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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0364
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338 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

tes“ bezieht (B.L22). - Schon zu Beginn seiner Aufzeichnungen zu dem für
Mitte Oktober 1927 aus Anlass von N.s Geburtstag geplanten Vortrag „Nietzsche
und die Fragwürdigk[eit] des Menschen“ notiert Scheier im Sinne von UBII HL
(317, 26) auch den von N. übernommenen Ausdruck „Höchste Exemplar[e]“ und
ergänzt ihn wenig später um den Hinweis auf die „Tragisch-heroische Auffas-
sung] des Menschen. Individuale Moral. Held und Heros“ (Scheier: Nietzsche
und die Fragwürdigk[eit] des Menschen, B.I.21,14). Außerdem erwähnt Scheier
„Das Bildungsphilist[ertum]“, die „Historiengefahr“ sowie „Nietzsche und die
,Zukunft des Menschen“4 (ebd., 14). Zu N.s Begriff,Bildungsphilister4 in UB I DS
und UB III SE vgl. NK 165, 6 und NK 352, 27. Zur Differenz zwischen ,Bildung4
und ,Gebildetheit4 bei N. vgl. NK 275, 2-3.
Bereits sieben Jahre vor seinen Aufzeichnungen für den geplanten N.-Vor-
trag nimmt Scheier auf die oben zitierte Textpassage aus UB II HL (vgl. 317,
24-26) in philosophiehistorischen Vorlesungsnotizen von 1920 Bezug: vgl. das
Dokument „B.I.189,106-109: Geschichte der Philosophie im 19. Jahrhundert“ (im
Scheier-Nachlass der Bayerischen Staatsbibliothek München). Hier geht Sche-
ier nach der Überschrift „Nietzsche 1844-1900“ auch konkret auf UB I DS und
UB II HL ein: ,,Unzeitg[emäße] Betr[achtungen]: Glänzende Streitschrift geg[en]
Dav[id] Friedrich] Strauß: Bildungsphilister“; dann folgen Aufzeichnungen zu
„Über Nutzen und Nacht[eil] d[er] Historie für] d[as] Leben“: ,,Vorb[ild] mo-
num[entaler] Phifosophie] d[er] Gesch[ichte]. 2.) Pietät: Versfehen] d[es]
Vergangenen]. 3.) Befreiung vom Vergangenen] Tafen] des Handelns. Ge-
schichte zum Ziel die ,höchsten Exemplare4. Übernfensch], Schopenh[auer]. /
1878 positivistische] Per[iode] [...]. / Moralkritik: Genealogie der Moral und
Jensfeits] v[on] Gut und Böse. / Ich sehe in diesen moralgenefischen] und
kritischen] Schriften die philos[ophische] Hauptleisfung] Nietzsches] [...]“
(B.I.189, 107). Außerdem notiert Scheier: „Positive] Zielsetzung: Nietzsche]
fordert eine neue heroische aristokratische Kultur auf dem Boden der Diessei-
tigkeit“ (B.I.189,108). Dass Scheier hier außer den ,,Unzeitg[emäßen] Betrach-
tungen]“ auch bereits Also sprach Zarathustra im Visier hat, zeigt sein anschlie-
ßendes Zitat (vgl. KSA 4, 15, 1-3).
Trotz dieser positiven Wertungen formuliert Scheier nur zwei Seiten später
allerdings ein kritisches Pauschalurteil über N.s CEuvre insgesamt: Nachdem
er zunächst die „Größte Bed[eutung] Nietzsches]“ im Bereich der Moralkritik
und der Infragestellung von Christentum, Demokratie und Sozialismus betont
hat, notiert er: „Posifiv] hat er nichts Dauerfähiges], Bestimmtes] geg[eben].
Kein klassischer] Philosoph wie Platon, Kant. Er ist abh[ängig] von allen Im-
pressionen], die ihn berühren. Polemisch] entfaltet] sich s[ein] Denken. Eine
große Seele, k[ein] großer Denker“ (B.I.189, 109). Dieses radikale Verdikt über
N.s Denkweise offenbart, wie sehr Scheiers Urteilsmaßstäbe im Jahr 1920 noch
 
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