16 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller
(1835/36), nach Naumburg mitgenommen (vgl. Deussen 1901, 20) und es
dort „tief beeindruckt“ gelesen (Hödl 2000, 200). N. hatte das Buch damals
auch seiner Schwester Elisabeth zur Lektüre aufgedrängt und infolge der
dadurch bedingten gemeinsamen Glaubenszweifel heftige Diskussionen mit
seiner Mutter provoziert (vgl. dazu Janz 1978, Bd. 1, 559; Janz 1997, 175). Am
11. Juni 1865 reflektierte N. selbst die Glaubensproblematik eingehend in einem
Brief an seine Schwester, um abschließend zu konstatieren: „Jeder wahre Glau-
be ist auch untrüglich, er leistet das, was die betreffende gläubige Person darin
zu finden hofft, er bietet aber nicht den geringsten Anhalt zur Begründung
einer objektiven Wahrheit“ (KSB 2, Nr. 469, S. 61). - In N.s Bibliothek befand
sich das Buch Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet (1864), das er
(gemäß NPB 579) allerdings 1875 wieder verkaufte.
Sicherlich wurde N. durch die Lektüre von David Friedrich Strauß in seiner
eigenen Skepsis gegenüber dem christlichen Glauben bestärkt, die bereits kurz
nach seiner Konfirmation eingesetzt hatte. Entsprechenden Einfluss hatte die
Strauß-Rezeption dann für N.s intellektuelle Neuorientierung durch seine Ent-
scheidung gegen das Theologie-Studium, dessen Wahl durch Rücksichtnahme
auf familiäre Erwartungen wohl wesentlich mitbedingt war (Hödl 2000, 201).
An N.s frühen Aufzeichnungen zu Strauß (KGW14, 52-55) ist allerdings auch
noch die Wirkung seiner eigenen akademischen Lehrer in der Theologie der
Universität Bonn zu erkennen, die aufgrund ihrer pietistischen und supranatu-
ralistischen Tendenzen Strauß’ Leben Jesu kritisierten. Im Gegensatz zu Grund-
tendenzen der rationalistischen Theologie vertrat Strauß die Auffassung, es sei
nicht möglich, ein Leben Jesu geschichtlich darzustellen, da anstelle histori-
scher Quellen lediglich mythische Erzählungen vorhanden seien (vgl. Hödl
2000, 200).
Vor diesem Hintergrund wurde bereits mehrfach die These formuliert, die
Strauß-Lektüre habe - über bloße Theologie-Kritik hinaus - eine weitaus grö-
ßere Bedeutung für die intellektuelle Entwicklung N.s gehabt, weil sie ihm fun-
damentale erkenntnistheoretische und methodologische Einsichten vermittelt
habe. Denn durch Strauß’ Positionen sei N. zu seiner grundlegenden Skepsis
gegenüber einer vermeintlich autonomen Objektivität der Wissenschaft ge-
langt, weil ihm dadurch auf exemplarische Weise die Bedeutung erkenntnislei-
tender Interessen bewusst geworden sei (vgl. Figl 1984, 73-93; Hödl 2000,199-
201). Zudem habe N. durch die historisch-kritische Methode der Philologie und
den Mythos-Begriff Möglichkeiten gefunden, seine eigene Abkehr vom Chris-
tentum genauer zu begründen, und sei dadurch auch für die Problematik
sensibilisiert worden, dass Prämissen der Theologie mitunter die Funktion
übernähmen, die Geschichte mit apologetischer Zielsetzung zur Fundierung
dogmatischer Konzepte zu nutzen: „Nietzsche lernt also in den Theologievorle-
(1835/36), nach Naumburg mitgenommen (vgl. Deussen 1901, 20) und es
dort „tief beeindruckt“ gelesen (Hödl 2000, 200). N. hatte das Buch damals
auch seiner Schwester Elisabeth zur Lektüre aufgedrängt und infolge der
dadurch bedingten gemeinsamen Glaubenszweifel heftige Diskussionen mit
seiner Mutter provoziert (vgl. dazu Janz 1978, Bd. 1, 559; Janz 1997, 175). Am
11. Juni 1865 reflektierte N. selbst die Glaubensproblematik eingehend in einem
Brief an seine Schwester, um abschließend zu konstatieren: „Jeder wahre Glau-
be ist auch untrüglich, er leistet das, was die betreffende gläubige Person darin
zu finden hofft, er bietet aber nicht den geringsten Anhalt zur Begründung
einer objektiven Wahrheit“ (KSB 2, Nr. 469, S. 61). - In N.s Bibliothek befand
sich das Buch Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet (1864), das er
(gemäß NPB 579) allerdings 1875 wieder verkaufte.
Sicherlich wurde N. durch die Lektüre von David Friedrich Strauß in seiner
eigenen Skepsis gegenüber dem christlichen Glauben bestärkt, die bereits kurz
nach seiner Konfirmation eingesetzt hatte. Entsprechenden Einfluss hatte die
Strauß-Rezeption dann für N.s intellektuelle Neuorientierung durch seine Ent-
scheidung gegen das Theologie-Studium, dessen Wahl durch Rücksichtnahme
auf familiäre Erwartungen wohl wesentlich mitbedingt war (Hödl 2000, 201).
An N.s frühen Aufzeichnungen zu Strauß (KGW14, 52-55) ist allerdings auch
noch die Wirkung seiner eigenen akademischen Lehrer in der Theologie der
Universität Bonn zu erkennen, die aufgrund ihrer pietistischen und supranatu-
ralistischen Tendenzen Strauß’ Leben Jesu kritisierten. Im Gegensatz zu Grund-
tendenzen der rationalistischen Theologie vertrat Strauß die Auffassung, es sei
nicht möglich, ein Leben Jesu geschichtlich darzustellen, da anstelle histori-
scher Quellen lediglich mythische Erzählungen vorhanden seien (vgl. Hödl
2000, 200).
Vor diesem Hintergrund wurde bereits mehrfach die These formuliert, die
Strauß-Lektüre habe - über bloße Theologie-Kritik hinaus - eine weitaus grö-
ßere Bedeutung für die intellektuelle Entwicklung N.s gehabt, weil sie ihm fun-
damentale erkenntnistheoretische und methodologische Einsichten vermittelt
habe. Denn durch Strauß’ Positionen sei N. zu seiner grundlegenden Skepsis
gegenüber einer vermeintlich autonomen Objektivität der Wissenschaft ge-
langt, weil ihm dadurch auf exemplarische Weise die Bedeutung erkenntnislei-
tender Interessen bewusst geworden sei (vgl. Figl 1984, 73-93; Hödl 2000,199-
201). Zudem habe N. durch die historisch-kritische Methode der Philologie und
den Mythos-Begriff Möglichkeiten gefunden, seine eigene Abkehr vom Chris-
tentum genauer zu begründen, und sei dadurch auch für die Problematik
sensibilisiert worden, dass Prämissen der Theologie mitunter die Funktion
übernähmen, die Geschichte mit apologetischer Zielsetzung zur Fundierung
dogmatischer Konzepte zu nutzen: „Nietzsche lernt also in den Theologievorle-