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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0548
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522 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

sehr, daß auf 300 Millionen ihrer Fabrikwaare noch nicht Ein wahrhaft großer
Geist kommt“ (PP I, Hü 189). Mit der bloßen „Fabrikwaare“ kontrastiert Scho-
penhauer die echten Philosophen, die er für seltene Heroen des Geistes hält
(PP I, Hü 189). Seines Erachtens ist „die Natur“ sogar „aristokratischer, als
irgend ein Feudal- und Kastenwesen“ (PP I, Hü 209-210). (Das Kapitel III.4
„Quellen und Einzugsgebiete“ im Überblickskommentar zu UB III SE weist
erstmals die Korrespondenzen zwischen Schopenhauers Schrift Ueber die Uni-
versitäts-Philosophie und N.s UB III SE nach).
301, 26-34 Als letztes und natürliches Resultat ergiebt sich das allgemein be-
liebte „Popularisiren“ (nebst „Feminisiren“ und „Infantisiren“) der Wissenschaft
[...] Goethe sah darin einen Missbrauch und verlangte, dass die Wissenschaften
nur durch eine erhöhte Praxis auf die äussere Welt wirken sollten.] Hier para-
phrasiert N. eine Aussage Goethes, der im Abschnitt „Bernard le Bovier de Fon-
tenelle“ seiner Farbenlehre schreibt: „Die Wissenschaft selbst kann durch eine
solche Behandlung wohl nicht gewinnen, wie wir auch in neuerer Zeit durch
das Feminisieren und Infantisieren so mancher höheren und profunderen Ma-
terie gesehen haben“ (Goethe: FA, Abt. I, Bd. 23/1, 859). Zugleich schließt N.
an die Maximen und Reflexionen (Aus Makariens Archiv) an, die Goethe im Zu-
sammenhang mit seinem Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre verfasste: „Nur
durch eine erhöhte Praxis sollten die Wissenschaften auf die äußere Welt wir-
ken: denn eigentlich sind sie alle esoterisch und können nur durch Verbessern
irgend eines Tuns exoterisch werden. Alle übrige Teilnahme führt zu nichts“
(Goethe: FA, Abt. I, Bd. 10, 758).
302, 15 Scheidewasser] Mittlerweile obsolet gewordener Begriff zur Bezeich-
nung der Salpetersäure, die Silber und Gold zu trennen vermag.

8.
303, 2-5 Goethe, durch seine merkwürdige Charakteristik Newtons [...]: er findet
im Grunde [...] seines Wesens „eine trübe Ahnung seines Unrechtes“] In Goethes
Schrift Zur Farbenlehre heißt es: „Diese Ironie, dieses Bewußtsein, womit man
seinen Mängeln nachsieht, mit seinen Irrtümern scherzt [...], kann von der
klarsten Verruchtheit bis zur dumpfsten Ahndung sich in mancherlei Subjekten
stufenweise finden [...]. Wäre alsdann die Sache durch Beispiele völlig aufge-
klärt, so würde uns niemand verargen, wenn er Newtonen auch in der Reihe
fände, der eine trübe Ahndung seines Unrechts gewiß gefühlt hat“ (Goethe:
FA, Abt. I, Bd. 23/1, 848). Direkt daran anschließend polemisiert Goethe im
Hinblick auf die Farbenlehre gegen die Methode Newtons und formuliert mit
 
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