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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
satorischen Erwerbungen geht über sehr weite Räume, ja zum Teil über die Erde, aber
ohne Wissen der Menschen.
Im Vorgeschichtlichen gibt es die Kulturprozesse, die hier und da als eigentümli-
che wahrnehmbar sind, die im Keim schon vorwegzunehmen scheinen, was in ge-
100 schichtlichen Kulturen statt | findet. Der Unterschied bleibt, daß sie nicht zur Ge-
schichte kommen, bei der Berührung mit geschichtlichen Völkern schnell zu Grunde
gehen, in sich beschränkt zwar erstaunliche Leistungen vollbringen, aber wie im Un-
tergrund des Naturdaseins des Menschen gebunden sind und stets nahe daran sind,
in ihn zurückzugleiten.
Kulturen der Naturvölker waren über die gesamte Erde verbreitet. Wo immer man
ein Volk kennenlernt, spricht ein eigentümlicher Geist, selbst bei den tiefstehenden
Zwergvölkern, Buschmännern, dann bei den nördlichen Völkern, wie den Eskimos,
großartig bei den Polynesiern.
Die amerikanischen Völker in Mexiko und Peru erlauben schon Vergleiche mit
Babylon und Ägypten.
2) In der zweiten Phase gehen die wenigen, jetzt sich entfaltenden großen Kultur-
entwicklungen, trotz gelegentlicher Berührung, nebeneinander her. Es sind getrennte
Geschichten.
Die Einheit dieser Geschichtsverläufe ist nur eine Idee. Keineswegs wird alles über-
all gekannt und wirksam. Im Gegenteil: das Sublimste und Bedeutendste bleibt begrenzt
auf enge Bezirke und Zeiten. Es blüht, versinkt und scheint für lange, vielleicht für im-
mer in Vergessenheit zu geraten. Es ist keine Verläßlichkeit der Überlieferung. Zwar
scheint alles für seinen Kulturbereich in eine Kontinuität der Mitteilung zu treten, es
breitet sich aus und bleibt, aber gerät bald an eine Grenze des Abebbens und Aufhörens.
Und doch entsteht im Sinne der geistigen Bedeutung auf bestimmten, relativ klei-
nen Gebieten der Erdoberfläche der eine universale Raum der Gesamtgeschichte, in
dem alles auftritt, was von Menschen gedacht wurde und uns angeht.
Die Entwicklungen gliedern sich. Man sieht die Prozesse, die durch einige Jahrhun-
derte ein Ganzes ausmachen, in der Stilfolge vom Aufblühen bis zum Abschluß in Spät-
zeiten. Man sieht die typischen Generationsfolgen, die zusammen je etwa ein Jahr-
hundert ausmachen (Verbreitung, Vollendung, Zerfall). Man sieht vielleicht auch
einmal einen Spengler'sehen tausendjährigen Prozeß.
Aber immer bleibt weitere Bewegung. Es gibt keine dauernden Spätzeiten, nicht
101 endloses »Fellachendasein«, nicht endgültige | Erstarrung. Immer wieder bricht ein
Neues, Ursprüngliches durch, auch in China und Indien.
Man hat vergeblich versucht, den Gang der Geschichte im Ganzen zu fassen. Wenn
man den Weg von Babylon über Griechen und Römer nach dem Norden sah, sagte man,
der Gang der Geschichte gehe von Osten nach Westen, und machte wohl die Prognose,
daß der Weg in diesem Sinne weiter nach Amerika gehe. Aber in Indien ging der Weg vom
Indusgebiet (frühe Vedenzeit) über das mittlere Gebiet (Upanischadenzeit) zum Ganges
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
satorischen Erwerbungen geht über sehr weite Räume, ja zum Teil über die Erde, aber
ohne Wissen der Menschen.
Im Vorgeschichtlichen gibt es die Kulturprozesse, die hier und da als eigentümli-
che wahrnehmbar sind, die im Keim schon vorwegzunehmen scheinen, was in ge-
100 schichtlichen Kulturen statt | findet. Der Unterschied bleibt, daß sie nicht zur Ge-
schichte kommen, bei der Berührung mit geschichtlichen Völkern schnell zu Grunde
gehen, in sich beschränkt zwar erstaunliche Leistungen vollbringen, aber wie im Un-
tergrund des Naturdaseins des Menschen gebunden sind und stets nahe daran sind,
in ihn zurückzugleiten.
Kulturen der Naturvölker waren über die gesamte Erde verbreitet. Wo immer man
ein Volk kennenlernt, spricht ein eigentümlicher Geist, selbst bei den tiefstehenden
Zwergvölkern, Buschmännern, dann bei den nördlichen Völkern, wie den Eskimos,
großartig bei den Polynesiern.
Die amerikanischen Völker in Mexiko und Peru erlauben schon Vergleiche mit
Babylon und Ägypten.
2) In der zweiten Phase gehen die wenigen, jetzt sich entfaltenden großen Kultur-
entwicklungen, trotz gelegentlicher Berührung, nebeneinander her. Es sind getrennte
Geschichten.
Die Einheit dieser Geschichtsverläufe ist nur eine Idee. Keineswegs wird alles über-
all gekannt und wirksam. Im Gegenteil: das Sublimste und Bedeutendste bleibt begrenzt
auf enge Bezirke und Zeiten. Es blüht, versinkt und scheint für lange, vielleicht für im-
mer in Vergessenheit zu geraten. Es ist keine Verläßlichkeit der Überlieferung. Zwar
scheint alles für seinen Kulturbereich in eine Kontinuität der Mitteilung zu treten, es
breitet sich aus und bleibt, aber gerät bald an eine Grenze des Abebbens und Aufhörens.
Und doch entsteht im Sinne der geistigen Bedeutung auf bestimmten, relativ klei-
nen Gebieten der Erdoberfläche der eine universale Raum der Gesamtgeschichte, in
dem alles auftritt, was von Menschen gedacht wurde und uns angeht.
Die Entwicklungen gliedern sich. Man sieht die Prozesse, die durch einige Jahrhun-
derte ein Ganzes ausmachen, in der Stilfolge vom Aufblühen bis zum Abschluß in Spät-
zeiten. Man sieht die typischen Generationsfolgen, die zusammen je etwa ein Jahr-
hundert ausmachen (Verbreitung, Vollendung, Zerfall). Man sieht vielleicht auch
einmal einen Spengler'sehen tausendjährigen Prozeß.
Aber immer bleibt weitere Bewegung. Es gibt keine dauernden Spätzeiten, nicht
101 endloses »Fellachendasein«, nicht endgültige | Erstarrung. Immer wieder bricht ein
Neues, Ursprüngliches durch, auch in China und Indien.
Man hat vergeblich versucht, den Gang der Geschichte im Ganzen zu fassen. Wenn
man den Weg von Babylon über Griechen und Römer nach dem Norden sah, sagte man,
der Gang der Geschichte gehe von Osten nach Westen, und machte wohl die Prognose,
daß der Weg in diesem Sinne weiter nach Amerika gehe. Aber in Indien ging der Weg vom
Indusgebiet (frühe Vedenzeit) über das mittlere Gebiet (Upanischadenzeit) zum Ganges