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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0253
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Stellenkommentar UB I DS 12, KSA 1, S. 227-228 227

Zeit gebraucht, vgl. auch die Belege in NK 223, 2-4. - Außer durch Schopen-
hauers Stilkritik ist N.s exemplarische „Sammlung von Stilproben“ (227, 31) aus
Strauß’ ANG auch beeinflusst durch Wagners detaillierte Sprachkritik in sei-
nem Text Herr Eduard Devrient und sein Styl. Eine Studie über dessen „Erinne-
rungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy“ (1869). In UB I DS bezieht sich N. ex-
plizit auf Eduard Devrient, indem er von seinem „schamlosen Sudeldeutsch“
spricht (222, 25-26).
Die pejorative Perspektive auf die „Jetztzeit“, die N. von Schopenhauer
übernimmt, beschränkt sich allerdings keineswegs auf Stilkritik. Vielmehr
reicht sie weit darüber hinaus in den Bereich kritischer Kulturdiagnose und
hängt insofern mit N.s Ideal der ,Unzeitgemäßheit4 zusammen (vgl. auch
KSA 1, 346, 13; 361, 9-14). Zuvor entwirft bereits Schopenhauer eine ,unzeitge-
mäße4 Metaperspektive vom imaginären Standpunkt der Zukunft aus, um die
„Jetztzeit“ zu verurteilen, der er am liebsten „in einem Zauberspiegel zeigen“
möchte, „wie sie in den Augen der Nachwelt sich ausnehmen wird“ (PP I,
Hü 185). Von dieser Metaposition aus imaginiert er in seiner Schrift Ueber die
Universitäts-Philosophie ein „Tribunal der Nachwelt, welches [...] auch eine
Schandglocke führt, die sogar über ganze Zeitalter geläutet werden kann“
(PP I, Hü 155). N. adaptiert diese Idee eines ,,Tribunal[s]“ für seine kritische
Kulturdiagnose in UB IIISE: Gerade in einer Zeit, in der „der Universitätsgeist
anfängt, sich mit dem Zeitgeiste zu verwechseln“, plädiert N. für „ein höheres
Tribunal“ in Gestalt einer künftig „ausserhalb der Universitäten“ situierten
„Philosophie“, die dann „auch diese Anstalten in Hinsicht auf die Bildung [...]
fördern, überwache[n] und richte[n]44 soll, und zwar „frei vom Zeitgeiste [...],
so wie Schopenhauer lebte, als der Richter der ihn umgebenden sogenannten
Kultur“ (KSA 1, 425, 6-17). Vgl. auch NK 346, 12-14 und NK 425, 7-17 sowie
NK 242, 9-11 und NK 346, 12-14.
228, 7 wie die verruchtesten aller Deutsch-Verderber, die Hegelianer] N. formu-
liert seine Kritik an Hegel und dessen Anhängern auch in anderen Werken,
und zwar im Hinblick auf philosophische Aspekte und stilistische Charakteris-
tika. Ambivalenzen sind in der Morgenröthe zu erkennen, wenn er Hegel zwar
„esprit“ konzediert (KSA 3, 166, 32), zugleich aber auch „seinen eigenthümli-
chen schlechten Stil“ betont (KSA 3,167, 2). Dass N. Hegel und den Hegelianis-
mus als obsolet betrachtet, geht aus UB II HL hervor, wo er „die in älteren
Köpfen noch qualmende Hegelische Philosophie“ erwähnt (KSA 1, 297, 6-7). In
UB I DS ordnet N. David Friedrich Strauß ausdrücklich den Hegelianern zu,
indem er konstatiert, dass dieser „einmal in seiner Jugend Hegelisch gestottert
hat“ (228, 11). Ähnlich wie Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Engels
gehörte David Friedrich Strauß zeitweilig zu den sogenannten Jung-Hegelia-
nern oder Links-Hegelianern. - In UB I DS reduziert N. die Philosophie Hegels
 
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