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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0238
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212 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

Journalismus zur Literatur kam und zahlreiche Werke verfasste, insbesondere
Dramen, aber auch mehrere Romane. Gutzkow förderte den jungen Autor Ge-
org Büchner und galt als ein führender Vertreter des Jungen Deutschland4,
einer gesellschaftskritischen Bewegung, die sich mithilfe publizistischer Akti-
vitäten für liberale und demokratische Zielsetzungen engagierte. Wie andere
Mitglieder des Jungen Deutschland4, darunter Heinrich Heine, Ludwig Börne
und Heinrich Laube, wurde Karl Gutzkow auch selbst politisch verfolgt. Mit
seinem freisinnigen Roman Wally, die Zweiflerin (1835) löste Gutzkow einen
Skandal aus. N. stand ihm aufgrund seiner konträren politischen Überzeugun-
gen und ideologischen Tendenzen kritisch gegenüber, hatte aber auch funda-
mentale ästhetische Vorbehalte gegen ihn. In seinen Vorträgen Ueber die Zu-
kunft unserer Bildungsanstalten polemisiert N. heftig gegen Gutzkow: In ZB II
propagiert er eine sprachliche ,Zucht4 durch die Lektüre bedeutender Dichter
während der gymnasialen Ausbildung, die es dann ermögliche, die Frage, „ob
Auerbach oder Gutzkow wirklich Dichter sind44, zu suspendieren und stattdes-
sen ein ästhetisches Verdikt zu fällen: „man kann sie einfach vor Ekel nicht
mehr lesen, damit ist die Frage entschieden“ (KSA 1, 684, 10-12). Und in ZB V
betrachtet er Gutzkow „als Ebenbild des modernen, bereits litterarischen Gym-
nasiasten“, der sich an die „Kultur dieser Anstalten“ anlehne, allerdings „ohne
ihre Gelehrsamkeit“ (KSA 1, 746, 23-26). Kurz zuvor verurteilt N. das „ehemals
wohlbekannte ,junge Deutschland4 mit seinem bis zum Augenblick fortwu-
chernden Epigonenthum“ als „desperates Studententhum“ (KSA 1, 746,16-18),
um wenig später dann die Problematik des „entarteten Bildungsmenschen“ in
einem kulturkritischen Rundumschlag als Signum einer „Entartung“ zu be-
zeichnen, die sich in der ,,gesammte[n] gelehrte[n] und journalistische[n] Öf-
fentlichkeit“ manifestiere (KSA 1, 746, 27-30).
Analoge Einschätzungen lassen sich auch in N.s nachgelassenen Notaten
feststellen. So notiert er 1870/71: „Gutzkow als entarteter Gymnasiast. / Das
junge Deutschland als entlaufene Studenten“ (NL 1870-1871, 8 [113], KSA 7,
266). Und in der gleichen Zeitphase formuliert N. ein pauschales Verdikt über
zeitgenössische Romane, die er als blutarme Ideen-Konstrukte betrachtet: „Die
neuere deutsche Romanschriftstellerei als eine Frucht der Hegelei: das Erste
ist der Gedanke, der nun künstlich exemplificirt wird“ - dies glaubt N. am
„Stil bei Freytag“ zu erkennen; dann fährt er fort: „Dies Gesindel, im Lobe der
Romandichtung als der einzig zeitgemäßen, schafft eine Aesthetik aus seinen
Gebrechen. Gutzkow als mißrathener Philosoph ist der transformed disformed,
im Ganzen eine Karrikatur [sic] des Schillerschen Verhältnisses von Philo-
sophie und Poesie“ (NL 1870-1871, 7 [114], KSA 7, 164).
222, 4-13 Zeitungen [...] Zeitschriften [...] Fabrikanten jener Zeitungen [...]
Schleim dieser Zeitungssprache] Erst seit etwa 1830 und in potenzierter Form
 
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