36 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller
Weil N. in der ersten seiner Unzeitgemässen Betrachtungen einen schon
bald nicht mehr aktuellen theologischen Schriftsteller attackierte und im
12. Kapitel der Schrift durch eine „Sammlung von Stilproben“ (227, 31) minutiös
die sprachlichen Schwächen von Strauß’ ANG geißelte, konzentrierte sich die
öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Skandal, den N. durch die Vehe-
menz seiner Angriffe provozierte: Er bot insbesondere den Zeitungen in Basel
Anlass zu zahlreichen Besprechungen. N. selbst schreibt Carl von Gersdorff am
27. September 1873: „Alle Baseler Zeitungen haben Artikel, zum Theil verschie-
denartige, gebracht, darunter auch einen begeisterten“ (KSB 4, Nr. 316, S. 161);
am 18. Oktober sind es dann „in summa 9 Zeitungsartikel“ (KSB 4, Nr. 318,
S. 165). - Vgl. dazu die detaillierte Dokumentation zur Rezeption von UBI DS
in Hauke Reich 2013, 275-456. - Wie N. am 3. November 1874 seiner Schwester
(KSB 4, Nr. 401, S. 273) und zwölf Tage später auch seinem Freund Erwin Roh-
de (KSB 4, Nr. 403, S. 275) berichtete, war der Absatz der beiden ersten Unzeit-
gemässen Betrachtungen eher schlecht: Von den jeweils 1000 Exemplaren,
die N.s Verleger Fritzsch hatte drucken lassen, konnte sein neuer Verleger
Schmeitzner im Oktober 1874 noch 483 Restexemplare von UB I DS und 778
Exemplare von UB II HL übernehmen (vgl. Schaberg 2002, 60, 70).
Allerdings erhält N. direkt nach der Veröffentlichung seiner Polemik gegen
Strauß mehrere Briefe, die von emphatischer Zustimmung zeugen: So schreibt
Hans von Bülow am 29. August 1873, er habe N.s „treffliche Philippica gegen
den Philister“ David Friedrich Strauß erhalten und „mit wahrem gaudium
durch- und zu Ende gelesen“ (KGB II4, Nr. 453, S. 288). Der Musikkritiker und
Schriftsteller Edouard Schure, der die „Begeisterung für Wagner“ mit N. teilt,
erklärt ihm am 13. August 1873 anlässlich von UB I DS brieflich seine „Freude
über Ihr tapferes und kräftiges Auftreten“, verurteilt ausdrücklich das „altklu-
ge Buch von Strauß“, insbesondere „seine lächerlich-impertinent frivole Wi-
derlegung Schopenhauers“, um dann folgendermaßen fortzufahren: „Sie ha-
ben in der That mit großer Schärfe und aristophanischem Feuer die Skizze
des ,Bildungsphilisters4 der Gegenwart entworfen, wie sie bis jetzt noch nicht
gezeichnet wurde. Ein so schneidendes, ja unerbittliches Gericht über die Lau-
heit, Halbheit und Nüchternheit dieses Zeitalters wirkt schon wie eine Gewit-
terentladung, wie eine Befreiung vom erstickenden Qualm unserer Civilisation.
Es läßt uns durch die reinere Luft ein schöneres Land ahnen“ (KGB II4,
Nr. 452, S. 286-287). Anschließend lobt Schure auch N.s „kühnes, vollkommen
originales und viel bedeutendes Buch über ,die Geburt der Tragödie4“ (ebd.,
S. 287).
In einer anonymen Rezension im „Mannheimer Journal“ wird N.s UB I DS
als „eine wahre Tat“ und zugleich als „sehr geistreiche Zurechtweisung des
vielgerühmten Buches von D. Fr. Strauss“ gerühmt (zitiert nach Hauke Reich
Weil N. in der ersten seiner Unzeitgemässen Betrachtungen einen schon
bald nicht mehr aktuellen theologischen Schriftsteller attackierte und im
12. Kapitel der Schrift durch eine „Sammlung von Stilproben“ (227, 31) minutiös
die sprachlichen Schwächen von Strauß’ ANG geißelte, konzentrierte sich die
öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Skandal, den N. durch die Vehe-
menz seiner Angriffe provozierte: Er bot insbesondere den Zeitungen in Basel
Anlass zu zahlreichen Besprechungen. N. selbst schreibt Carl von Gersdorff am
27. September 1873: „Alle Baseler Zeitungen haben Artikel, zum Theil verschie-
denartige, gebracht, darunter auch einen begeisterten“ (KSB 4, Nr. 316, S. 161);
am 18. Oktober sind es dann „in summa 9 Zeitungsartikel“ (KSB 4, Nr. 318,
S. 165). - Vgl. dazu die detaillierte Dokumentation zur Rezeption von UBI DS
in Hauke Reich 2013, 275-456. - Wie N. am 3. November 1874 seiner Schwester
(KSB 4, Nr. 401, S. 273) und zwölf Tage später auch seinem Freund Erwin Roh-
de (KSB 4, Nr. 403, S. 275) berichtete, war der Absatz der beiden ersten Unzeit-
gemässen Betrachtungen eher schlecht: Von den jeweils 1000 Exemplaren,
die N.s Verleger Fritzsch hatte drucken lassen, konnte sein neuer Verleger
Schmeitzner im Oktober 1874 noch 483 Restexemplare von UB I DS und 778
Exemplare von UB II HL übernehmen (vgl. Schaberg 2002, 60, 70).
Allerdings erhält N. direkt nach der Veröffentlichung seiner Polemik gegen
Strauß mehrere Briefe, die von emphatischer Zustimmung zeugen: So schreibt
Hans von Bülow am 29. August 1873, er habe N.s „treffliche Philippica gegen
den Philister“ David Friedrich Strauß erhalten und „mit wahrem gaudium
durch- und zu Ende gelesen“ (KGB II4, Nr. 453, S. 288). Der Musikkritiker und
Schriftsteller Edouard Schure, der die „Begeisterung für Wagner“ mit N. teilt,
erklärt ihm am 13. August 1873 anlässlich von UB I DS brieflich seine „Freude
über Ihr tapferes und kräftiges Auftreten“, verurteilt ausdrücklich das „altklu-
ge Buch von Strauß“, insbesondere „seine lächerlich-impertinent frivole Wi-
derlegung Schopenhauers“, um dann folgendermaßen fortzufahren: „Sie ha-
ben in der That mit großer Schärfe und aristophanischem Feuer die Skizze
des ,Bildungsphilisters4 der Gegenwart entworfen, wie sie bis jetzt noch nicht
gezeichnet wurde. Ein so schneidendes, ja unerbittliches Gericht über die Lau-
heit, Halbheit und Nüchternheit dieses Zeitalters wirkt schon wie eine Gewit-
terentladung, wie eine Befreiung vom erstickenden Qualm unserer Civilisation.
Es läßt uns durch die reinere Luft ein schöneres Land ahnen“ (KGB II4,
Nr. 452, S. 286-287). Anschließend lobt Schure auch N.s „kühnes, vollkommen
originales und viel bedeutendes Buch über ,die Geburt der Tragödie4“ (ebd.,
S. 287).
In einer anonymen Rezension im „Mannheimer Journal“ wird N.s UB I DS
als „eine wahre Tat“ und zugleich als „sehr geistreiche Zurechtweisung des
vielgerühmten Buches von D. Fr. Strauss“ gerühmt (zitiert nach Hauke Reich