinnlich erfahrbaren als der erzählten Inschriftlichkeit widmete sich DENNIS
DISSELHOFF (Magdeburg) in seinem Vortrag zur eingeschriebenen Memoria
in visionären Inschriften, wie sie sich in den Texten der Helftaer Nonnen Mecht-
hild von Magdeburg und Mechthild von Helfta finden. Den ersten Konferenztag
beschloss EVA SCHLOTHEUBER (Düsseldorf) mit ihrem öffentlichen Abend-
vortrag zu den bestickten Bild- und Schriftteppichen niederdeutscher Frauenstifte.
Auch im Sinne einer Warnung vor einer den Blick verstellenden Klerikalisierung
der Ordensforschung illustrierte sie, wie etwa die berühmten Lüner Wollteppiche
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wesen. Auf der Basis der nicht erst von den mittelalterlichen Zeitgenossen reflek-
tierten Einsicht, dass Schrift ganz grundlegend dazu geeignet sei, das Geschriebene
vor dem Vergessen zu bewahren, entwickelte er die Theorie, dass sich insbeson-
dere im mittelalterlichen Religiosentum und seinem normativen Schrifttum ein
langfristiger Wandel vom retrospektiven zum prospektiven Schriftgebrauch voll-
zogen habe. Nachdem sie systematisch die Berührungspunkte und Schnittmen-
gen zwischen der mediävistischen Ordensgeschichte und Realienkunde ausgelotet
hatte, formulierte ELISABETH GRUBER (Krems/Salzburg) in ihrem Beitrag ein
Plädoyer für ein anhaltendes und vertieftes Gespräch zwischen diesen beiden Sub-
disziplinen der (historischen) Mittelalterforschung. So könne und müsse auch bei
der Erforschung der Geschichte von Klöstern und Orden das zwischen Objekten
zutage tretende Beziehungsgeflecht und die semantische Aufladung von Dingen
stärker berücksichtigt werden.
Die zweite Sektion der Tagung widmete sich dem Thema bzw. Ansatz der Pra-
xeologie und somit dem Umgang der mittelalterlichen Religiösen mit schrift- und
bedeutungstragenden Artefakten und mit deren Integration in spezifische Hand-
lungskontexte. Den Aufschlag lieferte CHRISTEIN KLEINJUNG (Potsdam), die
in ihrem Vortrag die Schlüsselrolle von Gaben und Legaten für die Etablierung
und Aufrechterhaltung von sozialen Bindungen und Verwandtschaften zwischen
Religiösen fokussierte. Dabei konnte sie herausstellen, dass die mithilfe von ma-
teriellen Objekten stabilisierten sozialen Verhältnisse nicht nur temporär die sozi-
ale Kohäsion im Kloster stärkten, sondern zudem über Generationen hinweg und
mitunter auch über die Existenz des Klosters hinaus Zusammenhalt zwischen den
Religiösen garantierten. SABINE MIESGANG (Wien/Salzburg) untersuchte dar-
aufhin die Einbettung von Inschriften in die Praxis der Leopoldspilgerfahrt im Re-
gularkanonikerstift Klosterneuburg bei Wien, wobei sie nachweisen konnte, dass
die Kammer mit dem Grab des Babenberger Markgrafen im Sinne des Tagungs-
themas als veritabler Schriftraum einzustufen ist, der intensiv mit (ephemeren)
epigraphischen Zeugnissen auf die religiöse Erfahrung der Gläubigen einwirkte.
Ein ganz essentielles Thema behandelte JÜRGEN BÄRSCH (Eichstätt) in sei-
nem Vortrag zur Einbindung von Schriftmedien in die mittelalterliche Kloster-
liturgie. In dieser seien die heilsmediale Rolle der Heiligen Schrift und das Buch
als materieller Verweiskörper der Anwesenheit Gottes haptisch greifbar. Weniger
der sinnlich erfahrbaren als der erzählten Inschriftlichkeit widmete sich DENNIS
DISSELHOFF (Magdeburg) in seinem Vortrag zur eingeschriebenen Memoria
in visionären Inschriften, wie sie sich in den Texten der Helftaer Nonnen Mecht-
hild von Magdeburg und Mechthild von Helfta finden. Den ersten Konferenztag
beschloss EVA SCHLOTHEUBER (Düsseldorf) mit ihrem öffentlichen Abend-
vortrag zu den bestickten Bild- und Schriftteppichen niederdeutscher Frauenstifte.
Auch im Sinne einer Warnung vor einer den Blick verstellenden Klerikalisierung
der Ordensforschung illustrierte sie, wie etwa die berühmten Lüner Wollteppiche
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