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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0160
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134 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

sik durch Beethoven gethan hat“, reiche „über das Gebiet des ästhetisch Schö-
nen in die Sphäre des durchaus Erhabenen“ (GSD IX, 102). Zur ästhetischen
Leitkategorie des Erhabenen in N.s Frühwerk und zu den späteren Revisionen
vgl. auch NK1/1, 60-62. Zum Wandel von N.s ästhetischen Konzepten vgl. Vol-
ker Gerhardt 1984, 374-393. - N. identifiziert sich bereits in der Geburt der
Tragödie mit Wagners ästhetischem Ideal des „Erhabenen“, das er später in
UB IV WB erneut hervorhebt: Mit Blick auf Wagners wechselvolle Biographie
konstatiert N. dort den Widerspruch zwischen „einer grotesken Würdelosigkeit
ganzer Lebensstrecken“ und der Mentalität Wagners, „der mehr als irgend ein
anderer im Erhabenen und im Ueber-Erhabenen allein frei athmen kann“
(KSA 1, 441, 26-29).
Ludwig van Beethoven hatte sich als Komponist zunächst an Haydn und
Mozart orientiert, in der Zeitphase zwischen 1802 und 1812 dann trotz progres-
siver Schwerhörigkeit seinen eigenen unverwechselbaren Stil entwickelt und
dadurch zu einer innovativen musikalischen Ausdrucksform gefunden, in der
die Emotionalität besondere Bedeutung erhält. - In UB IV WB betont N., Beet-
hoven habe „die Musik eine neue Sprache“ reden lassen, nämlich „die bisher
verbotene Sprache der Leidenschaft“, durch die sich seine Kompositionen von
„den Gesetzen und Conventionen der Kunst des Ethos’“ entfernten (KSA 1, 492,
3-6). „Leidenschaft“, also Pathos, avanciert zu einem dominierenden Motiv,
wenn N. dem Komponisten Wagner „Lust am Rhythmus der grossen Leiden-
schaft“ attestiert (KSA 1, 452, 14) und unter diesem Aspekt die kontinuierliche
musikhistorische Entwicklung von Beethoven bis Wagner hervorhebt. Später
revidiert N. diese Einschätzung jedoch fundamental, etwa in seiner Schrift Der
Fall Wagner. (Vgl. auch NK 492, 3-9 und NK 492, 17.) - Heutzutage gilt Beetho-
ven als Vollender der Wiener Klassik und als Wegbereiter für die Romantik,
der die weitere Musikgeschichte fundamental beeinflusste. Die Modernität des
späten Beethoven, die erst im 20. Jahrhundert vollends erkannt wurde, liegt in
einer zunehmenden Verinnerlichung, Subjektivierung und Intensivierung des
musikalischen Stils. Zu der von N. auch in UB IV WB erwähnten letzten Schaf-
fensperiode Beethovens (vgl. KSA 1, 492, 17), die von 1814 bis zu seinem Tod
im Jahre 1827 reichte und eine besonders innovative Phase war, gehört auch
die Neunte Symphonie in d-Moll (1823-24).
186,1-3 er, Strauss, sei weit entfernt, in so „problematischen Produkten“ sei-
nes Beethoven Verdienst zu suchen] Vgl. dazu Strauß’ ANG 359, 29 - 360, 6:
„Weit entfernt also, Beethoven’s Verdienst um die Symphonie in diesen proble-
matischen Producten [gemeint sind die dritte, sechste und neunte seiner Sym-
phonien] zu suchen, werden wir es vielmehr in denjenigen Symphonien finden,
wo er die herkömmliche Form und Auffassungsweise zwar (durch Verstärkung
des Orchesters, Verselbständigung der Instrumentalgruppen, Verlängerung der
 
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