256 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben
Gersdorff“; allerdings hätten sich „die Genannten“ später „dieser Thatsache
nicht mehr erinnern“ können (ebd., 137). Zur Gruppe der „nächsten Freunde“
hat allerdings der von N. zwar sehr bewunderte, aber ihm gegenüber stets Dis-
tanz wahrende Kollege Burckhardt nie gehört. Eine Tendenz zur Glorifizierung
des Bruders bestimmt auch ihre realitätsfernen Aussagen über die Rezeption
seiner ersten drei Schriften, die ihn nach der Veröffentlichung schon damals
als avantgardistischen „Apostel“ hätten erscheinen lassen (vgl. Förster-Nietz-
sche 1897, Bd. II/l, 142-143). Vgl. dazu jedoch die Darlegungen im Kapitel II.8
des Überblickskommentars. Zur problematischen Funktion, die Elisabeth Förs-
ter-Nietzsche nicht nur im N.-Archiv hatte, sondern (vor allem durch die be-
rüchtigte Nachlass-Kompilation Der Wille zur Macht) auch in der Geschichte
der N.-Editionen, vgl. Katrin Meyer (NH 2000b, 437-440) und David Marc Hoff-
mann (NH 2000, 440-443).
Bei der Fertigstellung von UB II Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für
das Leben [= UB II HL] standen N. die Freunde Carl von Gersdorff und Erwin
Rohde hilfreich zur Seite. Auf diese Weise konnte er seine gesundheitlichen
Einschränkungen teilweise kompensieren. Am 18. September 1873 erklärte N.
in einem Brief an Richard Wagner, vom Lesen und Schreiben seien seine Au-
gen „immer noch schnell erschöpft“ und schmerzten: „In summa bleibt nichts
übrig als nachzudenken: und zwar denke ich über meine zweite ,Zeitunge-
mässheit4 nach“ (KSB 4, Nr. 313, S. 157). Aber nur einen Monat später berichtete
er am 18. Oktober 1873 in einem Brief an seinen Freund Carl von Gersdorff,
den er schon im September als „meine rechte Hand und mein linkes Auge“
bezeichnete (KSB 4, Nr. 313, S. 157): „Mitten in aller Noth und Aktion ist ein
Stück der neuen Unzeitgemässheit (2 Capitel) geschrieben, das Ganze entwor-
fen“ (KSB 4, Nr. 318, S. 165). Mit der eigentlichen Niederschrift des Textes be-
gann N. am 25. Oktober 1873 (vgl. Schaberg 2002, 59).
Trotz seiner reduzierten Sehkraft konnte N. Erwin Rohde am 21. November
1873 mitteilen, er komme „vorwärts mit der Nr 2 der Zeitungemässheit“ und
hoffe bei geeigneter „Stimmung“ in den „nächsten Wochen“ fertig zu werden
(KSB 4, Nr. 330, S. 180). Bereits am 8. Dezember 1873 lag der überwiegende
Teil der Historienschrift abgeschlossen vor. An diesem Tag erklärte Carl von
Gersdorff in einem Brief an Erwin Rohde: „Wir arbeiten ein wenig an U. B. 2,
von der nur noch das dritte und 10t. Kap. zu konzipieren ist; Vorrede und alles
andere ist so weit fertig, daß ich anfangen konnte abzuschreiben. Ich hoffe, in
den stillen Weihnachtstagen auf meiner heimatlichen Klitsche mit der ganzen
Sache zustande zu kommen“ (vgl. die vierbändige Edition Die Briefe des Frei-
herrn Carl von Gersdorff an Friedrich Nietzsche, hg. von Schlechta/Thierbach,
1934-1937, Bd. 4, 20-21). Plangemäß fertigte Carl von Gersdorff das Druckma-
nuskript dann tatsächlich weitgehend bis zum 26. Dezember 1873 an (vgl.
Gersdorff“; allerdings hätten sich „die Genannten“ später „dieser Thatsache
nicht mehr erinnern“ können (ebd., 137). Zur Gruppe der „nächsten Freunde“
hat allerdings der von N. zwar sehr bewunderte, aber ihm gegenüber stets Dis-
tanz wahrende Kollege Burckhardt nie gehört. Eine Tendenz zur Glorifizierung
des Bruders bestimmt auch ihre realitätsfernen Aussagen über die Rezeption
seiner ersten drei Schriften, die ihn nach der Veröffentlichung schon damals
als avantgardistischen „Apostel“ hätten erscheinen lassen (vgl. Förster-Nietz-
sche 1897, Bd. II/l, 142-143). Vgl. dazu jedoch die Darlegungen im Kapitel II.8
des Überblickskommentars. Zur problematischen Funktion, die Elisabeth Förs-
ter-Nietzsche nicht nur im N.-Archiv hatte, sondern (vor allem durch die be-
rüchtigte Nachlass-Kompilation Der Wille zur Macht) auch in der Geschichte
der N.-Editionen, vgl. Katrin Meyer (NH 2000b, 437-440) und David Marc Hoff-
mann (NH 2000, 440-443).
Bei der Fertigstellung von UB II Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für
das Leben [= UB II HL] standen N. die Freunde Carl von Gersdorff und Erwin
Rohde hilfreich zur Seite. Auf diese Weise konnte er seine gesundheitlichen
Einschränkungen teilweise kompensieren. Am 18. September 1873 erklärte N.
in einem Brief an Richard Wagner, vom Lesen und Schreiben seien seine Au-
gen „immer noch schnell erschöpft“ und schmerzten: „In summa bleibt nichts
übrig als nachzudenken: und zwar denke ich über meine zweite ,Zeitunge-
mässheit4 nach“ (KSB 4, Nr. 313, S. 157). Aber nur einen Monat später berichtete
er am 18. Oktober 1873 in einem Brief an seinen Freund Carl von Gersdorff,
den er schon im September als „meine rechte Hand und mein linkes Auge“
bezeichnete (KSB 4, Nr. 313, S. 157): „Mitten in aller Noth und Aktion ist ein
Stück der neuen Unzeitgemässheit (2 Capitel) geschrieben, das Ganze entwor-
fen“ (KSB 4, Nr. 318, S. 165). Mit der eigentlichen Niederschrift des Textes be-
gann N. am 25. Oktober 1873 (vgl. Schaberg 2002, 59).
Trotz seiner reduzierten Sehkraft konnte N. Erwin Rohde am 21. November
1873 mitteilen, er komme „vorwärts mit der Nr 2 der Zeitungemässheit“ und
hoffe bei geeigneter „Stimmung“ in den „nächsten Wochen“ fertig zu werden
(KSB 4, Nr. 330, S. 180). Bereits am 8. Dezember 1873 lag der überwiegende
Teil der Historienschrift abgeschlossen vor. An diesem Tag erklärte Carl von
Gersdorff in einem Brief an Erwin Rohde: „Wir arbeiten ein wenig an U. B. 2,
von der nur noch das dritte und 10t. Kap. zu konzipieren ist; Vorrede und alles
andere ist so weit fertig, daß ich anfangen konnte abzuschreiben. Ich hoffe, in
den stillen Weihnachtstagen auf meiner heimatlichen Klitsche mit der ganzen
Sache zustande zu kommen“ (vgl. die vierbändige Edition Die Briefe des Frei-
herrn Carl von Gersdorff an Friedrich Nietzsche, hg. von Schlechta/Thierbach,
1934-1937, Bd. 4, 20-21). Plangemäß fertigte Carl von Gersdorff das Druckma-
nuskript dann tatsächlich weitgehend bis zum 26. Dezember 1873 an (vgl.