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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0510
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484 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

tisiert Heidegger die Vagheit von N.s Aussagen über die Philosophie in Ab-
schnitt 5 von UB II HL: Diese Darlegungen hält er für so „unbestimmt und
allgemein“, dass sie N.s damalige „Besinnung über die Philosophie [...] sowohl
hinsichtlich ihrer Geschichte als auch grundsätzlich hinsichtlich ihrer Bestim-
mung“ nicht repräsentieren (ebd., 131). Laut Heidegger entscheiden diese „Be-
sinnungen über die Philosophie“ allerdings „über Nietzsches eigene künftige
und endgültige Stellung innerhalb der Geschichte der abendländischen Philo-
sophie“ und lassen ihn „zum Vollender der abendländischen Metaphysik“ avan-
cieren (ebd., 131).
282, 5-6 gelehrter Monolog des einsamen Spaziergängers] Anspielung auf das
Werk Reveries du promeneur solitaire („Träumereien des einsamen Spaziergän-
gers“), ein zwischen 1776 und 1778 entstandenes unvollendetes Buch von Jean-
Jacques Rousseau, das eine autobiographische Prägung aufweist.
282, 8-12 Niemand darf es wagen, das Gesetz der Philosophie an sich zu erfül-
len, Niemand lebt philosophisch, mit jener einfachen Mannestreue, die einen Al-
ten zwang, wo er auch war, was er auch trieb, sich als Stoiker zu gebärden, falls
er der Stoa einmal Treue zugesagt hatte.] Den antiken Stoikern schreibt N. hier
einen Anspruch auf unbedingte Übereinstimmung zwischen eigenem Lebens-
ethos und philosophischer Lehre zu. Indem N. die „Mannestreue“ betont, spielt
er zugleich auf das Ideal heroischer Männlichkeit an, das bereits die griechi-
schen Stoiker propagierten. Bei den römischen Stoikern verstärkte sich dieser
Habitus noch: Schon ihr Tugendbegriff (vir-tus) ist etymologisch mit der Vor-
stellung einer spezifisch ,männlichen4 Haltung verbunden.
282, 29 - 283,1 Goethe sagt einmal von Shakespeare: „Niemand hat das mate-
rielle Kostüme mehr verachtet als er; er kennt recht gut das innere Menschen-
Kostüme, und hier gleichen sich Alle. Man sagt, er habe die Römer vortrefflich
dargestellt; ich finde es nicht; es sind lauter eingefleischte Engländer, aber frei-
lich Menschen sind es, Menschen von Grund aus, und denen passt wohl auch die
römische Toga.“] Hier zitiert N. aus Goethes Abhandlung Shakespear und kein
Ende (Goethe: FA, Abt. I, Bd. 19, 640).
283, 8 „der die Nieren prüft“] Nach christlicher Vorstellung kennt allein Gott
das Innerste des Menschen. Die Bibel verwendet dafür die Formel „Herz und
Nieren“. Vgl. Psalm 7, 10: „du prüfst Herzen und Nieren“ (analog: Jeremias 11,
20; 17, 10; 20, 12); Offenbarung (2, 23): „der die Nieren und Herzen erforscht“.
283, 25-27 in den Ueberresten griechischer Dichter wühlen und graben sie, als
ob auch diese corpora für ihre Section bereit lägen und vilia wären] Hier spielt
N. mit der doppelten Bedeutung des lateinischen Wortes ,corpus4 (Plural: cor-
pora). Primär ist damit der menschliche Körper gemeint, der nach dem Tod als
 
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