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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,2): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0255
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Stellenkommentar UB I DS 12, KSA 1, S. 228-229 229

zen von Dickhäutern traktiert sieht, pointiert er das fehlende Sensorium der
Sprachverhunzer durch polemische Übertreibung.
Die hier von Schopenhauer explizit diagnostizierte Epigonenproblematik
gehörte zum kulturkritischen Repertoire der Epoche und wurde auch von N.
wiederholt reflektiert, insbesondere in UB II HL. (Vgl. dazu markante Belegstel-
len in KSA 1, 305, 9-13 und 307, 17-32 sowie 333, 17-26.) Der moderne Begriff
des Epigonen bezeichnet den ,geistigen Erben4, der sich aufgrund seines Man-
gels an Originalität eklektizistisch an ,klassischen4 Vorbildern orientiert, an de-
ren Übergröße er zugleich leidet. Da er traditionellen Denkschemata verhaftet
bleibt, ist der Epigone weder zu künstlerischer Kreativität noch zu kritisch-
konstruktivem Umgang mit der Zeitsituation in der Lage. - Zur Problematik
der Epigonalität vgl. NK169, 15-18 sowie NK 344, 31-34 und NK 350, 20-21.
Animalische „Tatzen44 als pejorative Tiermetaphorik (allerdings ohne „Pa-
chydermata“) verwendet Schopenhauer zum Zweck sprachkritischer Polemik
auch in seinen nachgelassenen Materialien zu einer Abhandlung über den argen
Unfug, der in jetziger Zeit mit der deutschen Sprache getrieben wird (1864 er-
schienen in Frauenstädts Edition Aus Arthur Schopenhauers handschriftlichem
Nachlaß. Abhandlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 53-102).
Hier formuliert Schopenhauer seine Sprachkritik so: „Wenn die unfähigen und
urtheilslosen Köpfe, aus denen die große Mehrheit des Menschengeschlechts,
folglich auch der Gelehrten, besteht, tagtäglich schlechte Bücher in die Welt
setzen; so ist davon kein ernstlicher Nachtheil zu befürchten: ein Thor ist wer
sie liest, und ihr Einfluß geht nie weit. Ein Anderes aber ist es, wenn solche
Köpfe sich an die Sprache machen und diese nach irgend einer Flause umfor-
men und verbessern wollen: da wird die Sache bedenklich: denn sie können
ihre Tatzen so tief in die Sprache eindrücken, daß die Spur bleibend wird; weil
sie den grossen Troß von ihres Gleichen hinter sich haben, welche, wie das
gemeine Volk, in allen Dingen stets nur durch Beispiel und Nachahmung gelei-
tet werden und jetzt sich beeilen, der Narrheit nachzueifern44 (ebd., 65). Und
Schopenhauer fährt fort: „Die ganze gegenwärtige Schriftstellergeneration,
welche nicht ein einziges bleibendes Werk hinterlassen wird, soll nicht das
Andenken ihres ephemeren und rühmlosen Daseyns dadurch perpetuiren, daß
sie die kostbare deutsche Sprache, diesen wahren Nationalschatz, nach ihrem
verstand-, geschmack- und ohrlosen Kaprice verhunzt und sie so zugerichtet,
und mit den Spuren ihrer Tatzen versehen, den kommenden, vielleicht edleren
Geschlechtern überliefert“ (ebd., 66).
229, 5-10 „Schon in dem Machtzuwachse-hat der römische
Katholicismus eine Aufforderung erkannt, seine ganze geistli-
che und weltliche Macht in der Hand des für unfehlbar erklär-
ten Papstes diktatorisch zusammenzufassen.“] Die Quelle bildet
 
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