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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0089
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Stellenkommentar JGB Vorrede, KSA 5, S. 13 69

mus auch des socialistischen: / Beherrschung der Menschheit zum Zweck
ihrer / Beglückung / Beglückung der Menschheit durch Aufrechterhaltung
der Illusion, des Glaubens / Dazu meine Gegenbewegung: — / Beherr-
schung der Menschheit zum Zweck ihrer Überwindung. / Über-
windung durch Lehren, an denen sie zu Grunde geht, ausge-
nommen die welche sie aushalten / [...] / So steht es auch bei sehr individu-
ellen Menschen, wir sorgen für unsere zukünftigen Bedürfnisse!“ (NL
1883, KSA 10, 7[238], 315, 1-18) Bis in die Wortwahl hinein ist diese Aufzeich-
nung Hartmanns Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins nachempfunden,
derzufolge die „Mission“ der Jesuiten „die Beherrschung der Menschheit zum
Zweck ihrer Beglückung, und die Beglückung der Menschheit durch Aufrecht-
erhaltung der Illusionen des Glaubens“ sei (Hartmann 1879, 646; von N. mit
Randstrich markiert).
Hartmann konstruierte einen Gegensatz von Jesuitismus und Aufklärung,
den er an einer unterschiedlichen Anthropologie dingfest machte: Der Jesuitis-
mus glaube nicht, dass „durch Förderung der Aufklärung und Bildung, des
Geschmackes und der Feinfühligkeit, durch Vermehrung und Verfeinerung der
Bedürfnisse und der Mittel zu ihrer Befriedigung, kurz, durch Steigerung der
Cultur im weitesten Sinne, der Glückseligkeitszustand der Menschen verbessert
und nicht vielmehr verschlimmert würde“ (Hartmann 1879, 646). Zuerst habe
der Jesuitismus „Aufklärung und Cultur [...] als Hauptfeinde seiner selbst und
seines Principes“ bekämpft. Hartmann hält dieses Prinzip für „theoretisch un-
überwindlich“, denn tatsächlich führe der Kulturfortschritt entgegen der opti-
mistischen Suggestion der Aufklärer keineswegs zu größerem „Wohl der
Menschheit“. „Das Volk, so dumm es ist, hat doch davon ein ganz zuverlässi-
ges Gefühl, dass die Aufklärer und Fortschrittler ihm wirklich seinen Frieden
und sein Glück rauben, wenn sie es dem Bann des Jesuitismus entreissen.“
(Ebd., 646; von N. mit doppeltem Randstrich markiert.) Heute bediene sich
der Jesuitismus, „radical im extremsten Sinne“, wie vor ihm die Aufklärung
selbst „aller bisher von ihm verpönten Mittel der demagogischen Agitation
(Presse und Vereinswesen), erklärt dem Staat als solchen offen den Krieg,
und unterwühlt die Achtung der Massen vor allen historisch gegebenen
Grundlagen unseres bisherigen politischen und socialen Lebens“ (ebd., 647;
von N. mit Randstrich markiert). Hartmann selbst wiederum versteht sich
als Fackelträger eines antijesuitischen und antisozialistischen Kulturkampfes.
Mit diesem Stichwort schlägt er sich auf die Seite der offiziellen Reichspolitik
Bismarcks: „Auch das ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass grade
in unserer Zeit, wo das Princip der Culturentwickelung zum Bewusstsein
der fortgeschrittensten Völker gelangt, die culturmörderischen Mächte des
Jesuitismus und der Socialdemokratie in bisher ungeahnter Kühnheit und
 
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