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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0220
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194 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

Zusammenhang des kirchlichen Systems, überhaupt auf Consequenz. Sie ist
der Meinung, wer einmal den Unterschied von Klerus und Laien, das Bedürfniß
der Menschheit, in Fragen der Religion und Sitte sich jederzeit bei einer von
Gott durch Christus eingesetzten Behörde untrügliche Belehrung holen zu kön-
nen, zugestehe, der könne auch einem unfehlbaren Papste, als von jenem Be-
dürfniß gefordert, seine Anerkennung nicht versagen.“ Zum Dogma der Un-
fehlbarkeit des Papstes in der katholischen Kirche vgl. NK 229, 5-10.
213, 30-31 „Leicht geschürzt“ und zwar „mit Absicht“, nennt aber Strauss sein
Buch selbst] Vgl. ANG, Nachwort als Vorwort, 6: „Dieß ist ein Bekenntniß, das
keinem andern seine Stelle streitig machen, nur sich die seinige wahren will.
Indeß, so bündig ich auch fassen möchte was ich zu sagen gedenke: als Beiga-
be zu meiner mit Absicht leichtgeschürzten Schrift würde es diese beschweren;
darum lasse ich es für sich ausgehen, zumal es nicht blos als Vorwort zu der
neuen, sondern zugleich als Nachwort für die Leser der früheren Ausgaben
dienen soll.“ - Dass sich N. durch diese programmatische Feststellung provo-
ziert fühlt, zeigt ein nachgelassenes Notat aus dieser Zeit, in dem er über
Strauß schreibt: „Er hat das Leichtschürzen mißverstanden an großen Autoren:
diese wollten ein zierliches Gartenhaus, dagegen spricht der plumpe Entwurf
von Str<auss> es fehlt gerade die Leichtigkeit und Anmuth. Das Oberflächliche
Unausgebaute ist noch lange nicht das Zierliche“ (NL 1873, TI [33], KSA 7, 597).
213, 34 - 214, 11 ,,/n anmuthigem Ebenmaasse schreitet die Rede fort, und
gleichsam spielend handhabt sie die Kunst der Beweisführung, wo sie kritisch
gegen das Alte sich wendet, wie nicht minder da, wo sie das Neue, das sie bringt,
verführerisch zubereitet und anspruchslosem wie verwöhntem Geschmacke prä-
sentirt. Fein erdacht ist die Anordnung eines so mannichfaltigen, ungleichartigen
Stoffes, wo Alles zu berühren und doch nichts in die Breite zu führen war; zumal
die Uebergänge, die von der einen Materie zur anderen überleiten, sind kunst-
reich gefügt, wenn man nicht etwa noch mehr die Geschicklichkeit bewundern
will, mit der unbequeme Dinge bei Seite geschoben oder verschwiegen sind.“]
Hier zitiert N. wörtlich aus der Rezension von Wilhelm Lang zu David Friedrich
Strauß’ ANG, in: Preußische Jahrbücher 31/2 (1873), 211-212: „Es ist ihm persön-
liches Bedürfniß, an der Schwelle des Greisenalters angelangt Rechnung abzu-
legen von seinem Haushalt. Nachdem er Manches in Trümmer geschlagen, will
er das Neue aufzeigen, das an die Stelle des Alten gesetzt werden könne. Hat er
die moderne Weltanschauung, das mühsam errungene Ergebniß fortgesetzter
Natur- und Geschichtsbetrachtung, vielfach in einzelnen Andeutungen umris-
sen, so will er sie jetzt im Zusammenhang entwickeln. Es ist das Vermächtniß,
mit welchem ein Führer der geistigen Bewegung seine literarische Laufbahn
abzuschließen gedenkt. Und ein solches Vermächtniß hat ein Recht darauf, mit
 
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