Karl Jaspers - Minuit
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Mit meinem neuen Werk »Von der Wahrheit«, das hoffentlich in einigen Mona-
ten in Deutschland (Piper-Verlag, München) erscheint, bin ich frei. Das Übersetzungs-
recht habe ich mir vorbehalten. Es ist ein umfangreiches Werk von etwa 1000 Druck-
seiten. Die Übersetzung würde ich sehr gern in Ihren Händen wissen, wenn Sie ein
so grosses Unternehmen wagen wollen. Die Übersetzung wäre eine bedeutende geis-
tige Leistung. Jedenfalls werde ich das Recht nicht vergeben, ohne mit Ihnen verhan-
delt zu haben.
Das sind die Schwierigkeiten. Zunächst die grösste ist das Gesetz Nr. 53. Sollte ein
Antrag von Ihrer Seite das Hindernis überwinden können, so wäre ich sehr glücklich.
1937 erschien im Verlage Alcan in Paris ein kleines Buch von mir über Descartes.475
Ich weiss nicht, ob es ausverkauft oder was daraus geworden ist. Wenn es möglich
wäre, dass Sie sich über den Verlag Alcan dieser Schrift annehmen könnten, so wäre
ich sehr dankbar. Ich mache keine Ansprüche. Die Übersetzung von Pollnow ist nach
Aussagen guter Sprachkenner ausgezeichnet.
Ich empfinde die hohe Ehre, von Ihnen, dem Verlag der Widerstandsbewegung,
in meinem Werke geschätzt zu werden.476 Umso mehr beklage ich, dass mein Kön-
nen nicht ausreicht, Ihnen dieselbe Freundlichkeit zu erweisen wie Sie mir, indem
Sie mir in deutscher Sprache schreiben, nämlich Ihnen in französischer Sprache zu
antworten.
In ausgezeichneter Hochachtung
220 Karl Jaspers an Jean Brüller (genannt Vercors)
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Heidelberg, 12. 4.1947
Lieber Herr Vercors!
Ich danke Ihnen für Ihre beiden liebenswürdigen Briefe vom 6. 2. und 29. 3.
Um Ihnen die Schwierigkeiten, wie sie konkret liegen, zu zeigen, erlaube ich mir,
Ihnen in der Anlage eine Abschrift des Briefes zu schicken, den ich erhielt von der
amerikanischen Polizeiinstanz, nachdem ich auf deren Aufforderung über alle in
Schwebe befindlichen Übersetzungsverhandlungen berichtet hatte. Die Situation
ist so, dass ich die dort geforderte Lizenz hier faktisch nicht erreichen kann. Sie geht
über die Reichsbank. Dort wird mir ein Formular vorgelegt, das sich auf Geschäfts-
aktionen bezieht, die beschlagnahmtes Vermögen betreffen. Diese Formulare sollen
auch für Fälle wie den Meinigen, d.h. frei[e] Geschäfte, angewandt werden. Ich kann
das Formular sinnvoll nicht ausfüllen, da sich die Fragen auf meinen Gegenstand gar-
nicht beziehen. Ausserdem wird mir gesagt, dass eine Antwort ein halbes Jahr dau-
ert, von Berlin komme und meist abschlägig beschieden werde. Es ist also die Frage,
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Mit meinem neuen Werk »Von der Wahrheit«, das hoffentlich in einigen Mona-
ten in Deutschland (Piper-Verlag, München) erscheint, bin ich frei. Das Übersetzungs-
recht habe ich mir vorbehalten. Es ist ein umfangreiches Werk von etwa 1000 Druck-
seiten. Die Übersetzung würde ich sehr gern in Ihren Händen wissen, wenn Sie ein
so grosses Unternehmen wagen wollen. Die Übersetzung wäre eine bedeutende geis-
tige Leistung. Jedenfalls werde ich das Recht nicht vergeben, ohne mit Ihnen verhan-
delt zu haben.
Das sind die Schwierigkeiten. Zunächst die grösste ist das Gesetz Nr. 53. Sollte ein
Antrag von Ihrer Seite das Hindernis überwinden können, so wäre ich sehr glücklich.
1937 erschien im Verlage Alcan in Paris ein kleines Buch von mir über Descartes.475
Ich weiss nicht, ob es ausverkauft oder was daraus geworden ist. Wenn es möglich
wäre, dass Sie sich über den Verlag Alcan dieser Schrift annehmen könnten, so wäre
ich sehr dankbar. Ich mache keine Ansprüche. Die Übersetzung von Pollnow ist nach
Aussagen guter Sprachkenner ausgezeichnet.
Ich empfinde die hohe Ehre, von Ihnen, dem Verlag der Widerstandsbewegung,
in meinem Werke geschätzt zu werden.476 Umso mehr beklage ich, dass mein Kön-
nen nicht ausreicht, Ihnen dieselbe Freundlichkeit zu erweisen wie Sie mir, indem
Sie mir in deutscher Sprache schreiben, nämlich Ihnen in französischer Sprache zu
antworten.
In ausgezeichneter Hochachtung
220 Karl Jaspers an Jean Brüller (genannt Vercors)
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Heidelberg, 12. 4.1947
Lieber Herr Vercors!
Ich danke Ihnen für Ihre beiden liebenswürdigen Briefe vom 6. 2. und 29. 3.
Um Ihnen die Schwierigkeiten, wie sie konkret liegen, zu zeigen, erlaube ich mir,
Ihnen in der Anlage eine Abschrift des Briefes zu schicken, den ich erhielt von der
amerikanischen Polizeiinstanz, nachdem ich auf deren Aufforderung über alle in
Schwebe befindlichen Übersetzungsverhandlungen berichtet hatte. Die Situation
ist so, dass ich die dort geforderte Lizenz hier faktisch nicht erreichen kann. Sie geht
über die Reichsbank. Dort wird mir ein Formular vorgelegt, das sich auf Geschäfts-
aktionen bezieht, die beschlagnahmtes Vermögen betreffen. Diese Formulare sollen
auch für Fälle wie den Meinigen, d.h. frei[e] Geschäfte, angewandt werden. Ich kann
das Formular sinnvoll nicht ausfüllen, da sich die Fragen auf meinen Gegenstand gar-
nicht beziehen. Ausserdem wird mir gesagt, dass eine Antwort ein halbes Jahr dau-
ert, von Berlin komme und meist abschlägig beschieden werde. Es ist also die Frage,