Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0233
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar UB I DS 10, KSA 1, S. 218-219 207

Selbstdarstellung von David Friedrich Strauß hat N. in UB I DS bereits an frü-
herer Stelle zitiert: „Dies ist ein Bekenntniss [...] des ,klassischen Prosaschrei-
bers4 über sich selbst“ (186, 13-15). Mit beiden Zitaten bezieht sich N. auf
Strauß’ ANG, Nachwort als Vorwort (10-11): „Nachdem das Getöse früherer
Kämpfe verklungen war, hatte man sich allmählig gewöhnt, mir mit einiger
Achtung zu begegnen; man erwies mir von verschiedenen Seiten sogar die un-
gesuchte Ehre, mich als eine Art von classischem Prosaschreiber gelten zu las-
sen. Solche Achtung scheine ich nun durch meine letzte Schrift auf einmal
verwirkt zu haben; die Journalisten glauben mit mir von oben herunter, wie
mit einem Anfänger, ja wie mit einem verkommenen Subject sprechen zu dür-
fen.“
218, 27-29 „in Abgang dekretirt“ oder „auf Nimmerwiederkehr hinausgeworfen
werden.“] Die „Originalwendung dieses Genies“ (218, 27) zitiert N. aus Strauß’
ANG (176, 24 - 177, 5), und zwar mit der Absicht, die von Strauß in ganz ande-
ren Kontexten formulierten Aussagen polemisch gegen ihn zu wenden. Strauß
bringt in ANG seine Hoffnung auf eine in der Zukunft noch entschiedenere
Abkehr vom Wunderglauben und damit vom Irrationalismus zum Ausdruck,
der durch die moderne Säkularisierung und durch die Fortschritte der Natur-
wissenschaften, auch durch Darwins Konzepte, obsolet geworden ist. N. hinge-
gen kritisiert hier mit Nachdruck die Genie-Ambitionen, mit denen sich Strauß
als ein neuer Voltaire oder Lessing zu präsentieren versuche - in dem nach
N.s Ansicht vergeblichen Bemühen, alles Philiströse zu überwinden. In diesem
Sinne soll „der Philister Strauß [...] ,in Abgang dekretirt4 oder ,auf Nimmer-
wiederkehr hinausgeworfen werden.4“ (218, 26-29) - David Friedrich Strauß
schreibt in ANG (176, 24 - 177, 5): „Wir Philosophen und kritischen Theologen
haben gut reden gehabt, wenn wir das Wunder in Abgang dekretirten; unser
Machtspruch verhallte ohne Wirkung, weil wir es nicht entbehrlich zu machen,
keine Naturkraft nachzuweisen wußten, die es an den Stellen, wo es bisher am
meisten für unerläßlich galt, ersetzen konnte. Darwin hat diese Naturkraft, die-
ses Naturverfahren nachgewiesen, er hat die Thüre geöffnet, durch welche eine
glücklichere Nachwelt das Wunder auf Nimmerwiederkehr hinauswerfen
wird.“ - Vgl. Exzerpte aus ANG (KGWIII5/1), S. 354. Dort notiert N. einen Hin-
weis auf Grimms Deutsches Wörterbuch: „(es giebt ,in Abgang gerathen, brin-
gen4)“.
219, 18-22 „es wäre auch Undank gegen meinen Genius, wollte ich mich
nicht freuen, dass mir neben der Gabe der schonungslos zersetzenden Kritik zu-
gleich die harmlose Freude am künstlerischen Gestalten verliehen ward“] Auch
hier zitiert N. aus ANG, Nachwort als Vorwort, 12: „Es fällt mir nicht ein, von
jenen Schriften, die mir so viele und werthe Sympathien eingetragen, gering
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften