56o
Karl Jaspers - Julius Hoenig
Die Besprechungen sind sehr verschieden ausgefallen. Manche sehr positiv und
wohlmeinend, ohne das Werk jedoch auch richtig verstanden zu haben, manche mit
scharfen Angriffen, meistens von Seiten der Psychoanalytiker. Dazwischen auch ei-
nige gute Besprechungen, die das Buch dem Leserkreis richtig vorstellen.
Der amerikanische Empfang des Buches hat mich nicht überrascht. Die Psychiatrie
dort (und zu einem gewissen Grade auch hier) ist trotz des grossen Einflusses, den sie
im Gesellschaftsleben zu haben scheint, in einem Zustand der Verwahrlosung. Psy-
choanalyse ist alles, Freud ist ein Heiliger; ihn zu kritisieren, wird als eine Taktlosigkeit
empfunden. Das ist ein steiniger Boden, der erst vorbereitet werden muss, bevor die
>Psychopathologie< Wurzeln fassen kann. Das wird wohl nicht über Nacht geschehen.
Von Zeit zu Zeit treffe ich amerikanische Psychiater, die sich sehr für Ihre Arbeit
interessieren. Sie sind noch sehr in der Minderheit. Ich wurde aufgefordert, anlässlich
eines bevorstehenden Besuchs in USA dort einige Vorträge zu halten. Die >Psychopa-
thologie< wurde da auch als Thema vorgeschlagen. Ich erwähne das nur, um zu zeigen,
dass schon etwas Interesse besteht, obwohl nur in beschränkten Kreisen.
In Grossbritannien ist das Buch auf fast allen bibliographischen Listen (obligater
Lesestoff) für die Psychiatrische Fachprüfung in den verschiedenen Universitäten zu
finden. Aber auch hier ist das Werk zu wenig verstanden.
Soviel ich weiss, wurden bis jetzt 1100-1200 Exemplare verkauft. Während der
letzten 6 Monate belief sich der Vertrieb auf 3-4 Exemplare im Monat. Vom >Wesen der
Psychotherapie< wurden bis jetzt ca. 1700 Exemplare verkauft. Ich erhielt diese Zah-
len von Mr. Jones, Secretary of the Manchester University Press. Ich finde sie nicht
schlecht.
Lassen Sie mich bitte wissen, falls Sie weitere Information wünschen.
Mit freundlichen Grüssen für Sie und Frau Jaspers,
Ihr
J. Hoenig
57p Karl Jaspers an Julius Hoenig
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Basel, den 29. April 1966
Lieber Herr Doktor Hoenig!
Haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 19. April. Ihr Verlag hat mir,
durch Sie veranlasst, Photokopien der vielen Besprechungen Ihrer Übersetzung ge-
schickt.1334 Ich habe mich dort schon bedankt.1335 Die Besprechungen sind für mich na-
türlich sehr interessant gewesen. Die Ablehnung seitens der Psychoanalytiker ist selbst-
verständlich. Die ungemeine Begeisterung bei einigen andern geht wohl etwas zu weit.
Karl Jaspers - Julius Hoenig
Die Besprechungen sind sehr verschieden ausgefallen. Manche sehr positiv und
wohlmeinend, ohne das Werk jedoch auch richtig verstanden zu haben, manche mit
scharfen Angriffen, meistens von Seiten der Psychoanalytiker. Dazwischen auch ei-
nige gute Besprechungen, die das Buch dem Leserkreis richtig vorstellen.
Der amerikanische Empfang des Buches hat mich nicht überrascht. Die Psychiatrie
dort (und zu einem gewissen Grade auch hier) ist trotz des grossen Einflusses, den sie
im Gesellschaftsleben zu haben scheint, in einem Zustand der Verwahrlosung. Psy-
choanalyse ist alles, Freud ist ein Heiliger; ihn zu kritisieren, wird als eine Taktlosigkeit
empfunden. Das ist ein steiniger Boden, der erst vorbereitet werden muss, bevor die
>Psychopathologie< Wurzeln fassen kann. Das wird wohl nicht über Nacht geschehen.
Von Zeit zu Zeit treffe ich amerikanische Psychiater, die sich sehr für Ihre Arbeit
interessieren. Sie sind noch sehr in der Minderheit. Ich wurde aufgefordert, anlässlich
eines bevorstehenden Besuchs in USA dort einige Vorträge zu halten. Die >Psychopa-
thologie< wurde da auch als Thema vorgeschlagen. Ich erwähne das nur, um zu zeigen,
dass schon etwas Interesse besteht, obwohl nur in beschränkten Kreisen.
In Grossbritannien ist das Buch auf fast allen bibliographischen Listen (obligater
Lesestoff) für die Psychiatrische Fachprüfung in den verschiedenen Universitäten zu
finden. Aber auch hier ist das Werk zu wenig verstanden.
Soviel ich weiss, wurden bis jetzt 1100-1200 Exemplare verkauft. Während der
letzten 6 Monate belief sich der Vertrieb auf 3-4 Exemplare im Monat. Vom >Wesen der
Psychotherapie< wurden bis jetzt ca. 1700 Exemplare verkauft. Ich erhielt diese Zah-
len von Mr. Jones, Secretary of the Manchester University Press. Ich finde sie nicht
schlecht.
Lassen Sie mich bitte wissen, falls Sie weitere Information wünschen.
Mit freundlichen Grüssen für Sie und Frau Jaspers,
Ihr
J. Hoenig
57p Karl Jaspers an Julius Hoenig
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Basel, den 29. April 1966
Lieber Herr Doktor Hoenig!
Haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 19. April. Ihr Verlag hat mir,
durch Sie veranlasst, Photokopien der vielen Besprechungen Ihrer Übersetzung ge-
schickt.1334 Ich habe mich dort schon bedankt.1335 Die Besprechungen sind für mich na-
türlich sehr interessant gewesen. Die Ablehnung seitens der Psychoanalytiker ist selbst-
verständlich. Die ungemeine Begeisterung bei einigen andern geht wohl etwas zu weit.