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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0177
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Stellenkommentar UB I DS 6, KSA 1, S. 192 151

zunehmende Argumentation zu diskreditieren. Die pejorative Bedeutung des
Begriffs ,Sophistik‘ im Sinne von Überredungskunst, Wahrheitsverdrehung,
Konstitution von Scheinbeweisen für falsche Thesen beruht darauf, dass Pla-
ton in seinen Dialogen Sophisten inszeniert, die Gegenpositionen zu Sokrates
vertreten, von ihm allerdings als Wortverdreher und Überredungskünstler des-
avouiert werden, die sich bloß rhetorischer Strategien bedienen, statt die
Wahrheit zu suchen. - Tendenziell schließt N. mit seinem Begriff der Sophis-
men4 auch an den Text Ueber die Universitäts-Philosophie an, in dem Schopen-
hauer den „Schriften unserer Universitäts-Philosophen“ anstelle seriöser Argu-
mentation „Sophismen, Erschleichungen, Verdrehungen, falsche Assertionen
mit unerhörter Dreistigkeit“ attestiert (PP I, Hü 202).
192,15-16 eine so „ungesunde und unerspriessliche“ Philosophie wie die Scho-
penhauerische] Diese negative Charakterisierung von Schopenhauers Philoso-
phie kritisiert N. in UB I DS bereits an einer früheren Stelle (171, 12-16). Hier
rekurriert er auf dieselben pejorativen Epitheta ,ungesund4 und ,unersprieß-
lich4, die David Friedrich Strauß in ANG auf Schopenhauer bezieht, indem er
konstatiert: „Die warme Sympathie mit der empfindenden Natur, die durch alle
seine Schriften geht, ist eine der erfreulichsten Seiten an Schopenhauers zwar
durchweg geistvollem, doch vielfach ungesundem und unersprießlichem Phi-
losophiren“ (ANG S. 243). Vgl. auch NK 171, 12-16.
192,18-23 An solchen Stellen begreift man Schopenhauers feierliche Erklärung,
dass ihm der Optimismus, wo er nicht etwa das gedankenlose Reden solcher ist,
unter deren platten Stirnen nichts als Worte herbergen, nicht blos als eine absur-
de, sondern auch als eine wahrhaft ruchlose Denkungsart erscheint, als
ein bitterer Hohn über die namenlosen Leiden der Menschheit.] Arthur Schopen-
hauer erklärt in der Welt als Wille und Vorstellung I: „Uebrigens kann ich hier
die Erklärung nicht zurückhalten, daß mir der 0 p t i m i s m u s, wo er nicht et-
wan das gedankenlose Reden Solcher ist, unter deren platten Stirnen nichts als
Worte herbergen, nicht bloß als eine absurde, sondern auch als eine wahrhaft
ruchlose Denkungsart erscheint, als ein bitterer Hohn über die namenlosen
Leiden der Menschheit. — Man denke nur ja nicht etwan, daß die Christliche
Glaubenslehre dem Optimismus günstig sei; da im Gegentheil in den Evange-
lien Welt und Uebel beinahe als synonyme Ausdrücke gebraucht werden“
(WWV I, § 59, Hü 384-385).
Auf Schopenhauers Kritik am Optimismus greift N. in UB III SE erneut zu-
rück, allerdings in anderem Kontext. Während er in UB I DS im Hinblick auf die
Implikationen von Schopenhauers pessimistischer Willensphilosophie ethisch
argumentiert, grenzt er sich in UB III SE von einer naiven Staatsteleologie ab
(KSA 1, 365, 29). Dabei übernimmt er Schopenhauers Polemik gegen die op-
 
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