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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0529
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Stellenkommentar UB II HL 6, KSA 1, S. 293-295 503

werden, als ,symphronistisch‘. Als Wilhelm Meister in der Pädagogischen Pro-
vinz die achteckige Halle der Weltgeschichte betritt, erklärt man ihm, dass hier
„nicht sowohl synchronistische als symphronistische Handlungen und Bege-
benheiten aufgeführt sind, indem unter allen Völkern gleichbedeutende und
Gleiches deutende Nachrichten vorkommen“; an „der Wiederkehr der Schick-
sale ganzer Völker“ werde die „Weltgeschichte [...] eigentlich begriffen“ (Goe-
thes Werke: HA, Bd. 8, 159).
294, 20-21 von den historiens de M. Thiers] Adolphe Thiers (1797-1877), ein
Wortführer des Liberalismus, war in der Zeit von 1836 bis 1840 französischer
Ministerpräsident und in den Jahren von 1871 bis 1873 der erste Präsident der
französischen Republik. Adolphe Thiers publizierte eine lObändige Geschichte
der Französischen Revolution mit dem Titel Histoire de la Revolution frangaise
(1823-1827); seine Geschichte des napoleonischen Konsulats und des Kaiser-
reichs (Histoire du Consulat et de FEmpire, faisant suite ä THistoire de la Revolu-
tion frangaise) umfasst sogar 20 Bände (1843-1869). Indem N. auf die „Ge-
schichtsforscher des Monsieur Thiers“ anspielt, macht er deutlich, dass dieser
Autor in hohem Maße die Zuarbeit anderer Historiker für seine eigenen Publi-
kationen nutzte.
294, 30-31 die ausserordentlich tiefe und weite Wirkung Delphi’s] Delphi galt
als bedeutendster Orakelort des antiken Griechenland. Das Orakel, das im ge-
samten griechischen Raum über große Autorität verfügte, wurde insbesondere
durch die vom Gott Apollon inspirierte Seherin Pythia verlautbart. Zum mytho-
logischen Hintergrund vgl. ergänzend NK 314, 21-22.
295, 4-7 Zieht um euch den Zaun einer grossen und umfänglichen Hoffnung,
eines hoffenden Strebens. Formt in euch ein Bild, dem die Zukunft entsprechen
soll, und vergesst den Aberglauben, Epigonen zu sein.] Die bildhafte Vorstellung
vom „Zaun einer grossen und umfänglichen Hoffnung“ gehört zu den Kata-
chresen N.s. Zur Problematik der verunglückten Metaphern nahm N.s Freund
Erwin Rohde am 24. März 1874 in einem Brief kritisch Stellung: „Noch einen
Fehler habe ich zu rügen. Du verfolgst, so scheint mir, nicht ganz glückliche,
oft recht stark hinkende Bilder, zuweilen weiter, als für ihre Wirkung
ersprießlich ist“ (KGB II4, Nr. 525, S. 422). Vgl. dazu Kapitel II.5 zum rhetori-
schen Duktus der Historienschrift sowie NK267, 10-17. - In N.s Frühwerk
kommt der Thematik der Hoffnung und der Zukunft eine programmatische Be-
deutung zu. Dies gilt bereits für die Geburt der Tragödie und UB I DS. So appel-
liert N. am Ende von GT 24 an die Freunde, seine „Hoffnungen [zu] verstehen“
(KSA 1, 154, 21-22). Die theologiekritische Schrift Overbecks, die N. und er mit
UB I DS zu einem ,Zwillingspaar4 binden ließen (vgl. dazu den Überblickskom-
mentar zu UB I DS), galt im Kreis der Freunde als „Zukunftstheologie“ (KSB 4,
 
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