Stellenkommentar UB I DS 1, KSA 1, S. 160-161 77
sehen Körper anzufangen ist!] Zum Begriff ,Exstirpation4 vgl. NK160, 1-2. Im
Jahre 1873 reflektiert N. bereits in den Quartheften 26 [= U 15b] und TI [= U II1]
die problematischen Konsequenzen der Illusion, mit dem militärischen Sieg
Deutschlands im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 sei auch eine kultu-
relle Überlegenheit der Deutschen verbunden (NL 1873, 26 [16], KSA 7, 581-
584). Sein Verdikt über diese zeitgenössische Fehleinschätzung präsentiert er
in UB I DS ausführlich im 1. Kapitel (159-164). Analog äußert sich N. auch in
anderen nachgelassenen Notaten: NL 1873, 26 [19], KSA 7, 584 sowie NL 1873,
TI [60], KSA 7, 605 und NL 1873, TI [24], KSA 7, 593-594. (Zitate aus diesen
Notaten führt NK 159, 9-13 an.)
161, 2-3 Hoffnung auf eine wirkliche ächte [sic] deutsche Bildung, den Gegen-
satz jener Gebildetheit] Indem N. mit der „unnationale[n] ,Gebildetheit444 (160,
33-34) die „ächte deutsche Bildung“ (161, 2) kontrastiert, folgt er einer Strategie
gedanklicher Profilierung durch begriffliche Oppositionen und schließt da-
mit an Tendenzen an, die schon in seinem Erstlingswerk Die Geburt der Tra-
gödie zu erkennen sind. Mit der Gegenüberstellung von ,Bildung4 und ,Gebil-
detheit4 orientiert sich N. an Richard Wagner, der in seiner Schrift Über das
Dirigiren bereits 1869 ,Bildung4 und ,Gebildetheit4 unterschiedlich bewertet
(vgl. GSD VIII, 313-315). Im Zusammenhang mit polemischen Äußerungen über
den Komponisten und Dirigenten Felix Mendelssohn Bartholdy grenzt Wagner
dort die seines Erachtens „nichtige Gebildetheit“ von der „wahren Bildung“ ab
und gibt damit den Dualismus vor, der in den Unzeitgemässen Betrachtungen
dann wiederholt die kulturkritischen Reflexionen N.s bestimmt. In seiner
Schrift Über das Dirigiren attackiert Richard Wagner anschließend auch den
Musikkritiker Eduard Hanslick, der Vorbehalte gegenüber der Wagnerschen
Musik hegte: In diesem Zusammenhang betont Wagner den „Unmuth“, der den
„deutschen Musiker“ befalle, „wenn er heut’ zu Tage gewahren muß, daß diese
nichtige Gebildetheit sich auch ein Urtheil über den Geist und die Bedeutung
unserer herrlichen Musik anmaaßen will“ (vgl. GSD VIII, 313-315). Wenn N. im
vorliegenden Textzusammenhang von UB I DS die Hoffnung auf „eine wirk-
liche ächte [sic] deutsche Bildung“ artikuliert, wirkt mithin das nationale Krite-
rium weiter, das in Wagners Schrift Über das Dirigiren im Kontext polemischer
Wertung steht. (Zu den Hintergründen vgl. ausführlicher NK334, 9-14 und
NK 450, 8-13.)
Die von Wagner inspirierte Gegenüberstellung von genuiner , Bildung4 und
bloßer ,Gebildetheit4 nutzt N. mit je spezifischer Akzentsetzung für kulturkriti-
sche Überlegungen in allen vier Unzeitgemässen Betrachtungen. - Der von N.
betonte Gegensatz zwischen ,Bildung4 und , Gebildetheit4 ist schon in gramma-
tischer Hinsicht aufschlussreich. Denn das vom Partizip Perfekt Passiv abgelei-
tete Substantiv ,Gebildetheit4 ist besonders geeignet, um das statische Resultat
sehen Körper anzufangen ist!] Zum Begriff ,Exstirpation4 vgl. NK160, 1-2. Im
Jahre 1873 reflektiert N. bereits in den Quartheften 26 [= U 15b] und TI [= U II1]
die problematischen Konsequenzen der Illusion, mit dem militärischen Sieg
Deutschlands im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 sei auch eine kultu-
relle Überlegenheit der Deutschen verbunden (NL 1873, 26 [16], KSA 7, 581-
584). Sein Verdikt über diese zeitgenössische Fehleinschätzung präsentiert er
in UB I DS ausführlich im 1. Kapitel (159-164). Analog äußert sich N. auch in
anderen nachgelassenen Notaten: NL 1873, 26 [19], KSA 7, 584 sowie NL 1873,
TI [60], KSA 7, 605 und NL 1873, TI [24], KSA 7, 593-594. (Zitate aus diesen
Notaten führt NK 159, 9-13 an.)
161, 2-3 Hoffnung auf eine wirkliche ächte [sic] deutsche Bildung, den Gegen-
satz jener Gebildetheit] Indem N. mit der „unnationale[n] ,Gebildetheit444 (160,
33-34) die „ächte deutsche Bildung“ (161, 2) kontrastiert, folgt er einer Strategie
gedanklicher Profilierung durch begriffliche Oppositionen und schließt da-
mit an Tendenzen an, die schon in seinem Erstlingswerk Die Geburt der Tra-
gödie zu erkennen sind. Mit der Gegenüberstellung von ,Bildung4 und ,Gebil-
detheit4 orientiert sich N. an Richard Wagner, der in seiner Schrift Über das
Dirigiren bereits 1869 ,Bildung4 und ,Gebildetheit4 unterschiedlich bewertet
(vgl. GSD VIII, 313-315). Im Zusammenhang mit polemischen Äußerungen über
den Komponisten und Dirigenten Felix Mendelssohn Bartholdy grenzt Wagner
dort die seines Erachtens „nichtige Gebildetheit“ von der „wahren Bildung“ ab
und gibt damit den Dualismus vor, der in den Unzeitgemässen Betrachtungen
dann wiederholt die kulturkritischen Reflexionen N.s bestimmt. In seiner
Schrift Über das Dirigiren attackiert Richard Wagner anschließend auch den
Musikkritiker Eduard Hanslick, der Vorbehalte gegenüber der Wagnerschen
Musik hegte: In diesem Zusammenhang betont Wagner den „Unmuth“, der den
„deutschen Musiker“ befalle, „wenn er heut’ zu Tage gewahren muß, daß diese
nichtige Gebildetheit sich auch ein Urtheil über den Geist und die Bedeutung
unserer herrlichen Musik anmaaßen will“ (vgl. GSD VIII, 313-315). Wenn N. im
vorliegenden Textzusammenhang von UB I DS die Hoffnung auf „eine wirk-
liche ächte [sic] deutsche Bildung“ artikuliert, wirkt mithin das nationale Krite-
rium weiter, das in Wagners Schrift Über das Dirigiren im Kontext polemischer
Wertung steht. (Zu den Hintergründen vgl. ausführlicher NK334, 9-14 und
NK 450, 8-13.)
Die von Wagner inspirierte Gegenüberstellung von genuiner , Bildung4 und
bloßer ,Gebildetheit4 nutzt N. mit je spezifischer Akzentsetzung für kulturkriti-
sche Überlegungen in allen vier Unzeitgemässen Betrachtungen. - Der von N.
betonte Gegensatz zwischen ,Bildung4 und , Gebildetheit4 ist schon in gramma-
tischer Hinsicht aufschlussreich. Denn das vom Partizip Perfekt Passiv abgelei-
tete Substantiv ,Gebildetheit4 ist besonders geeignet, um das statische Resultat