Überblickskommentar, Kapitel 1.6: Strauß’ Biographie und Werk 53
vorübergehend eine Unterrichtstätigkeit am Ludwigsburger Lyceum aus. Spä-
ter hielt er sich als Privatgelehrter in verschiedenen Städten auf, beispielsweise
in Stuttgart, Weimar, München, Köln und Heidelberg. In Stuttgart verfasste
Strauß 1836 seine drei Streitschriften zur Vertheidigung meiner Schrift über das
Leben Jesu und zur Charakteristik der gegenwärtigen Theologie (1837). In der 3.
Auflage seines Buches Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1838/39) lässt Strauß
den historischen Jesus wieder positiver erscheinen: sogar als ein religiöses Ge-
nie. Allerdings verwirft Strauß später diese nachträgliche Abmilderung, weil er
in solcher Konzilianz eine ,Selbstvernichtung des Werkes4 erblickt, und kehrt
zu seinen früheren, radikaleren Positionen zurück. Eine Schwäche der Strauß-
sehen Konzepte wurde darin gesehen, dass er die neutestamentliche Geschich-
te nur negiere, ohne - wie sein Lehrer Baur - zu zeigen, auf welche Weise
Christentum und Neues Testament aus Mythos und Idee hervorgegangen seien
(so Kienzler 1996, Sp. 28). Von theologischen Positionen entferne sich Strauß
dabei so weit, dass „Jesus nur noch als Verkünder einer reinen Kultur- und
Humanitätsreligion“ übrigbleibe (ebd., 29).
Die Berufung des protestantischen Theologen Strauß zum Professor für
Dogmatik und Kirchengeschichte an die Universität Zürich scheiterte im Jahre
1839 an massiven Protesten der dortigen Bevölkerung, so dass Strauß noch
am Tage seines Stellenantritts pensioniert werden musste. Dieser sogenannte
,Straussenhandel‘ hatte auch politische Konsequenzen, weil der ,Züriputsch‘
von 1839 zum Sturz der liberalen Regierung von Zürich führte. - In den folgen-
den Jahren konzentrierte sich Strauß auch weiterhin auf seine Arbeiten zur
historisch-kritischen Theologie und publizierte sein zweibändiges Werk Die
christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe
mit der modernen Wissenschaft dargestellt (1840/41), in dem er zunächst die
traditionelle christliche Lehre darstellt, um sich dann ihrer Auflösung durch
den Rationalismus zuzuwenden und dabei kompromisslos die Inkompatibilität
der christlichen Religion mit der modernen Wissenschaft darzulegen. Wichtig
ist ihm dabei der Anspruch, eine nachchristliche Humanitätsreligion zu ent-
werfen. In diesem Buch, das vergleichsweise wenig Resonanz fand, übt Strauß
Kritik an theologischen Dogmen, und zwar mit Methoden der kritischen Chris-
tologie, die er bereits im Leben Jesu entfaltet hatte. Oft zitiert man daraus sein
Diktum: „Die wahre Kritik des Dogmas ist seine Geschichte“ (ebd., Bd. 1, 71).
Da jedoch Bruno Bauer und Ludwig Feuerbach zur gleichen Zeit radikalere
Thesen formulierten als David Friedrich Strauß, zog seine Christliche Glaubens-
lehre eine geringere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich als einige Jahre zuvor
Das Leben Jesu. Dennoch blieb auch dieses Buch für die protestantische Theo-
logie als „negative Bezugsgröße“ bedeutsam (vgl. Friedrich Wilhelm Graf 1982,
40). Wie schon im Leben Jesu stellt Strauß in seinem Werk Die christliche Glau-
vorübergehend eine Unterrichtstätigkeit am Ludwigsburger Lyceum aus. Spä-
ter hielt er sich als Privatgelehrter in verschiedenen Städten auf, beispielsweise
in Stuttgart, Weimar, München, Köln und Heidelberg. In Stuttgart verfasste
Strauß 1836 seine drei Streitschriften zur Vertheidigung meiner Schrift über das
Leben Jesu und zur Charakteristik der gegenwärtigen Theologie (1837). In der 3.
Auflage seines Buches Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1838/39) lässt Strauß
den historischen Jesus wieder positiver erscheinen: sogar als ein religiöses Ge-
nie. Allerdings verwirft Strauß später diese nachträgliche Abmilderung, weil er
in solcher Konzilianz eine ,Selbstvernichtung des Werkes4 erblickt, und kehrt
zu seinen früheren, radikaleren Positionen zurück. Eine Schwäche der Strauß-
sehen Konzepte wurde darin gesehen, dass er die neutestamentliche Geschich-
te nur negiere, ohne - wie sein Lehrer Baur - zu zeigen, auf welche Weise
Christentum und Neues Testament aus Mythos und Idee hervorgegangen seien
(so Kienzler 1996, Sp. 28). Von theologischen Positionen entferne sich Strauß
dabei so weit, dass „Jesus nur noch als Verkünder einer reinen Kultur- und
Humanitätsreligion“ übrigbleibe (ebd., 29).
Die Berufung des protestantischen Theologen Strauß zum Professor für
Dogmatik und Kirchengeschichte an die Universität Zürich scheiterte im Jahre
1839 an massiven Protesten der dortigen Bevölkerung, so dass Strauß noch
am Tage seines Stellenantritts pensioniert werden musste. Dieser sogenannte
,Straussenhandel‘ hatte auch politische Konsequenzen, weil der ,Züriputsch‘
von 1839 zum Sturz der liberalen Regierung von Zürich führte. - In den folgen-
den Jahren konzentrierte sich Strauß auch weiterhin auf seine Arbeiten zur
historisch-kritischen Theologie und publizierte sein zweibändiges Werk Die
christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe
mit der modernen Wissenschaft dargestellt (1840/41), in dem er zunächst die
traditionelle christliche Lehre darstellt, um sich dann ihrer Auflösung durch
den Rationalismus zuzuwenden und dabei kompromisslos die Inkompatibilität
der christlichen Religion mit der modernen Wissenschaft darzulegen. Wichtig
ist ihm dabei der Anspruch, eine nachchristliche Humanitätsreligion zu ent-
werfen. In diesem Buch, das vergleichsweise wenig Resonanz fand, übt Strauß
Kritik an theologischen Dogmen, und zwar mit Methoden der kritischen Chris-
tologie, die er bereits im Leben Jesu entfaltet hatte. Oft zitiert man daraus sein
Diktum: „Die wahre Kritik des Dogmas ist seine Geschichte“ (ebd., Bd. 1, 71).
Da jedoch Bruno Bauer und Ludwig Feuerbach zur gleichen Zeit radikalere
Thesen formulierten als David Friedrich Strauß, zog seine Christliche Glaubens-
lehre eine geringere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich als einige Jahre zuvor
Das Leben Jesu. Dennoch blieb auch dieses Buch für die protestantische Theo-
logie als „negative Bezugsgröße“ bedeutsam (vgl. Friedrich Wilhelm Graf 1982,
40). Wie schon im Leben Jesu stellt Strauß in seinem Werk Die christliche Glau-